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Durch Vielfalt stark

Im Netzwerk UnILiON haben sich die Repräsentanzen von mehr als 150 europäischen Universitäten in Brüssel zusammengeschlossen – ein Interview mit Claudia Siegel, Leiterin des Verbindungsbüros der Freien Universität in Brüssel

01.11.2018

Auf dem Podium in Brüssel (v. l. n. r.): R. Blum (Nuremberg Institute of Technology), W.  Burtscher (Europäische Kommission), A. Borg (Norwegian University of Science & Technology), S. Hermans (Europäische Kommission), I. Lemahieu (Ghent University).

Auf dem Podium in Brüssel (v. l. n. r.): R. Blum (Nuremberg Institute of Technology), W. Burtscher (Europäische Kommission), A. Borg (Norwegian University of Science & Technology), S. Hermans (Europäische Kommission), I. Lemahieu (Ghent University).
Bildquelle: Benoît COLLETTE Photography 

Dass die Leiterinnen und Leiter der Universitäts-Repräsentanzen in Brüssel ihre Universitäten stärker vertreten können und ihre Stimme von der Europäischen Kommission besser gehört wird, wenn sie gemeinsam auftreten, hätten die vergangenen zwei Jahren deutlich gezeigt, sagt Claudia Siegel, die das Brüsseler Verbindungsbüro der Freien Universität leitet. Mit einer ersten thematischen Veranstaltung, die vor wenigen Wochen in Brüssel stattfand, wollte sich UnILiON nun erstmals der Öffentlichkeit vorstellen. Claudia Siegel erläutert das Anliegen des Zusammenschlusses und die Möglichkeiten der koordinierten Zusammenarbeit.

Frau Siegel, was ist UnILiON? Warum hat sich das Netzwerk gegründet, welche Ziele hat es?

UnILiON – die Abkürzung steht für Universities Informal Liaison Offices Network – ist ein Zusammenschluss der in Brüssel mit einem festen Büro vertretenen Universitäten, nicht nur aus Europa, sondern auch aus Russland und Japan. Seit zwei Jahren wird in Brüssel – angestoßen von der EU-Kommission – verstärkt über die Rolle von Universitäten in Europa diskutiert. Dabei wird den Universitäten einerseits mit oft sehr vereinfachten Argumenten ein dringender Modernisierungsbedarf unterstellt, andererseits sollen sie einen wichtigen Beitrag zur Europäischen Integration leisten, zum Beispiel mit den neuen, vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron vorgeschlagenen „Europäischen Universitäten“, die eine neue Art des europäischen Lehrens etablieren sollen. Viele Universitäten haben außerdem zunehmend Schwierigkeiten, sich an europäischen Verbundforschungsprojekten zu beteiligen, weil die von ihnen geleistete Grundlagenforschung in solchen Projekten eine viel geringere Rolle in der Förderung spielt als früher. Dies ist unter anderem der eher anwendungsbezogenen Ausrichtung der Ausschreibungen im EU-Forschungsrahmenprogramm geschuldet.

Vor diesem Hintergrund haben Universitäten seit 2016 vermehrt Verbindungsbüros in Brüssel eröffnet – die Freie Universität war mit der Gründung ihres Verbindungsbüros im Jahr 2009 Vorreiterin dieser Entwicklung. Eines dieser neuen Brüsseler Universitätsbüros hat vor zwei Jahren eine Übersicht über die vorhandenen Niederlassungen und ihre Profile erstellt. Das Ergebnis war erstaunlich: Mehr als 60 Universitäten waren schon damals entweder selbst mit einem Büro vertreten oder hatten Vertreter in einer Repräsentanz ihrer Heimatregion angesiedelt. Das war die Geburtsstunde von UnILiON, einem Netzwerk, dessen Mitglieder sich – zunächst noch namenlos – nur lose trafen, um Kolleginnen und Kollegen von anderen Universitäten kennenzulernen. Recht bald entwickelte UnILiON den Anspruch, für die Europäische Kommission und das Parlament als informelle Austausch- und Multiplikationsplattform zu dienen – so wie es die außeruniversitären Forschungsorganisationen mit IGLO (Informal Group of RTD Liason Offices) seit langer Zeit erfolgreich tun.

Wie arbeitet UnILiON?

Seit Mai 2017 koordiniert ein virtuelles Sekretariat den Aufbau des Netzwerkes. Alle sechs Wochen finden Treffen mit allen Mitgliedern statt, um sich untereinander auszutauschen und mit einem Gast aus den Europäischen Institutionen über aktuelle Themen zu diskutieren. Dieser informelle und offene Austausch wird von der Kommission sehr geschätzt. Um diese Aktivitäten herum haben sich vier Arbeitsgruppen gebildet, die konkrete Themen und deren Auswirkungen auf die Universitäten diskutieren, wie beispielsweise die Gestaltung des nächsten Forschungsrahmenprogramms oder die Einwerbung von Exzellenzmitteln über den Europäischen Forschungsrat (ERC). Das führt dazu, dass die Universitäten in Brüssel inzwischen auch über UnILiON wahrgenommen und angesprochen werden, zusätzlich zu den großen Dachorganisationen wie der European Universities Association (EUA) oder den Rektorenkonferenzen.

Mitte Oktober fand in Brüssel eine erste öffentliche UnILiON-Veranstaltung mit dem Titel „Universities Fast Forward – Value in Diversity” statt – worum ging es?

Oftmals werden Universitäten darauf reduziert, für den Arbeitsmarkt passgenaue Absolventen produzieren zu müssen. Mit der Veranstaltung wollte das Netzwerk deutlich machen, dass gerade die Verschiedenheit der Universitäten, ihre unterschiedlichen Profile ein Mehrwert für die Gesellschaft, die Region, in der sie agieren oder aber auch den Arbeitsmarkt sind. Darüber hinaus wurde über neue Ideen, die es an den zahlreichen an UnILiON beteiligten Universitäten gibt, diskutiert und wie man Forschung und Lehre besser verknüpfen kann.

Gab es Ergebnisse? Was sind die nächsten Schritte?

In erster Linie sollte die Abendveranstaltung mit drei Vizepräsidentinnen und -präsidenten verschiedener Universitätstypen sowie dem Stellvertretenden Generaldirektor der Generaldirektion Forschung, Wolfgang Burtscher, und dem Direktor für Politische Strategie und Evaluierung der Generaldirektion Bildung, Stefaan Hermans, der Europäischen Kommission Anregung für die Europäische Kommission sein, ihren Kurs vielleicht hier und da noch einmal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Ich denke, das ist gut gelungen, wenn man all die positiven Rückmeldungen betrachtet, die das Netzwerk daraufhin erhalten hat. Es bedeutet aber auch, dass das Netzwerk nun noch stärker in Erscheinung treten muss, vor allem bei den Diskussionen um das nächste EU-Rahmenprogramm, das bereits intensiv verhandelt wird und von 2021 an beginnen soll. Es geht darum, dass Universitäten künftig noch vollumfänglich am gesamten Rahmenprogramm beteiligt sind und nicht nur auf bestimmte Förderlinien beschränkt werden.

Auch innerhalb des Netzwerks wird es Veränderungen geben: Auf Anregung der japanischen Kolleginnen und Kollegen soll eine weitere Arbeitsgruppe für internationale Zusammenarbeit ins Leben gerufen werden. Außerdem sollen noch stärker als bisher kleine Workshops für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die EU-Anträge planen, organisiert werden.

Was kann ein Zusammenschluss von Universitäten, wie UnILiON einer ist, bewirken, welches Instrument kann er sein?

Zunächst einmal erleichtert die Kooperation den Arbeitsalltag der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den verschiedenen Uni-Verbindungsbüros: Informationen werden geteilt, bewertet und können für die Arbeit in der eigenen Universität verwendet werden. Wir informieren einander über Ausschreibungen für internationale Projekte unserer Heimatuniversitäten und vermitteln auf Anfrage auch Partner für EU-Forschungsanträge.

Darüber hinaus hat das Netzwerk inzwischen eine gute Außenwirkung: Die Europäische Kommission fragt bei UnILiON an, wenn sie die Meinung von Universitäten allgemein einholen will. Auch wenn jede Universität beziehungsweise deren Verbindungsbüro ihren eigenen Standpunkt hat, nutzt die Kommission den Kontakt zum Netzwerk, um ein Stimmungsbild der Gesamtsituation einzuholen. UnILiON ist, wie schon erwähnt, inzwischen eine Art IGLO für Universitäten geworden.

An UnILiON sind sowohl die Freie Universität als auch die Technische Universität beteiligt. Gibt es gemeinsame Anliegen? Wie arbeiten die beiden Berliner Universitäten zusammen?

Die Technische Universität und die Freie Universität befinden sich seit März 2017 in einer Bürogemeinschaft in Brüssel. Dies ist ein zusätzlicher Aspekt zur ohnehin seit Langem gut funktionierenden Zusammenarbeit unter den EU-Referentinnen und -Referenten aller Einrichtungen im Land Berlin. Im Rahmen von UnILiON beteiligen sich beide Universitäten rege am Austausch mit den europäischen Kolleginnen und Kollegen. Unsere verschiedenen Forschungsprofile führen aber natürlich auch dazu, dass wir in Brüssel auch unterschiedliche Anliegen verfolgen.

Die Fragen stellten Nina Diezemann und Christine Boldt