Zauberwort „Öko-Effizienz“
Ökologische Modernisierung industrieller Verfahren und Produkte statt Schadensbegrenzung
13.02.2009
Eine Studie der Forschungsstelle für Umweltpolitik an der Freien Universität belegt, dass die neue Umweltindustrie ein noch unterschätzter Markt ist.
Früher, das heißt Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre, funktionierte der Klima- und Umweltschutz vor allem in Form von versuchter Schadensbegrenzung: Durch den Einbau von Filter- und Kläranlagen, die Errichtung von Schallschutzwänden oder durch differenzierte Müllentsorgung bemühte sich die Politik, bestehende Missstände abzufedern. Für diese sogenannte nachgeschaltete Umwelttechnik gaben Länder wie Deutschland oder die USA damals zwischen 1,5 bis 2 Prozent ihres Bruttosozialprodukts aus, Japan sogar zeitweise 3 Prozent. An den belastenden Fahr-zeugen, Kraftwerken oder Chemieanlagen als solchen änderte das freilich nichts – deren negative Umwelteffekte waren schließlich die Voraussetzung für den damals neuen Wirtschaftszweig.
Seitdem hat sich besonders in Deutschland viel verändert. Inzwischen gibt es eine neue Variante der Umweltindustrie, die auf eine ökologische Modernisierung industrieller Verfahren und Produkte hinausläuft. Nunmehr geht es um die Umwelteffekte, die in der Energieeinsparung, in erneuerbaren Energien, in weniger toxischen Stoffen oder im Recycling liegen. Das Zauberwort heißt „Öko-Effizienz“. Und es bedeutet, dass neben der spezifischen Umweltbelastung zumeist auch die Kosten für den Ressourceneinsatz sinken. In dieser Profitabilität unterscheidet sich die neue Umwelttechnik von der alten Reinigungstechnik („end-of-pipe treatment“). Die gestiegenen Energiepreise und der dramatische Klimawandel haben dem Thema nun zusätzliche Bedeutung verliehen. Kein Wunder, dass die neue Umweltindustrie mit ihren Innovationen einen Boom erlebt.
Die dritte Industrielle Revolution
Deutschland ist in dieser Hinsicht spätestens seit 1998 bestens aufgestellt. 1,8 Millionen Menschen waren 2006 in der – neuen und der alten – Umweltindustrie beschäftigt, in Japan 1,44 Millionen. Vergleichbare Zahlen gibt es für Kalifornien, die Tendenz ist jeweils stark steigend. Die absoluten Zahlen selbst sind jedoch prinzipiell zu niedrig. Dabei fehlt es nicht nur an Daten, unüberwindbar ist das methodische Problem der Abgrenzung. Das öko-effiziente Produkt von heute etwa ist oft morgen schon Standard. Viele Verbesserungen ergeben sich in den Firmen durch komplexe Verfahrensumstellungen, ohne spezialisierte Anbieter. Die Größe des Umweltsektors wird daher regelmäßig unterschätzt. Allein die Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz (beispielsweise von Gebäuden) machten in Deutschland im Jahre 2005 rund 25 Prozent aller Investitionen aus. Die volkswirtschaftliche Bedeutung der neuen Umweltindustrie ist sogar noch größer. Längst nämlich steht die dritte Industrielle Revolution an: Die Weltwirtschaft steht vor der Krise des Industrialismus der billigen Rohstoffe. Das betrifft den technischen Wandel, für den die neue Umweltindustrie steht. Langfristiges Wirtschaftswachstum ist, wie das Beispiel Chinas zeigt, nur um den Preis einer ständig zunehmenden Öko-Effizienz zu haben, wenn die Schadenskosten nicht überhand nehmen sollen. Das wiederum schafft globale Zukunftsmärkte, mit denen Innovateure rechnen können. Die Bedeutung von Öko-Effizienz ist im weltweiten Wettbewerb dramatisch gestiegen. Die bis vor kurzem unbestrittene Vorreiterrolle Deutschlands wird zunehmend von Wettbewerbern wie Japan oder nun auch den USA in Frage gestellt. Aber auch China ist seit 2007 dabei, eine eigene „clean revolution“ durchzuführen und entsprechende Technik, etwa Hybridfahrzeuge, auf dem europäischen Markt anzubieten. Das Innovationstempo der Umweltindustrie ist notwendig hoch, zumal im Klimaschutz. Innovationen, die über die „normalen“ Verbesserungen des Marktes hinausgehen, bedürfen einer anspruchsvollen Politik. Und die bedarf einer ständigen Verbesserung – auch durch die Forschung.
Weitere Informationen
Der Autor ist Gründungsdirektor der Forschungsstelle für Umweltpolitik und stand ihr von 1986 bis Oktober 2007 vor.
Studie zum Thema siehe auch: M. Jänicke / R. Zieschank: Structure and Function of the Environmental Industry, Forschungsstelle für Umweltpolitik, FU Berlin, dp 8-2008.