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„Diversität soll Selbstverständlichkeit werden“

Die Anthropologin Carolin Loysa ist Beauftragte an der Freien Universität Berlin für Diversität und Antidiskriminierung, sie hat das neugeschaffene Wahlamt im Juni übernommen

31.07.2025

Dr. Carolin Loysa wirbt unter anderem für einen diversitätssensiblen Blick auf die anstehenden Haushaltskürzungen.

Dr. Carolin Loysa wirbt unter anderem für einen diversitätssensiblen Blick auf die anstehenden Haushaltskürzungen.
Bildquelle: Christian Demarco

Die Anthropologin Carolin Loysa ist Beauftragte für Diversität und Antidiskriminierung, sie hat das neugeschaffene Wahlamt im Juni übernommen. Sie wirbt unter anderem für einen diversitätssensiblen Blick auf die anstehenden Haushaltskürzungen.

Die Förderung von Diversität und Antidiskriminierung an Hochschulen ist in Berlin gesetzlich verankert. Die 2021 verabschiedete neue Fassung des Berliner Hochschulgesetzes verpflichtet alle Hochschulen im Land, die gleichberechtigte Teilhabe aller Universitätsmitglieder zu fördern, bestehende Barrieren abzubauen und darauf hinzuwirken, dass alle Mitglieder der Hochschule sich frei von Diskriminierung entfalten können. „Dieser gesetzliche Auftrag ist für die Universitäten eine große Chance“, sagt Carolin Loysa. „Er war Anstoß zu einem umfangreichen Ausbau der bestehenden Strukturen, mit denen wir an der Freien Universität seit vielen Jahren an einer inklusiven und diskriminierungsarmen Umgebung für Studierende und Beschäftigte arbeiten.“ 

Carolin Loysa ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich der Kultur- und Sozialanthropologie und der Gender Studies am Lateinamerika-Institut und dort auch Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte. Im Juni 2025 ist sie zudem vom Akademischen Senat offiziell als Beauftragte für Diversität und Antidiskriminierung der Freien Universität ernannt worden – ein Amt, das im Zuge der Reform des Berliner Hochschulgesetzes neu geschaffen wurde. 

Jenseits von Schwarz-Weiß-Schemata

„Meine Aufgabe wird nun vor allem in der Prävention liegen“, sagt sie. „Gerade in einer Zeit, in der vieles in Schwarz-Weiß-Schemata gedacht wird, ist es mir wichtig, die Zwischenräume zu beleuchten und Verschränkungen aufzuzeigen – ohne Diskriminierungsformen gegeneinander auszuspielen.“

Gewählt wurde Carolin Loysa aus der Mitte der ebenfalls neugeschaffenen Kommission für Diversity und Antidiskriminierung. Dabei handelt es sich um ein vom Akademischen Senat ernanntes Gremium, das künftig die Stabsstelle Diversity und Antidiskriminierung beraten soll. Die Kommission ist dabei so besetzt, dass sie die Vielfalt an der Universität bestmöglich widerspiegelt. Zum einen bedeute dies, dass die vier Mitgliedergruppen der Universität von den Professor*innen bis zu den Studierenden gleichberechtigt vertreten sind, erläutert Carolin Loysa. Zum anderen würden die Mitglieder selbst unterschiedliche Erfahrungen mit Ausgrenzung und Benachteiligung mitbringen. „Als queer lebender Mensch und Kind der DDR kenne ich soziale Ausschlüsse, die für Außenstehende oft schwer nachvollziehbar sind; als arabisch gelesene Frau mit libanesischem Vater habe ich auch Rassismus und Sexismus in unterschiedlichen Formen erlebt“, sagt sie. „Solche Erfahrungen sind nicht nur intellektuell erfassbar, sondern auch körperlich spürbar – genau das muss strukturell aufgefangen werden. Darum braucht die Kommission vielfältige Perspektiven und Erfahrungen, um wirksam über Strategien beraten zu können.“

Sparmaßnahmen unter der Diversity-Lupe

Künftig sollen die Mitglieder der Kommission gemeinsam mit der Beauftragten die Bedarfe aus den verschiedenen Fachbereichen weitergeben und Themen setzen. Gemeinsam mit dem Präsidium soll die Stabsstelle Diversity und Antidiskriminierung dann entsprechende Konzepte und Strategien ausarbeiten und umsetzen. „So erfahren wir aus den Fachbereichen heraus, was gebraucht wird“, sagt Rebecca Mak, Leiterin der Stabsstelle Diversity und Antidiskriminierung. „Denn natürlich steht beispielsweise der Fachbereich für Veterinärmedizin vor ganz anderen Herausforderungen als etwa die zentrale Universitätsverwaltung.“ 

Ein aktuelles Thema, das Carolin Loysa sich in ihrer neuen Rolle genauer ansehen möchte, sind die vom Berliner Senat beschlossenen Sparmaßnahmen und die damit verbundenen Kürzungen an der Freien Universität. „Wir werden genau hinsehen, wo und was gekürzt wird“, sagt sie. „Für mich ist entscheidend, dass wir in der aktuellen Situation vor allem die Lage von minorisierten Gruppen mitdenken.“ 

Berufungsverfahren im Fokus

Einen weiteren ersten Schwerpunkt möchte Carolin Loysa auf die Mitarbeit in Berufungskommissionen legen. Als Diversity-Beauftragte hat sie Rederecht in allen Gremien und auch in Berufungskommissionen, die über die Neuberufung vorn Professor*innen entscheiden. „Auch hier geht es darum sicherzustellen, dass wir Diversität fördern“, sagt sie.

Grundlage für die Arbeit von Carolin Loysa wird das Diversity-Konzept der Freien Universität sein, das im Jahr 2021 veröffentlicht wurde. Dort wurden vier Diversity-Dimensionen festgelegt, die zunächst im Fokus stehen sollen. Trans*, inter* und nichtbinäre Personen (TIN*), Menschen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen, von Rassismus betroffene Personen und Menschen aus nichtakademischen Elternhäusern. „Wir wollen eine Organisationsentwicklung hin zu einer diskriminierungsarmen, diversitätssensiblen Universität, an der ganz selbstverständlich die vielfältigen Identitäten, Zugehörigkeiten, Hintergründe und Erfahrungen aller Hochschulangehörigen Anerkennung und Wertschätzung finden“, sagt Rebecca Mak. „Damit verbunden ist auch das gemeinsame Ziel, Barrieren für minorisierte Gruppen abzubauen und Diversity in alle Prozesse und Aufgaben der Universität einzubetten, um auf reale Chancengerechtigkeit hinzuwirken.“