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Rauer Ton im Netz

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Journalismus im Dialog“ sprach Professor Martin Emmer von der Arbeitsstelle Mediennutzung an der Freien Universität mit dem Chefredakteur der Märkischen Oderzeitung Claus Liesegang

26.03.2021

Professor Martin Emmer (links) im Gespräch mit Claus Liesegang (auf dem Bildschirm). Das Thema: Hass in den Medien.

Professor Martin Emmer (links) im Gespräch mit Claus Liesegang (auf dem Bildschirm). Das Thema: Hass in den Medien.
Bildquelle: Anna Süß

Kommentare zu journalistischen Artikeln verbindet man heute vor allem mit Online-Veröffentlichungen und den sozialen Netzwerken, in denen es bunt und schnelllebig, plakativ und undurchsichtig zugehen kann. Und auch rau im Ton. Die zunehmende Schärfe öffentlicher Debatten wird mit Twitter, Facebook und anderen Internetplattformen in Verbindung gebracht. Allerdings sei der Ton auch abseits des Internets heftiger geworden, wie Claus Liesegang feststellte. Der Chefredakteur der Märkischen Oderzeitung (MOZ) war Anfang Februar zu Gast im Rahmen der vom Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft veranstalteten Reihe „Journalismus im Dialog“. Martin Emmer, Professor für Mediennutzungsforschung an der Freien Universität, sprach mit Claus Liesegang über Hass in den Medien. Die Veranstaltung, bei der auch Studierende Fragen stellen konnten, wurde live vom Fernsehsender „ALEX Berlin“ übertragen und ist bei YouTube nachzusehen.

Es gibt aber auch noch die Menschen, die Leserbriefe schreiben, sogar solche auf Papier. Zeitungs-Leserbriefschreiberinnen und -schreiber seien, wie ihre Zielgruppe, zwar grundsätzlich älter als Nutzerinnen und Nutzer sozialer Medien, sagte Claus Liesegang. Auch könne sich, wer in der MOZ einen solchen Leserbrief veröffentlichen wolle, nicht hinter der Maske der Anonymität verstecken: „Wir veröffentlichen Leserbriefe grundsätzlich nicht anonym“, sagt Liesegang. „Auch wenn wir die Adresse des Absenders nicht angeben, bestehen wir darauf, sie zu kennen, bevor wir den Brief drucken.“ Aber auch in Leserbriefen stünden immer öfter Dinge, die vor einigen Jahren noch die Ausnahme gewesen seien: „Wir hören vermehrt Beleidigungen – ‚Schmuddelschreiber‘ ist ein noch harmloses Beispiel. Es geht bis zum Leugnen des Holocaust oder zu sexualisierter Gewalt. Heftigkeit und Unverfrorenheit nehmen zu. Die Leute schreiben Dinge unter ihrem Klarnamen, für die man sich nur schämen kann.“

Bots manipulieren Meinungsklima

Claus Liesegang erläuterte, wie die MOZ-Redaktion auf Hassrede im Internet reagiert. Über die individuelle Hetze hinaus habe man es auch mit „strategisch gesteuerter Kommunikation“ zu tun, wenn etwa Bots, als authentische Nutzer getarnt, eingesetzt würden, um das Meinungsklima zu manipulieren. Dagegen setzten MOZ, Lausitzer Rundschau und Süd-West-Presse, die unter einem gemeinsamen Verlagsdach stehen, eine Software ein, erklärte Liesegang. Diese ermögliche es, gewisse Begriffe zu „blacklisten“, also automatisch sperren zu lassen.

Die Notwendigkeit, auf Hass im Netz zu reagieren, sei somit auch im Redaktionsalltag angekommen. Dabei gäbe es zwei unterschiedliche Haltungen: „Manche in unserem Team sind dafür, so viel wie möglich laufen zu lassen, während andere großen Aufwand betreiben wollen, um die sozialen Netzwerke zu moderieren.“ Insbesondere jüngere Kolleginnen und Kollegen pochten darauf, stärker zu moderieren. Er selbst sei grundsätzlich ein Anhänger größtmöglicher Freiheit. „Bei maßvollen Beleidigungen drücken wir schon mal ein Auge zu. Wenn in Beiträgen aber der Nationalsozialismus verherrlicht wird, schalten wir direkt die Polizei ein und erstatten Anzeige.“

Wichtig für die demokratische Meinungsbildung sei es, da waren sich Liesegang und Emmer einig, dass das Überleben von lokalen und regionalen Medien gesichert werde. Diese hätten in den vergangenen Jahren mit einem Rückgang der Leserschaft zu kämpfen, insbesondere im Printbereich. Ob sich Liesegang ein Modell der öffentlichen Förderung privater Zeitungen vorstellen könne, fragte Martin Emmer? Der Chefredakteur bejahte: „Welche Form das am Ende annimmt, ob die Logistik gefördert wird oder die Ausbildung junger Journalisten, ist mir gleich. Wichtig ist: Es darf keine Einflussnahme auf den Inhalt der Zeitungen geben.“ Aus seiner Sicht müsse man weiterdenken und die Medienbildung in den Schulen stärker in den Fokus rücken.

"Die Gesellschaft ist gefordert"

Am Ende des Gespräches war klar, dass die Diagnose einfacher ist als die Lösung. „Ich erwarte nicht, dass jemand den Stein der Weisen präsentiert, wie man den Hass in den Medien abschalten kann“, sagte Liesegang. Und Martin Emmer schloss: „Die Gesellschaft ist gefordert, die Tugenden, die für eine Demokratie lebenserhaltend sind, zu fördern – etwa gegenseitigen Respekt und das Wissen über Nachrichtenproduktion. Kompetenzen der öffentlichen Kommunikation zu vermitteln, das ist eine Herausforderung für uns alle.“