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Wie berechenbar ist das Weltklima?

Mathematikprofessor Rupert Klein hält am 23. Mai eine der renommierten „Simons Lectures“

21.05.2013

Wie wird das Klima in der Zukunft sein? Der Mathematik-Professor Rupert Klein hält am 23. Mai 2013 an der Freien Universität einen Vortrag über Möglichkeiten, Klimaprognosen mithilfe der Mathematik zuverlässiger zu machen.

Wie wird das Klima in der Zukunft sein? Der Mathematik-Professor Rupert Klein hält am 23. Mai 2013 an der Freien Universität einen Vortrag über Möglichkeiten, Klimaprognosen mithilfe der Mathematik zuverlässiger zu machen.
Bildquelle: morguefile.com / middlewick

Professor Rupert Klein lehrt und forscht an der Freien Universität Berlin.

Professor Rupert Klein lehrt und forscht an der Freien Universität Berlin.
Bildquelle: Verena Blindow

Wem bei Klimaforschung und Wettervorhersage nicht gleich Mathematik in den Sinn kommt, sollte besser umdenken. Wie nämlich das Fach zur Lösung globaler Probleme beitragen kann, will das internationale Themenjahr „Mathematics of Planet Earth 2013“ deutlich machen. Zu den Höhepunkten gehören die renommierten „Simons Lectures“. Eine von weltweit nur neun Vorlesungen und die einzige in Europa hält Rupert Klein, Professor für Mathematik an der Freien Universität Berlin. Am 23. Mai spricht er in seinem öffentlichen Vortrag „KliMathematik: Modelle, Daten und Strukturen“ über die Rolle der Mathematik bei der Klimaprognose.  

Herr Professor Klein, warum ist es so schwierig vorherzusagen, wie das Klima in 30 oder 50 Jahren sein wird?

Aus mindestens drei Gründen. Wenn man 30 Jahre und mehr in die Zukunftblicken möchte, spielen beispielsweise auch Vorgänge in der Erdkruste eine wichtige Rolle, außerdem das Verhalten der Ozeane oder die Entwicklung der Eisbedeckung. Hier ist die aktuelle Datenlage sehr dünn. Eine zweite Schwierigkeit besteht in der hohen Komplexität des vorherzusagenden Systems, also in der Vielfalt an beteiligten Prozessen.

Hinzu kommt, dass man mit dem Erdsystem keine wiederholbaren Experimente durchführen kann. Und drittens ist der Einfluss des Menschen zu berücksichtigen, womit auch noch die Politik ins Spiel kommt. Aus diesen Gründen kann die Klimaforschung bestenfalls verschiedene Szenarien in Abhängigkeit von angenommenen zukünftigen politischen Entscheidungen liefern.

Warum ist die Entwicklung von Klimamodellen für Mathematiker interessant?

Das fängt bei den strömungsmechanischen Differentialgleichungen an, mit denen sich die Atmosphäre beschreiben lässt. Diese kennt man zwar schon länger; aber die komplexen Randbedingungen, denen die Strömungen auf der Erdkugel ausgesetzt sind, machen ihre Lösung sehr anspruchsvoll und damit interessant.

Die Charakterisierung der Unsicherheiten, die sich als Folge etwa der schlechten Datenlage oder bisher unzureichend beschriebener Teilprozesse ergeben, bringt noch eine andere Art von Mathematik ins Spiel: Wahrscheinlichkeit, Statistik, Stochastik, also die Lehre von den Zufallsprozessen – ein weites und spannendes Feld.

Wie kann die Mathematik bei Klimaprognosen helfen?

Sie kann bei der Modellbildung und bei der Analyse der von den Klimamodellierern bereits verwendeten Modelle unterstützen. Ein gutes Beispiel sind etwa die sogenannten hydrostatisch primitiven Gleichungen, die heute die Basis praktisch aller globalen Klimamodelle bilden. Bis vor einiger Zeit war noch nicht bekannt, ob diese Gleichungen eindeutig und gegebenenfalls über hinreichend lange Zeithorizonte lösbar sind.

Genau das wurde aber kürzlich für eine geläufige Version dieser Gleichungen von Mathematikern bewiesen. Dies liefert zwar noch keine neuen Erkenntnisse zur Klimaentwicklung, stellt die Modelle aber auf ein solideres Fundament und erhöht ihre Glaubwürdigkeit.

Gibt es weitere Beiträge der Mathematik für eine bessere Klimamodellierung?

Ein Problem derzeit ist die begrenzte Rechnerkapazität. Das mag im Zeitalter von Superrechnern überraschen; aber wenn wir Aussagen über die Klimaentwicklung der kommenden 100 oder sogar 200 Jahre machen möchten, dann stoßen auch die leistungsfähigsten Großrechner an ihre Grenzen. Die Lösung für das Problem heißt Modellreduktion: Ausgehend von den Modellgleichungen, von denen man meint, dass sie alle Details gut erfassen, muss man Vereinfachungen einführen.

Die Herausforderung besteht nun darin, so zu vereinfachen, weiterhin aussagekräftige Ergebnisse liefert. Hierfür kennen die Meteorologen zwar bereits Verfahren, aber der Werkzeugkasten der Mathematiker ist vielfältiger, gerade auch, wenn die oben genannten Unsicherheiten zu berücksichtigen sind. Ein solcher Austausch zwischen den beteiligten Disziplinen kann die Erarbeitung von Antworten auf die drängenden Fragen zur Klimaentwicklung sehr beschleunigen.

Gibt es ein konkretes Beispiel, das zeigt, wie die Mathematik bei der Entwicklung von Klimamodellen helfen kann?

Mit der Bereitstellung von Großrechnern in den Achtziger- und Neunzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts entwickelte sich in der Klimaforschung ein Trend hin zu immer aufwändigeren und detaillierteren Computermodellen. Man begrüßte, dass die vielfachen Modellvereinfachungen, die man bis dato einführen musste, um überhaupt etwas rechnen zu können, nun eine nach der anderen fallengelassen werden konnten und man zu vollständigeren Modellen übergehen konnte.

Damit wurde aber auch die weitgehend analytische, also theoretische, Durchdringung der betrachteten Vorgänge an den Rand der wissenschaftlichen Aktivitäten gedrängt. Es ist nicht zuletzt das Verdienst einiger ambitionierter angewandter Mathematiker, dass die Theoriebildung, neben der heute unabdingbaren Computersimulation, wieder eine wichtigere Rolle in der Klimaforschung spielt.

Die Fragen stellte Thomas Vogt, Medienbüro Mathematik, Freie Universität Berlin.

  • Donnerstag, 24. Mai 2013, 17 Uhr
  • Henry-Ford-Bau, Max-Kade-Auditorium, Garystraße 35, 14195 Berlin (U 3, U-Bhf. Thielplatz)