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Vom Zeigen und Verschweigen

Im Humboldt Lab Dahlem werden neue Ausstellungskonzepte für die Dahlemer Museen ausprobiert / Viola König, Direktorin des Ethnologischen Museums und Honorarprofessorin an der Freien Universität, erläutert die Pläne für das Humboldt-Forum

16.10.2013

Im Rahmen der Ausstellung „Spiel der Throne“ der Probebühne 2 ist ein mit rotem Wachs übergossener Thron des chinesischen Künstlers Zhao Zhao zu sehen. "Waterfall" ist...

Im Rahmen der Ausstellung „Spiel der Throne“ der Probebühne 2 ist ein mit rotem Wachs übergossener Thron des chinesischen Künstlers Zhao Zhao zu sehen. "Waterfall" ist...
Bildquelle: Staatliche Museen zu Berlin, Foto: Sebastian Bolesch

... eine Neuinterpretation des chinesischen Kaiserthrons mit Paravent (kaiserliche Werkstätten der Ära des Kaisers Kangxi,1662–1722) mit dem Verweis auf das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Es zeigt die Kontinuität von Macht.

... eine Neuinterpretation des chinesischen Kaiserthrons mit Paravent (kaiserliche Werkstätten der Ära des Kaisers Kangxi,1662–1722) mit dem Verweis auf das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Es zeigt die Kontinuität von Macht.
Bildquelle: Museum für Asiatische Kunst - Staatliche Museen zu Berlin, Foto: Jens Ziehe

Dr. Viola König ist Honorarprofessorin am Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin. Die Altamerikanistin ist Direktorin des Ethnologischen Museums Dahlem.

Dr. Viola König ist Honorarprofessorin am Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin. Die Altamerikanistin ist Direktorin des Ethnologischen Museums Dahlem.

2019 soll das Berliner Stadtschloss eröffnen – und mit ihm das Humboldt-Forum. Zwei Dahlemer Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sollen dann eine neue Heimat in Berlin-Mitte finden: die Sammlungen des Museums für Asiatische Kunst und des Ethnologischen Museums. Welche Möglichkeiten sich durch die Neueinrichtung im Humboldt-Forum ergeben und wie sie derzeit durch das Experimentierprojekt Humboldt Lab Dahlem getestet werden, erklärt Professorin Viola König. Sie ist Honorarprofessorin am Lateinamerika-Institut der Freien Universität und Direktorin des Ethnologischen Museums.

Über zu viel Freizeit kann sich Viola König nicht beklagen: Neben der kuratorischen und leitenden Arbeit im Museum und der wissenschaftlichen Forschung an der Freien Universität entwickelt die Ethnologin aktuell ein Ausstellungskonzept für das Humboldt-Forum, in das das Ethnologische Museum ab 2019 ziehen soll.

Obwohl noch viele Fragen offen sind, hat die Altamerikanistin eine klare Vorstellung, mit welchem programmatischen Blick sie die Schätze ihres Hauses präsentieren will. „Es geht um Multiperspektivität und darum, den Besuchern zu zeigen, dass unsere historische Sammlung für das Verständnis unserer Gegenwart außerordentlich relevant ist“, sagt die Wissenschaftlerin.

Was ein Tuch erzählt

Als Beispiel nennt sie ein 17 Quadratmeter großes Baumwolltuch aus Mexiko – nach dem Sammler Lienzo Seler II benannt –, das sie im Ethnologischen Museum im Rahmen ihrer Doktorarbeit untersucht hat. Das Baumwolltuch stammt aus dem Coixtlahuaca-Tal in Oaxaca in Mexiko und zeigt die verschiedenen ethnischen Einflüsse und Migrationsströme inner- und außerhalb dieses Landstrichs. Entstanden ist es um das Jahr 1590, kurz nach der Eroberung der Spanier.

„Es dokumentiert einen Clash der Kulturen“, sagt Viola König. „Es kommen europäische und präkolumbische Einflüsse vor. Das Tuch umfasst die gesamte Geschichte, Topografie, Mythologie und Dynastien-Folge der indigenen Elite.“ Zudem reflektiert das Dokument, wie die drei indigenen Völker, die das Tal bewohnt haben, sich selbst sahen und sich gegenüber den neuen spanischen Machthabern inszeniert haben. „Die Grob-Daten kennen wir. Die Autoren haben das Tuch angefertigt, um den Spaniern zu beweisen: Das ist unser Land. Wir sind die legitimen Besitzer seit uralter Zeit.“ Andere Einflüsse würden wiederum verschwiegen – wie etwa die der Azteken, die vor dem Einmarsch der Spanier das Tal militärisch kontrolliert haben.

Durch Gegenstände Geschichte sichtbar machen

Diese Dialektik aus Zeigen und Verschweigen, die bis heute identitätsstiftend für jedes Volk sei, will Viola König den Besuchern vor Augen führen. Und damit die Entwicklung und das Selbstverständnis von Kulturen erklären. Monica Pacheco, Doktorandin an der Freien Universität, knüpft an diese Forschung an. Die Altamerikanistin, die selbst aus dem mexikanischen Oaxaca-Tal stammt, promoviert im Rahmen des Exzellenzclusters TOPOI an der Freien Universität; betreut wird sie von Viola König. Die in Deutschland ausgebildete Altamerikanistin steht mit Archäologen und Historikern in Kontakt, um diverse Forschungsstränge zusammenzuführen. Außerdem führt sie Interviews mit der Bevölkerung im Coixtlahuac-Tal, um den Inhalt, aber auch die Bedeutung des Tuches für die Gegenwart zu verstehen. Lienzo Seler II, das Baumwolltuch, soll im Humboldt-Forum gezeigt werden. Neben der Herausforderung, ein solch riesiges Dokument zu präsentieren, stelle sich die Frage, die auch viele andere Exponate betreffe, sagt Viola König: „Wie können wir dem Besucher zeigen, dass diese Landkarte kein totes Stück Stoff ist?“

Ausstellungskonzepte ausprobieren

Das Humboldt-Lab Dahlem, eine von der Bundeskulturstiftung finanzierte Probebühne, will bei der Beantwortung dieser Fragen helfen: Es ist eine Experimentier-Fläche für das Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst – ein Labor für neue Ausstellungskonzepte, wie sie im Humboldt-Forum realisiert werden könnten.

Die Ausstellung Probebühne 2, die noch bis zum 27. Oktober zu sehen ist, stellt historische Exponate aktueller Kunst gegenüber. Unter dem Motto „Spiel der Throne“ sieht man etwa einen Herrscherstuhl aus dem chinesischen Kaiserreich und daneben eine Neuinterpretation des 30-jährigen Künstlers Zhao Zhao. Dessen mächtiger Thron ist mit rotem Wachsblut übergossen. Er reflektiert die Schreckensherrschaft der Kommunisten, die das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens von 1989 zu verantworten haben. Durch das Nebeneinander der beiden Ausstellungsstücke zeige sich die Kontinuität der Macht in gewaltvollen Brechungen, erklärt Viola König.

Am 16. Oktober startet die Probebühne 3 mit vier neuen Projekten. Sie ist bis Ende März 2014 zu sehen.

Bei allen Projekten bleibe der dynamische Zugang entscheidend, sagt Viola König: Das Humboldt-Forum solle kein statisches Gebilde sein, sondern ein Zentrum des aktiven interkulturellen Austauschs. Deswegen nimmt Viola König auch die postkoloniale Sicht auf die Gegenstände der Sammlung und die Debatte um die Restitutionsforderungen ernst: „Wir suchen das Gespräch mit jenen Gruppen, die dem Projekt kritisch gegenüberstehen – zuvorderst aber mit den Nachfahren der Völker, mit denen sich die Ausstellungen beschäftigen.“ Sie, die Kuratoren, Künstler und Besucher sollen im Humboldt-Forum gemeinsam wichtige Fragen für die Zukunft diskutieren, die die Konflikte zwischen den indigenen Völkern und den Europäern berühren und Lösungsansätze für das Zusammenleben heute entwickeln.

Weitere Informationen

Ausstellungen

  • Die Probebühne 3 startet am 16. Oktober 2013 (bis 30. März 2014). Eröffnung: 16. Oktober 2013, 19 Uhr, Museen Dahlem, Lansstraße 8, 14195 Berlin. Verkehrsverbindung: U-Bahn U3 (Dahlem-Dorf)
  • Die Ausstellung Probebühne 2 ist noch bis 27. Oktober 2013 zu sehen: dienstags bis freitags, 10 bis 18 Uhr, am Wochenende, 11 bis 18 Uhr. Museen Dahlem, Staatliche Museen zu Berlin, Lansstraße 8, 14195 Berlin. Verkehrsverbindung: U-Bahn U3 (Dahlem-Dorf)

Humboldt Lab Dahlem

Das Humboldt Lab Dahlem ist ein Experimentierprojekt der Kulturstiftung des Bundes und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, das seit März 2013 regelmäßig unter der Bezeichnung „Probebühne“ Resultate in Form von Ausstellungen, Symposien und Aktionen präsentiert. Damit bereitet das Humboldt Lab Dahlem gezielt die Einrichtung des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin im Humboldt-Forum vor. Rund 16000 Quadratmeter Ausstellungsfläche stehen dort ab 2019 für die Sammlungen beider Museen zur Verfügung. Der besondere Rahmen des Humboldt-Forums legt dabei neue Formen der Museumsarbeit nahe.