Auf der Suche nach Normen für die globale Wirtschaft
Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler der Freien Universität forschen zur Sicherung von Arbeitsstandards in weltweit agierenden Unternehmen
30.09.2010
Keine Kinderarbeit, keine Zwangsarbeit, keine Diskriminierung, dafür Anerkennung von Gewerkschaften und von Kollektivverhandlungen über Arbeitsbedingungen – was nach grundsätzlichen ethischen Maximen klingt, ist in internationalen Unternehmen keineswegs Standard. Wie Arbeitsstandards durch internationale Rahmenabkommen gesichert werden können, dazu fand kürzlich ein Projektworkshop am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität Berlin statt.
Seit zwei Jahren beschäftigen sich Wissenschaftler unterschiedlicher Fachrichtungen und aus fünf Ländern mit dem Thema Sicherung von Arbeitsstandards durch internationale Rahmenabkommen. Das internationale Forschungsprojekt, das Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler aus Brasilien, Indien, der Türkei, den USA und Deutschland zusammenführt, wird vom Team der Freien Universität um Michael Fichter, promovierter Politikwissenschaftler am Otto-Suhr-Institut, Professor Jörg Sydow und Markus Helfen, promovierter Wirtschaftswissenschaftler am Institut für Management, organisiert.
An der Freien Universität trafen nun zum ersten Mal alle am Forschungsprojekt beteiligten Wissenschaftler zu einem einwöchigen Austausch zusammen. Einige vorläufige Ergebnisse stellten sie bei der Gelegenheit auf der jährlichen Konferenz der Global Labour University in Berlin zur Diskussion vor.
Rahmenabkommen als neuartiges Instrument
Gegenstand des Forschungsprojekts, das an der Freien Universität Berlin durchgeführt und von der Hans-Böckler-Stiftung gefördert wird, sind internationale Rahmenabkommen: eine Art ganz spezieller vertraglicher Beziehungen zwischen transnationalen Unternehmen und globalen Gewerkschaften. In den entsprechenden Abkommen verpflichten sich die unterzeichnenden Firmen die elementaren Kernarbeitsnormen der International Labour Organization (ILO) einzuhalten. Das bedeutet konkret: keine Kinderarbeit, keine Zwangsarbeit, keine Diskriminierung, dafür Anerkennung von Gewerkschaften und von Kollektivverhandlungen über Arbeitsbedingungen. Solche Rahmenabkommen stellen ein neuartiges Instrument internationaler Arbeitsbeziehungen auf Unternehmensebene dar. Sowohl das Zustandekommen dieser Abkommen als auch ihre Umsetzung sind Gegenstand fortgesetzter Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und transnationalen Unternehmen. Im Rahmen des an der Freien Universität angesiedelten Forschungsprojekts wird die Umsetzung der Rahmenabkommen untersucht. Mit dem Fokus auf verschiedene Bereiche: Die Rolle des Managements wird ebenso betrachtet wie die der Gewerkschaften – dies sowohl in den Headquarters der Unternehmen und den Gewerkschaften in ihren Heimatländern als auch in den ausländischen Tochterunternehmen mit den jeweiligen Zulieferern und Partnern im System industrieller Beziehungen vor Ort.
"Good practices" weisen den Weg
Die Durchführung dieses Projekts mit ausländischen Forschungspartnern sei für das Berliner Projektteam ausgesprochen wichtig, sagt Professor Jörg Sydow: „Auf diese Weise können die einschlägigen Kenntnisse und Erfahrungen von Spezialisten aus den einzelnen, sehr unterschiedlichen Ländern für das Projekt genutzt werden.“ Die bei dem Treffen diskutierten, noch vorläufigen Ergebnisse zeigten, wie wichtig es sei, den vereinbarten Grundsätzen auch Taten folgen zu lassen. Die Schwierigkeiten, Rahmenabkommen tatsächlich umzusetzen, seien vielfältig und erschienen oft unüberwindbar. Trotz bestimmter Unternehmensstrategien, organisatorischer Probleme der Gewerkschaften und mangelhafter Institutionen in den einzelnen Ländern, liessen sich jedoch vereinzelt „good practices" einer Umsetzung aufzeigen, erklärt Jörg Sydow. Wie diese positiven Fälle zustandekommen, untersuchen die Wissenschaftler: Damit Rahmenabkommen eine nachhaltige Wirkung auch dort entfalten können, wo sie am Wichtigsten scheinen.