„Deutschland ist mein zweites Zuhause geworden“
Sebastian Garcia-Torres, Public-Economics-Student an der Freien Universität, wird mit einem der diesjährigen DAAD-Preise ausgezeichnet
08.12.2023
Sebastian Garcia-Torres stammt aus Ecuador und kam 2019 an die Freie Universität, um einen Bachelor-Studiengang in Volkswirtschaftslehre zu absolvieren. Während seiner Zeit in Berlin hat er nicht nur hervorragende Noten im Studium gesammelt: Er bringt sich auch in hochschulpolitischen Gremien und universitären Gruppen ein – etwa bei den „Kritischen Wirtschaftswissenschaftler*innen“ oder der Ausbildungskommission seines Fachbereichs. Zudem arbeitet er als Forschungsassistent am John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität. In seiner Freizeit engagiert er sich ehrenamtlich für eine Nichtregierungsorganisation: Innocence in Danger e. V. Die NGO setzt sich für die Prävention sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen ein, vor allem im Internet. Im Interview erzählt Sebastian Garcia-Torres, was er internationalen Studierenden in Berlin rät und was Deutschland noch besser machen könnte, um internationalen Studierenden den Start im Land zu erleichtern.
Herzlichen Glückwunsch zum DAAD-Preis. Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung?
Der DAAD-Preis ist eine große Ehre für mich und eine Auszeichnung für alles, was ich während der vergangenen Jahre geschafft habe. Das wäre aber ohne die riesige Unterstützung von so vielen Menschen nicht möglich gewesen. Wichtig war und ist die Hilfe vom DAAD. Auch die Unterstützung der Freien Universität und von meinem Fachbereich, vor allem auch vom Team am John-F.-Kennedy-Institut – dem Economics Department – war unverzichtbar. Dort arbeite ich als studentische Hilfskraft. So viele Menschen haben mir geholfen – ich erhalte den Preis, aber wir alle haben ihn uns verdient. Es war eine Gemeinschaftsleistung. Das ist großartig.
Mit dem DAAD-Preis werden ausländische Studierende an deutschen Hochschulen ausgezeichnet, die herausragende akademische Leistungen erbringen und soziales Engagement zeigen. Der Preis wird vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) aus Mitteln des Auswärtigen Amts (AA) gefördert. Der DAAD ist eine gemeinsame Einrichtung der deutschen Hochschulen sowie der Studierendenschaften und fördert die internationale akademische Zusammenarbeit. Er ist die weltweit größte Fördereinrichtung für den internationalen Austausch von Studierenden und Wissenschaftler*innen.Warum haben Sie sich für ein Studium in Deutschland und an der Freien Universität entschieden?
Für mich war die Entscheidung, fürs Studium nach Deutschland zu ziehen, relativ einfach. Ich habe eine deutsche Schule in Ecuador besucht, hatte 12 Jahre Deutschunterricht und habe auch ein deutsches Abitur abgelegt. Da lag es nahe, in Deutschland zu studieren. Das deutsche Bildungssystem ist für viele lateinamerikanische Länder ein Vorbild. Die Qualität der Lehre und Forschung ist hier an öffentlichen Universitäten sehr hoch. Der Bewerbungsprozess und die Immatrikulation an der Freien Universität waren für mich nicht so kompliziert. Ich hatte durch mein deutsches Abitur einen großen Startvorteil. Viele internationale Studierende brauchen dagegen deutlich mehr Geduld und Nerven, um an einer deutschen Hochschule studieren zu können.
Die Freie Universität ist eine hervorragende Uni hier in Deutschland und bietet internationalen Studierenden viele Vorteile. Ich finde auch ihre Geschichte sehr spannend: Studierende haben sich zusammengetan, um einen Ort für freies Denken zu schaffen. Natürlich ist auch der Standort toll. Berlin ist eine große, multikulturelle Stadt, die offen ist gegenüber neuen Menschen, neuen Ideen und Kulturen. Es gibt aber auch noch einen weiteren, einen persönlichen Grund, weshalb ich mich für die FU entschieden habe: Meine Mutter hat hier vor 30 Jahren promoviert. Es gibt also auch eine familiäre Bindung an die Uni.
Was raten Sie internationalen Studierenden, die nach Deutschland kommen möchten?
Ich bin in einer sehr privilegierten Position als Student und weiß, dass ausländische Studierende ganz unterschiedliche Startvoraussetzungen mitbringen sowie unterschiedliche Ziele, Wünsche und Bedürfnisse haben. Eines kann ich aber allen nur ans Herz legen: Es gibt so viele gute Angebote von der FU und auch von der Stadt – ausländische Studierende sollten sich trauen, diese Angebote wahrzunehmen. Dadurch wird der Start schon viel leichter. Einfach nachfragen, auch wenn man etwas nicht verstanden hat.
Ich rate allen, neben dem Studium die Zeit hier in Berlin zu genießen – hier kann jeder und jede so sein, wie er oder sie sein möchte. Für manche kann Berlin sicherlich etwas überfordernd sein. Die Eingewöhnung klappt aber schnell. Sinnvoll ist es dabei, eine spannende Beschäftigung zu finden. Ich halte studentische Mitbestimmung für sehr wichtig, darum setze ich mich in einigen Gremien des Fachbereichs ein. So kann ich auch ein Netzwerk an der Uni aufbauen. Es gibt so viele Möglichkeiten, sich zu engagieren und einen Ausgleich zum Studium zu schaffen.
Gab und gibt es besondere Herausforderungen hier in Deutschland für ausländische Studierende?
Ich wünsche mir, dass Deutschland und Berlin es ausländischen Studierenden leichter macht, hier zu studieren. Es gibt zum Beispiel große Unsicherheit, was den Aufenthaltstitel anbelangt. Die Ausländerbehörde könnte etwas besser kommunizieren, wie die entsprechenden Prozesse ablaufen und welche Regeln es gibt. Informationen sollten leichter zugänglich sein für Menschen, die in Deutschland studieren wollen. Davon profitiert ja auch die gesamte Gesellschaft.
Und in Berlin ist es zudem wirklich schwierig, einen Termin bei einem Amt zu bekommen. Es war schon etwas nervenaufreibend, als ich kürzlich meinen Aufenthaltstitel verlängern musste. Diese Unsicherheit ist eine Belastung, die internationalen Studierenden zugemutet wird. Da sollte sich etwas verändern.
Warum haben Sie Volkswirtschaftslehre als Studienfach gewählt?
Für mich kamen viele Fächer in Frage: Geschichte, Jura oder Politik. Dann habe ich das Fach gefunden, das all das ein Stück weit zusammenführt – nämlich die Volkswirtschaftslehre. Mich interessiert besonders die Anwendungsbezogenheit des Fachs, das manchmal auch etwas trocken und theoretisch sein kann. Ich arbeite als Forschungsassistent im Economics Department des John-F.-Kennedy-Instituts. Dort wird unter anderem zu Themen wie Migration, Genderforschung und Intersektionalität geforscht – wir stellen Fragen zu den großen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhängen. Das gefällt mir sehr.
Was planen Sie für Ihre Zukunft?
Ich habe jetzt mit meinem Master in Public Economics begonnen. Ich werde also noch zwei Jahre an der Freien Universität studieren. Anschließend würde ich gerne weiter in der Forschung arbeiten und promovieren. Deutschland ist mein zweites Zuhause geworden. Vielleicht werde ich später aber auch Lust haben, andere Ecken in Europa oder auch weltweit zu erkunden. Aber ich werde wahrscheinlich immer wieder nach Deutschland zurückkehren.