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„Die EU muss ihre Interessen selbst durchsetzen“

Brexit, USA, Ukraine: Beim 13. Berliner Europa-Dialog diskutierten die Teilnehmer über die Außenpolitik der Europäischen Union

14.02.2020

Beim 13. Berliner Europa-Dialog ging es um die europäische Außenpolitik. Es diskutierten (von links nach rechts) Kai-Olaf Lang, Pamela Preusche und Jacob Schrot; Tanja Börzel moderierte.

Beim 13. Berliner Europa-Dialog ging es um die europäische Außenpolitik. Es diskutierten (von links nach rechts) Kai-Olaf Lang, Pamela Preusche und Jacob Schrot; Tanja Börzel moderierte.
Bildquelle: Peter Schraeder

Seit dem 31. Januar 2020 ist es offiziell: Der Brexit ist vollzogen, und Großbritannien liegt jetzt außerhalb der EU-Grenzen. Beim 13. Berliner Europa-Dialog der Freien Universität zum Thema Außenpolitik durfte das Verhältnis zum neuen Nachbarstaat also nicht fehlen. Die Podiumsgäste waren sich jedoch schnell einig: Außenpolitik dürfte bei den kommenden Verhandlungen das geringste Problem sein: „Zurzeit wird eine harte Abgrenzung gesucht, doch Großbritannien und die EU haben gemeinsame außenpolitische Werte und Interessen“, sagte Pamela Preusche, europäische Korrespondentin für das Auswärtige Amt.

Kai-Olaf Lang, Senior Fellow der Forschungsgruppe EU/Europa bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, stimmte Preusche zu. Er attestierte Großbritannien eine „merkwürdige globale Fantasie“. Beim Thema Energiesolidarität läge die EU allerdings mit dem Inselstaat auf einer Linie. Auch der dritte Teilnehmer der Runde sah das ähnlich: Jacob Schrot, Gründer der Initiative junger Transatlantiker und Associate Fellow der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.

Großbritannien und die EU haben gemeinsame außenpolitische Werte und Interessen, sagte die europäische Korrespondentin im Auswärtigen Amt Pamela Preusche.

Großbritannien und die EU haben gemeinsame außenpolitische Werte und Interessen, sagte die europäische Korrespondentin im Auswärtigen Amt Pamela Preusche.
Bildquelle: Peter Schraeder

Moderiert wurde die Diskussion von Professorin Tanja Börzel, Leiterin der Arbeitsstelle Europäische Integration an der Freien Universität. Der Berliner Europa-Dialog ist eine Kooperation des Dokumentationszentrums Vereinte Nationen – Europäische Union der Freien Universität Berlin mit dem Europäischen Informationszentrum Berlin der Deutschen Gesellschaft e.V. und der Europa-Union Berlin e.V.

Steht die EU heute alleine da?

Die Briten seien freilich nicht die einzigen Verbündeten gewesen, die der EU in den vergangenen Jahren Kopfschmerzen bereitetet hätten, auch das Verhältnis zu den USA habe sich deutlich abgekühlt, sagte Pamela Preusche: „Die EU muss ihre Interessen jetzt selber durchsetzen.“ Auf die Amerikaner sei kein Verlass mehr. Daher sei es der richtige Weg, wenn Deutschland, wie zuletzt Mitte Januar, eine Libyen-Konferenz in Berlin einberufe, um Friedensgespräche zu unterstützen oder zumindest für Waffenstillstand zu sorgen. Einen militärischen Einsatz Deutschlands und Europas zur Sicherung des möglichen Friedens schloss Preusche nicht aus.

Bei der Anbindung der Ukraine an Europa sei die EU blind gegenüber den Interessen Russlands gewesen, sagte Kai-Olaf Lang, Senior Fellow der Forschungsgruppe EU/Europa bei der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Bei der Anbindung der Ukraine an Europa sei die EU blind gegenüber den Interessen Russlands gewesen, sagte Kai-Olaf Lang, Senior Fellow der Forschungsgruppe EU/Europa bei der Stiftung Wissenschaft und Politik.
Bildquelle: Peter Schraeder

Dass sich die USA zurückziehen, sah der Transatlantiker Jacob Schrot naturgemäß anders. Man müsse zwischen Rhetorik und tatsächlichen Handlungen unterscheiden. Im Falle Europas gebe es keinen empirischen Beweis für den Rückzug der USA. Die US-Militärstützpunkte in Deutschland – wie etwa der Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz – seien nach wie vor besetzt. Grundsätzlich sei es wichtig, an der multilateralen, regelbasierten Ordnung festzuhalten, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sei – gerade angesichts der Tatsache, dass Europas ökonomische Bedeutung im kommenden Jahrzehnt weiter schrumpfen werde.

Zankapfel Ukraine

Moderatorin Tanja Börzel wies darauf hin, dass die Kritik an der außenpolitischen Zurückhaltung Europas schon alt sei. Vor rund 20 Jahren, zu Zeiten von US-Präsident George W. Bush, habe man die USA mit Kriegsgott Mars verglichen – die EU jedoch mit Liebesgöttin Venus. Diskutierten wir also seit 20 Jahren über dasselbe Thema?

Kai-Olaf Lang widersprach. Es habe seither durchaus Bereiche gegeben, in denen die EU ihre Macht deutlich ausgeübt habe – wie im Fall der Ukraine. Der bis heute andauernde Konflikt sei deshalb entbrannt, weil die Ukraine auf Wunsch der EU stärker in westliche Bündnisse integriert werden sollte. Dabei sei übersehen worden, wie stark man in die Interessensphäre Russlands vorgestoßen sei. „Die EU war blind“, sagte Lang. Die eigenen Machtinteressen habe man anschließend zwar nicht vollständig durchsetzen können, doch dasselbe gelte für Russland. Über Wirtschaftssanktionen und mithilfe von Verhandlungen habe die EU Russland Paroli geboten.

Jacob Schrot von der Initiative junger Atlantiker und Associate Fellow der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik betonte die weiterhin große Bedeutung der USA für europäische Außenpolitik.

Jacob Schrot von der Initiative junger Atlantiker und Associate Fellow der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik betonte die weiterhin große Bedeutung der USA für europäische Außenpolitik.
Bildquelle: Peter Schraeder

Auch Jacob Schrot bestritt, dass die EU außenpolitisch nach wie vor in einer Passivhaltung feststecke. Im Falle der Ukraine habe die Europäische Union ihre Interessen sehr deutlich gemacht. „Wir sind weiter, als es scheint“, sagte Schrot.

China als Alternative?

Und wie sollte die EU künftig mit der aufstrebenden Wirtschaftsmacht China umgehen? Moderatorin Tanja Börzel warf die Frage auf, ob der asiatische Staat inzwischen nicht als Alternative zum westlichen Modell der liberalen Demokratie gelten könne. Kai-Olaf Lang gab zu, dass es eine Herausforderung für die EU sei, wenn China wie im Falle des Hafens von Piräus seine Macht in Europa ausweite: Seit einigen Jahren ist ein chinesischer Staatskonzern Mehrheitsaktionär des griechischen Hafens. Dennoch seien die chinesischen Investitionen in Europa bisher sehr gering. Tanja Börzel hielt schließlich fest, dass die meisten Menschen nach wie vor lieber in einer europäischen Demokratie als in einer Diktatur leben wollen würden.

Weitere Informationen

Eine Videoaufzeichnung des 13. Berliner Europa-Dialogs finden Sie auf Youtube.