Das Universum im Computer
Astrophysiker Volker Springel erhält den Klung-Wilhelmy-Weberbank-Preis für Physik 2009
14.11.2009
Volker Springel denkt nicht in den Dimensionen von Stunden, Tagen oder Monaten. Ihn interessieren Entwicklungen, die viel länger brauchen. Zum Beispiel 13 Milliarden Jahre. So lange etwa liegt nämlich der Urknall zurück, durch den unser Universum entstand. Das ist auch der Zeitpunkt, an dem Astrophysiker Volker Springel mit seinen Berechnungen beginnt. Der Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Astrophysik im bayerischen Garching will herausfinden, wie Sterne und Galaxien entstanden, was Schwarze Löcher sind und wie sich unser Universum in den nächsten Millionen von Jahren verändern wird.
Supercomputer berechnet sechs Wochen lang
„Ich finde die Astrophysik unfassbar spannend, weil sie ein relativ junges Wissenschaftsgebiet ist, das sich sehr stürmisch entwickelt“, erklärt Springel seine während des Physikstudiums in Tübingen und dem kalifornischen Berkeley entdeckte Begeisterung für das Fachgebiet. Der gebürtige Schwabe, der nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut Garching für einige Zeit nach Harvard ging, überlegt nicht nur in der Theorie, wie sich Galaxien verändern oder was der Einfluss der dunklen Materie ist. Er schreibt Simulationscodes, um genau diese Dinge berechnen zu können. Dafür programmiert der gebürtige Schwabe Supercomputer, die zum Beispiel den Zusammenprall zweier Galaxien simulieren können. „Eine derart komplexe Rechnung würde auf einem gewöhnlichen Computer rund 400 Jahre dauern – der Supercomputer braucht dafür fünf bis sechs Wochen.“ So gelang ihm zusammen mit anderen Wissenschaftlern auch die bisher größte Simulation des Universums mit mehr als 20 Millionen Galaxien in einem virtuellen Würfel von zwei Milliarden Lichtjahren Kantenlänge.
Geburtshelfer für Galaxien
Für Laien sind das unvorstellbare Dimensionen, doch Springel kennt sich in dieser Welt bestens aus. Auf seinem Computer sind überraschend detaillierte Abbildungen eigentlich weit entfernter Galaxien zu sehen, in denen es geheimnisvoll funkelt und leuchtet. Wo in der Simulation vor Milliarden von Jahren noch ein gräuliches Etwas war, entstehen auf dem Bildschirm innerhalb weniger Minuten Galaxien, die sich in spinnenwebartigen Gebilden anordnen. Denn selbst wenn die Wissenschaftler noch immer nicht genau wissen, was die dunkle Materie wirklich ist, können sie ihr Verhalten berechnen und damit beweisen, dass sie gewissermaßen als Geburtshelfer für Galaxien wirkt.
Seine Arbeiten haben dem 38-Jährigen bereits viel internationale Anerkennung eingebracht. Rufe der renommierten Universitäten in Harvard und Cambridge lehnte Springel jedoch ab, er will lieber in seiner Heimat weiterforschen. Im kommenden Frühjahr geht der Vater einer kleinen Tochter an die Universität Heidelberg und übernimmt dort die Professur für Theoretische Astrophysik.
Ausgezeichnete Kandidaten für den Nobelpreis
Er fühle sich durch die Auszeichnung sehr geehrt, sagte Springel am Freitag bei der Preisübergabe im Max-Kade-Auditorium der Freien Universität Berlin, zu der er auch seine Familie mitgebracht hatte. Der Klung-Wilhelmy-Weberbank-Preis zählt zu den angesehensten wissenschaftlichen Auszeichnungen für Nachwuchsforscher und wird jedes Jahr von einer Expertenjury unter Vorsitz eines Wissenschaftlers der Freien Universität Berlin vergeben. Die Jury habe Springels „bahnbrechende Arbeit in der numerischen Astrophysik“ gewürdigt, erklärt der diesjährige Juryvorsitzende, Professor Günter Kaindl vom Institut für Experimentalphysik der Freien Universität. Dass die Juroren stets eine gute Wahl treffen, zeigt sich an einer ganz besonderen Erfolgsbilanz: Fünf der Preisträger früherer Jahre haben mittlerweile den Nobelpreis erhalten.