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Wortweise

Von „Neugier“ über „unkonventionell“ bis „NaturenKulturen“ – die im vergangenen Jahr neu an die Freie Universität berufenen Professorinnen und Professoren stellten sich und ihre Forschung bei einem digitalen Neujahrsempfang mit einem Begriff vor

09.02.2021

Den lebendigen Campus der Freien Universität werden die Neuberufenen wohl erst später erleben können.

Den lebendigen Campus der Freien Universität werden die Neuberufenen wohl erst später erleben können.
Bildquelle: Dirk Laubner

„Nichts ist so beständig wie der Wandel.“ Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie scheint das mehr als 2500 Jahre alte Heraklit-Zitat aktueller denn je. Professor Günter M. Ziegler, Präsident der Freien Universität Berlin, hatte die Worte des griechischen Philosophen gewählt, um den ersten digitalen Neuberufenen-Empfang zu eröffnen: Traditionell lädt das Präsidium im Januar zu einem persönliches Kennenlernen ein – diesmal hieß es Videokonferenz statt Stehtisch-Empfang.

„Es ist wunderbar, so viele Gesichter in den Kacheln zu sehen“, begrüßte Günter M. Ziegler die 24 Neuberufenen und rund 40 Vertreterinnen und Vertretern aus dem Präsidium und der Verwaltung, deren Gesichter auf dem Computer-Bildschirm in Reihen angeordnet erschienen. „Ich hoffe, dass die Freie Universität auch in diesen Zeiten ein Ort ist, an dem man gut ankommt. Genau deswegen möchte ich Sie persönlich an unserer Universität willkommen heißen – so persönlich, wie es per Videokonferenz möglich ist“, fuhr Ziegler fort.

Persönlich ging es nach einer kurzen Präsentation der Freien Universität auch direkt weiter: „Bitte stellen Sie sich kurz vor und nennen uns ein Wort, das Sie oder Ihre Forschung ausmacht“, bat der Universitätspräsident.

Für Jana Wolf war das der Begriff „analytisch“. Die promovierte Biophysikerin hat seit Juni 2020 die Professur „Computermodellierung biologischer Netzwerke“ am Fachbereich Mathematik und Informatik inne. Dort beschäftigt sie sich mit dem Einsatz mathematischer Systeme in der Medizin und Biologie.

Susanne Strätling ist seit vergangenem Jahr Professorin für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft mit dem Schwerpunkt Slawische Literaturen. Sie brachte das Wort „Energie“ mit: „Man denkt oft, das Wort sei für die Naturwissenschaften reserviert. Aber Energie ist auch in den Geisteswissenschaften – und gerade in der Poetik – ein sehr starker Begriff“, erklärte sie ihre Wortwahl. Sie werde sich in den nächsten Jahren damit beschäftigen, diesen Zusammenhang zu ergründen.

Luca Stella schlug den Bogen von „Energie“ zu „Armonia“. Der italienische Ökonom hatte das Wort „Harmonie“ gewählt, um sich und seinen Forschungsschwerpunkt „Arbeitsmarkt- und Gesundheitsökonomie“ am Fachbereich Wirtschaftswissenschaftvorzustellen. Vor seinem Ruf an die Freie Universität hatte Stella an der Katholischen Universität Mailand geforscht.

„Neugier – das ist der Antrieb meiner Forschung“, so begründete Johannes Reuther seine Wortwahl. Der theoretische Physiker wird durch eine gemeinsame Berufung sowohl am Fachbereich Physik als auch am Helmholtz-Zentrum Berlin zur Theorie neuer Quantenmaterialien arbeiten.

„Guten Morgen aus Neuseeland“, grüßte Mitja Remus-Emsermann in die Runde. Der Mikrobiologe, der zum Zeitpunkt des Neuberufenen-Empfangs im neuseeländischen Wellington noch auf den postalischen Eingang seiner Ernennungsurkunde wartete, beschäftigt sich mit der Pflanzen-Bakterien-Interaktion. Er wählte den Begriff „Heterogenität“ als zentrales Wort seiner Wissenschaft: „Mich interessiert, wie Populationen sich in Einzelpopulationen auseinandersetzen und wie heterogene Umwelten sich auf Populationen auswirken.“

Die Literaturwissenschaftlerin Irene Pieper lehrt und forscht seit April vergangenen Jahres am Institut für deutsche und niederländische Philologie. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf der Literaturdidaktik. Sie entschied sich für den lateinischen Begriff „Littera“ – Buchstabe.

Am selben Fachbereich forscht Diana Maak: Ihr Fokus liegt auf der Sprachbildung und auf Deutsch als Zweitsprache. Passend dazu hatte sie das Wort „Interdisziplinarität“ ausgesucht. „Damit sind sie natürlich an der Freien Universität willkommen und zu Hause“, kommentierte Günter M. Ziegler spontan.

Alexander Libmans Forschungsthema ist die russische und osteuropäische Politik, mit Fokus auf autoritäre Staaten. „Unintendiert“ sei das wichtigste Wort, um Osteuropa zu verstehen. „Es beeinflusst meine Forschung“, erklärte Alexander Libman, der seit dem vergangenen Jahr am Osteuropa-Institut forscht. „Menschen schmieden Pläne, und am Ende kommt etwas ganz anderes dabei raus“, erläuterte er weiter.

Der niederländische Planetenforscher Thomas Kruijer will die Entstehung und Geschichte des Sonnensystems rekonstruieren. Er wählte den Begriff „Weltlichkeit“ – bezogen auf das Sonnensystem, aber auch auf die Geschichte der Menschheit.

Seit Juli 2020 ist Burkhard Kleuser Professor für Pharmakologie und Toxikologie am Institut für Pharmazie der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich mit der Frage, welche Moleküle Viren nutzen, um in Zellen einzudringen. Sein Begriff „Wiederkehr“ hatte einen praktischen Grund: „Ich war schon einmal Professor an der Freien Universität und bin dann für zehn Jahre an die Universität Potsdam gewechselt – und jetzt zurückgekehrt“, sagte er.

Den Begriff „Nachhaltigkeit“ stellte Aline Grahn, seit April 2020 Juniorprofessorin für Management Accounting und Financial Accounting am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft, in den Mittelpunkt. Ihr Forschungsinteresse: Wie stellen Unternehmen sich in der Öffentlichkeit in Bezug auf die Nachhaltigkeit ihrer Einrichtung dar?

Holger Gärtner entschied sich für „humorvoll“ – diese Eigenschaft sei im Privaten wie im beruflichen Umfeld wichtig. Seit Oktober forscht Gärtner am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie und leitet dort den Arbeitsbereich für Schul- und Unterrichtsevaluation. Er ist außerdem wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Schulqualität der Länder Berlin und Brandenburg – einem An-Institut der Freien Universität.

Marcus Fulde vom Fachbereich Veterinärmedizin leitet die Arbeitsgruppe Tiermedizinische Mikrobiologie und forscht zum Zusammenspiel von Wirt-Bakterien. Es sei schön, dass „Denken“ die Profession von Wissenschaftlern sei, so begründete er seine Wortwahl.

Von April an wird Katharina de la Durantaye am Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität forschen und lehren. „Deshalb hatte ich kurz überlegt, ob ich „Vorfreude“ wählen soll, habe mich dann aber doch für einen Begriff entschieden, der an meine Arbeit andockt“, sagte sie. Gegenstand ihrer Forschung ist die Digitalisierung. Mit dem gewählten Begriff „Grenzüberschreitung“ verbinde sie, dass die Rechtswissenschaft ein nationales Fach sei, das Thema Digitalisierung Juristen jedoch auf eine harte Probe stelle, wenn sie allein national dächten.

Die italienische Biophysikerin Cecilia Clementi war 23 Jahre in den USA, bevor sie den Ruf an die Freie Universität Berlin, an den Fachbereich Physik, annahm. Ihr gewählter Begriff „Dynamics“ spiegele sowohl ihren Forschungsschwerpunkt der Computersimulationen von Biomolekülen wider, als auch die persönliche Freude an Wandel und Bewegung.

„Ich bin eigentlich auch ziemlich dynamisch“, so begrüßte Andreas Eggert die anderen und spielte darauf an, dass seine „Kachel“ während der Videokonferenz aufgrund technischer Probleme immer wieder einfror. Als Professor für Business- und Dienstleistungsmarketing untersucht er unter anderem Vermarktungsprozesse zwischen Organisationen. „Das ist meine Traumstelle, die ich bereits seit 16 Jahren im Auge habe“, sagte Andreas Eggert. Entsprechend nachvollziehbar war seine Wortwahl: angekommen.

Radoslaw Cichy vom Arbeitsbereich Neural Dynamics of Visual Cognition am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie forscht zur visuellen Wahrnehmung und Vorstellung des Menschen. Den Begriff „Pocketten“ musste er erläutern. Beim häufigen Hin- und Herwechseln zwischen der deutschen und englischen Sprache fehle ihm immer wieder mal die Entsprechung in der anderen Sprache. Auf der Suche nach dem deutschen Wort „Hosentasche“ für das englische „pocket“ sei die Sprachschöpfung „Pocketten“ entstanden.

Bevor die Tierärztin Sonja Bröer im Oktober 2020 an das Institut für Pharmakologie und Toxikologie am Fachbereich Veterinärmedizin wechselte, hatte sie vier Jahre lang in der Wirtschaft im kalifornischen Silicon Valley gearbeitet. Sie forscht zu Erkrankungen des Zentralen Nervensystems und der Entstehung neuer Zellen, also der Stammzelltherapie. Sie entschied sich für das Wort „Plastizität“.

Ulrike Beisel wird sich mit der Analyse globaler Ungleichheiten aus sozialwissenschaftlicher Sicht beschäftigen. Sie lehrt und forscht seit April am Fachbereich Geowissenschaften, dort am Institut für Anthropogeographie mit dem Schwerpunkt Geographische Entwicklungsforschung. Ihr mitgebrachtes Wort „NaturenKulturen“ beschreibe als Konzept die Verflechtungen von sozialen und natürlichen Prozessen.

„Unkonventionell“ lautete der Begriff, den Refqa Abu-Remaileh wählte. Als Professorin für moderne Arabische Literatur und Film forscht sie am Seminar für Semitistik und Arabistik.

Nach der allgemeinen Vorstellungsrunde folgte die Einladung zum gemeinsamen Kennenlernen: Während in den vergangenen Jahre an Stehtischen bei einem Glas Wein weitergesprochen werden konnte, waren es in der digitalen Version sogenannte Break-Out-Rooms, in denen sich zufällig zusammengesetzte 5-köpfige-Gruppen über den Bildschirm unterhalten konnten. Die in der Vorstellungsrunde gewählten Begriffe waren hierbei nicht selten gute Eisbrecher für kurze, aber interessante Gespräche.