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Made in Steglitz-Zehlendorf

Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer besuchte die Freie Universität bei einer Technologie-Tour im Berliner Südwesten

03.04.2013

Vor dem autonomen Auto (v.l.n.r.): Prof. Dr. Raul Rojas (Freie Universität), Bezirksbürgermeister von Steglitz-Zehlendorf Norbert Kopp, Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer, Autonomos-Projektleiter Tinosch Ganjineh (Freie Universität)

Vor dem autonomen Auto (v.l.n.r.): Prof. Dr. Raul Rojas (Freie Universität), Bezirksbürgermeister von Steglitz-Zehlendorf Norbert Kopp, Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer, Autonomos-Projektleiter Tinosch Ganjineh (Freie Universität)
Bildquelle: Hai Nguyen

Senatorin an Bord: Cornelia Yzer auf Probefahrt im fahrerlosen "Spirit of Berlin".

Senatorin an Bord: Cornelia Yzer auf Probefahrt im fahrerlosen "Spirit of Berlin".
Bildquelle: Hai Nguyen

Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer im Gespräch mit den Gründern Malte Zur (Mitte) und Fabian Grasse (rechts).

Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer im Gespräch mit den Gründern Malte Zur (Mitte) und Fabian Grasse (rechts).
Bildquelle: Sabine Hellwig

Effiziente Wärmeableitung: Wie das dank CNTherm funktioniert, erläutern T. Straßburg (1.v.l.) und Dr. K. Hubmann (vorne und von hinten) Wirtschaftssenatorin Yzer. 2.v.r.: Steffen Terberl (Leiter des profund-Teams der Freien Universität).

Effiziente Wärmeableitung: Wie das dank CNTherm funktioniert, erläutern T. Straßburg (1.v.l.) und Dr. K. Hubmann (vorne und von hinten) Wirtschaftssenatorin Yzer. 2.v.r.: Steffen Terberl (Leiter des profund-Teams der Freien Universität).
Bildquelle: Sabine Hellwig

Der Schnee türmte sich zum Glück nur am Straßenrand, die Fahrbahn war frei an diesem Märzmittag, an dem Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer in den weißen Pkw stieg. Informatikprofessor Raúl Rojas, Erfinder des Fahrzeugs "MadeInGermany", setzte sich zu ihr auf die Rückbank. Fotografen wurden aus dem Weg gehupt, dann drehte das Auto seine Runden auf der Habelschwerdter Allee – ohne Fahrer. Auf Einladung des Bezirksbürgermeisters Norbert Kopp hatte sich die Berliner Senatorin für Wirtschaft, Forschung und Technologie auf „Entdeckertour“ zu Unternehmen und technologieorientierten Forschungsprojekten im Berliner Südwesten begeben – und damit auch zur Freien Universität.

Erster Stopp der Tour war ein Besuch bei der Berlin Heart GmbH, die ihren Sitz gleich neben dem Charité-Campus Benjamin Franklin hat und Kunstherzen entwickelt, produziert und vertreibt. Auf ihrer zweiten Station entdeckte die Senatorin an der Freien Universität, dass ein Auto sich auch ohne Fahrer im Stadtverkehr zurechtfinden kann: „Fantastisch, das kann ich nur empfehlen“, rief Cornelia Yzer begeistert dem Grüppchen von Journalisten zu, das sie begleitete. Vielleicht käme so ein Fahrzeug bald als Dienstwagen in Frage. „Aber wer haftet im Falle eines Unfalls?“, überlegte sie laut. Neue Technologien werfen neue Fragen auf.

Vor der Testfahrt warf Cornelia Yzer mit Professor Raúl Rojas, der die Arbeitsgruppe Künstliche Intelligenz am Fachbereich Informatik der Freien Universität Berlin leitet und mit ihr das sogenannte autonome Auto entworfen hat, einen Blick auf das „Herz“ des Fahrzeugs im Kofferraum: Hier werten mehrere Rechner die Signale von Kameras und Sensoren aus und geben Befehle für die Steuerung. Eine Ausgründung der Arbeitsgruppe wird künftig die Ergebnisse der Forschung in die Anwendung bringen: Erster Kunde der Ausgründung AutoNOMOS Systems ist die Berliner Stadtreinigung, wie Projektleiter Tinosch Ganjineh der Senatorin berichtete. Da es bei Müllfahrzeugen immer wieder zu Unfällen beim Rückwärtsfahren kommt, erhielt das junge Unternehmen von der BSR den Auftrag, ein Konzept für ein neuartiges RückfahrAssistenzSystem (RAS) zu entwickeln. Nun steht die erste Version und soll an mehreren BSR-Fahrzeugen zur Erprobung in den Alltagstest gehen.

Neue Erkenntnisse über den Schubkennwert

Zur letzten Station ging es anschließend – diesmal ganz konventionell mit Fahrer – im Bus. Im Foyer des Max-Planck-Instituts für Molekulare Genetik in der Ihnestraße hatten acht Start-ups ihre Stände aufgebaut, die wissenschaftliches Know-how für den Markt verwerten. Malte Zur und Fabian Grasse waren zum Beispiel bis vor kurzem als Doktoranden in der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung beschäftigt. Dort entwickelten sie ein innovatives Verfahren, mit dem man den „Schubkennwert“ von Faserverbundwerkstoffen, zum Beispiel von Carbon, ermitteln kann. „BMW arbeitet gerade an einem neuen Wagen, der komplett aus leichten Materialien bestehen soll. Da hätten die Ingenieure gern präzise Informationen über den Werkstoff, die unser Verfahren ihnen liefern kann“, erklärte Malte Zur. Über profund, die Gründungsförderung der Freien Universität, haben die Ingenieure Räume erhalten, die in Laufweite zu ihrem alten Arbeitgeber liegen. „Die Verbindung ist wichtig für uns. Aber wenn wir wachsen, reichen die Räume nicht mehr aus. Adlershof ist weit weg – und auch schon ziemlich ausgebucht. Wir suchen etwas in Steglitz.“

Wunsch nach Gründerzentrum im Berliner Südwesten

Und da fiel es wieder, das Wort des Tages: Technologie- und Gründerzentrum Südwest, wie schon mehrfach auf der Tour. Es wird dringend herbeigewünscht, damit junge Unternehmen Platz zum Wachsen haben und trotzdem in der Nähe der Forschungsinstitute bleiben können. Genügend Raum würde etwa das ehemalige amerikanische Krankenhaus an der Dahlemer Fabeckstraße bieten. Die Realisierung dieser Idee ist bereits Bestandteil der aktuellen Berliner Koalitionsvereinbarung. Den Wunsch, das Projekt schnell voranzubringen, sollte Frau Yzer an diesem Tag noch öfter hören.

Auch von Kati Hubmann und Thomas Straßburg, die ihr Gründungsprojekt CNTherm vorstellten. In der Arbeitsgruppe von Stephanie Reich, Professorin für Physik an der Freien Universität, entwickeln sie mit einem Team von Chemikern, Physikern und Ingenieuren Materialien, die durch den Einsatz von Kohlenstoffnanoröhren eine hohe thermische Leitfähigkeit erreichen und langfristig Aluminium und Kupfer ersetzen sollen. Ihr erstes Produkt, die universell einsetzbare Wärmeleitpaste CNTherm TG-5, wird in Pilotprojekten mit einem Automobil-Unternehmen und einem Hersteller von Windrädern getestet. Für Mitte des Jahres hat das Team eine Ausgründung geplant, dann stellt sich auch bei CNTherm die Standortfrage. „Gibt es einen Zeitplan für das Gründerzentrum?“, fragte Kati Hubmann die Senatorin ganz direkt. Nein, lautete die Antwort. Anscheinend sind noch zu viele Unwägbarkeiten im Spiel.

Jede halbe Stunde eine neue Generation

Jens Baumgardt hat sein Unternehmen durakult 2009 an der Freien Universität gegründet und ist in Dahlem geblieben. Ein Raumproblem hatte das Spin-off des Instituts für Biologie bisher nicht – für seine Mikroorganismen braucht es nicht viel Platz. Er stellte sein patentiertes Bio-Reaktorsystem vor, mit dem die Kleinstlebewesen nach dem Modell der Evolution optimiert werden – ganz ohne Gentechnik. Abnehmer sind Lebensmittelhersteller, die die Mikroben etwa zur Produktion von Joghurt, Käse oder alkoholischen Getränken einsetzen. Von Generation zu Generation „lernen“ die Einzeller etwas, das sie vorher nicht konnten, zum Beispiel einen höheren Alkoholgehalt in ihrer Umgebung zu tolerieren. Im Bio-Reaktor überdauert eine Generation gerade mal eine halbe Stunde, und so kann die Evolution ihr Werk auf natürliche Weise schnell verrichten. Die Senatorin erkundigte sich nach Wettbewerbern und erfuhr, dass das Verfahren – made in Steglitz-Zehlendorf – einzigartig ist.

„Der Berliner Südwesten ist inzwischen ein bedeutender und viel beachteter Life-Science-Standort. Hier wird sichtbar, was entstehen kann, wenn Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft in räumlicher Nähe forschen und arbeiten“, lautete Cornelia Yzers Fazit am Ende der Tour. Der Wunsch nach einem Standort für junge Unternehmen sei politisch unstrittig. Aber: „Wer ein Technologiezentrum will, braucht ein Grundstück und Fördermittel, und mit beidem ist die Lage nicht so einfach.“ Hoffen darf man allerdings, auch darauf, dass das Anliegen nun mit der Senatorin eine weitere Fürsprecherin gewonnen hat: „Ich kann Ihnen nicht sagen, wann wir lieferfähig sind, aber wir werden vorankommen.“