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„Zuhören können und sich in andere hineindenken“

Pharmazie-Professorin Monika Schäfer-Korting, von 2010 bis 2018 Erste Vizepräsidentin der Freien Universität, ist aus dem Präsidium verabschiedet worden

06.08.2018

Monika Schäfer-Korting hat die Freie Universität viele Jahre als Vizepräsidentin begleitet. Als Wissenschaftlerin wird sie ihr weiterhin verbunden bleiben.

Monika Schäfer-Korting hat die Freie Universität viele Jahre als Vizepräsidentin begleitet. Als Wissenschaftlerin wird sie ihr weiterhin verbunden bleiben.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Mehr Zeit für die Familie und die Musik – das wünscht sich Monika Schäfer-Korting nach insgesamt 13 Jahren im Präsidium der Freien Universität. Die Pharmazeutin, die 1994 auf die Professur für Pharmakologie und Toxikologie berufen wurde, war zunächst von 1997 bis 1999, dann seit 2007 Vizepräsidentin der Hochschule; von 2010 an war sie Erste Vizepräsidentin und damit Vertreterin des Präsidenten. In dieser Funktion war sie neben Berufungen auch für die Universitätsmedizin und Biowissenschaften zuständig. Ein Gespräch über gute Kommunikation, hochschulpolitische Verantwortung, das Ringen um die Universitätsmedizin und persönliche Zukunftspläne.

Frau Professorin Schäfer-Korting, Sie waren insgesamt 13 Jahre Vizepräsidentin der Freien Universität Berlin. Was ist das Wichtigste, das Sie in dieser Zeit gelernt haben?

Wie wichtig Kommunikation ist, dass man vernünftig miteinander reden und aufeinander eingehen muss. Dass man zuhören können muss und sich in andere hineindenken, um Probleme verstehen und lösen zu können – oder dem anderen zu begründen, warum etwas nicht erfüllbar ist.

Sie waren erstmals von 1997 bis 1999 Vizepräsidentin, in einer Zeit, in der die Berliner Universitäten nach der Wiedervereinigung stark umstrukturiert wurden. Was ist Ihnen von damals in Erinnerung?

Es war eine sehr turbulente Zeit, jeder hatte nur seine Interessen im Blick und wollte sie durchsetzen. Für mich war es die schlimmste Zeit überhaupt, vor allem, als der Freien Universität die Mittel einschneidend gekürzt wurden. Die Politik hatte uns vermittelt, dass diese massive Kürzung einmalig sein würde. Wir haben den Kolleginnen und Kollegen in der Universität damals deshalb gesagt: Ja, wir werden durch den Einschnitt in der Leistung abfallen, aber wir werden uns auch wieder hocharbeiten. Und als wir gerade einen Silberstreif am Horizont gesehen haben, traf uns die zweite extreme Kürzungsrunde. Damals habe ich mir geschworen, nicht noch einmal hochschulpolitisch Verantwortung zu übernehmen.

Aber Sie haben es sich doch noch einmal überlegt und sind 2007 erneut Vizepräsidentin geworden.

Unser damaliger Präsident Professor Dieter Lenzen hatte mich darum gebeten, und ich konnte mich diesem Wunsch nicht verschließen. Er wollte die Natur- und Lebenswissenschaften an der Universität fördern und stabilisieren. Und das ist uns auch gelungen. Es wurden mehrere Sonderforschungsbereiche eingerichtet, die immer noch sehr erfolgreich arbeiten, und wir haben zwei große Bauprojekte auf den Weg gebracht: den Neubau für die Resistenzforschung im Fach Veterinärmedizin, der 2019 fertiggestellt und im Frühjahr 2020 an die Freie Universität übergeben werden soll, und das neue Gebäude SupraFAB, das an der Altensteinstraße entstehen wird und in dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus mehreren Disziplinen auf dem Gebiet der Nanotechnologie zusammenarbeiten werden.

Von 2007 bis 2018 waren Sie – zunächst als Vizepräsidentin, von 2010 an als Erste Vizepräsidentin – auch für die Medizin zuständig. Gerade in den ersten Jahren dieser Amtszeit wurde heftig um die Zukunft des Universitätsklinikums Benjamin Franklin gestritten. Also wieder turbulente Zeiten?

Ja, richtig schwierig waren für mich die Jahre 2007 und 2010. Die Charité steckte damals in massiven finanziellen Schwierigkeiten, und die Probleme im Klinikum Benjamin Franklin waren immens. Aber das ist überwunden. Heute befinden wir uns in einer Konsolidierungs-, ja sogar Aufbauphase. Durch mehrere Forschungsverbünde wie den Exzellenzcluster NeuroCure, der die Forschung zu neurologischen Erkrankungen bündelt, oder den Forschungsverbund DynAge, bei dem altersbedingte Erkrankungsprozesse im Fokus stehen, sind die Verflechtungen zwischen der Charité, dem gemeinsamen medizinischen Fachbereich der Freien Universität und der Humboldt-Universität, und anderen Disziplinen der Freien Universität stetig gewachsen.

Sie haben sich als Pharmakologin früh auf das Organ Haut spezialisiert. Für die Suche nach Alternativmethoden zu Tierversuchen entwickelten Sie unter anderem Hautmodelle auf Basis menschlicher Zellen, und auf Ihre Initiative hin wurde 2014 der Berlin-Brandenburger Forschungsverbund BB3R gegründet, um die Entwicklung von Ersatzmethoden für Tierversuche voranzutreiben. Warum engagieren Sie sich auf diesem Gebiet?

Mir sind schon früh Zweifel an der Aussagekraft von Tierversuchen gekommen. Die Unterschiede zwischen der Spezies Maus und der Spezies Mensch erschienen mir doch erheblich. Zwar sind 95 Prozent der Gene von Mensch und Maus identisch, aber die restlichen fünf Prozent machen einen entscheidenden Unterschied. Das Immunsystem etwa, das Auslöser für viele Erkrankungen beim Menschen und Zielstruktur neuer Arzneimittel ist, arbeitet bei Maus und Mensch unterschiedlich. Diese Speziesbarriere wurde mit all ihren Konsequenzen lange Zeit nicht verstanden.

Mittlerweile ist publiziert, dass 90 Prozent der neu entwickelten Arzneistoffe nach ihrer Prüfung am Menschen letztendlich nicht als Arzneimittel zugelassen werden. Weil sie sich beim Menschen als nicht wirksam erwiesen haben gegen die Erkrankungen, gegen die sie eingesetzt werden sollten, oder weil sie nicht tolerable Nebenwirkungen haben. Alle diese Substanzen hatten sich zuvor im Tierversuch bewährt. Das zeigt, dass wir ein Neudenken in der experimentellen Arzneimittelforschung brauchen, und das ist mittlerweile auch anerkannt. Krankheitsmodelle, die auf menschlichen Zellen basieren, werden heute nicht nur an der Freien Universität entwickelt – aber wir stehen mit unseren Hautmodellen national und international gut da.

Die Freie Universität hat in den vergangenen Jahren einen starken Forschungsschwerpunkt in den Lebenswissenschaften entwickelt. Welche Rolle spielen diese Fächer für die Universität?

Eine Volluniversität wie die Freie Universität ist ohne Lebenswissenschaften nicht denkbar. Geistes- und Sozialwissenschaften brauchen die Lebenswissenschaften, und die Zusammenarbeit funktioniert wunderbar. Einer meiner schönsten Augenblicke war, als wir die Focus Area DynAge eingerichtet haben, die all diese Disziplinen zusammenführt. Denn es geht in dem Forschungsverbund ja darum, Erkrankungen in verschiedenen Lebensalters-Stufen zu erforschen und zu untersuchen, welche medizinischen, sozialen und gesellschaftlichen Konsequenzen sich daraus ergeben. Anfangs dachte ich noch: Oh, das wird jetzt aber schwierig. Wie bekomme ich Lebenswissenschaftler und Geistes- und Sozialwissenschaftler an einen Tisch? Aber alle haben sich vom ersten Augenblick an verstanden, haben sich gegenseitig zugehört und bereits gemeinsam viele Drittmittelprojekte eingeworben. Ich finde es großartig, was da geleistet wird.

Gibt es weitere Momente während Ihrer Amtszeit, die Sie nicht vergessen werden?

Ja, das war natürlich der Moment, als ich 2007 den Erfolg der Freien Universität in der Exzellenzinitiative miterleben durfte. Es war unfassbar, dass wir das geschafft hatten, gerade nach den schlimmen Erfahrungen mit der Kürzungspolitik, die wir vorher machen mussten. Und 2012, als dieser Erfolg dann in der zweiten Runde bestätigt wurde. Das war ein Traum!

Sie widmen sich jetzt wieder der Wissenschaft. Welche Ziele haben Sie sich dort gesteckt?

Als Wissenschaftlerin reizt es mich ungemein, weiter an der Entwicklung von Testmethoden zu arbeiten, die aussagekräftig sind und Tierversuche überflüssig machen. Zum Beispiel interessiert mich das Thema „Patient-on-a-chip“, das heißt der Nachbau von winzigen Organen aus menschlichen Zellen auf einem Mikrochip. Da möchte ich gerne auch mit einem Kollegen der Technischen Universität zusammenarbeiten, der mit seinem Team auf diesem Gebiet bereits erfolgreich forscht.

Werden Sie mehr Zeit haben – und wenn ja, womit verbringen Sie Ihre Freizeit?

Ich brauche dringend mehr Zeit für all das, was ich in den vergangenen Jahren nicht in dem Umfang machen konnte, wie ich es mir gewünscht hätte. Also mehr Zeit für meine Familie, vor allem meine beiden kleinen Enkel, die jetzt sechs und zwei Jahre alt sind. Und ich freue mich, auch wieder mehr Zeit für Musik zu haben, die ich so liebe und die ja in Berlin auf höchstem Niveau geboten wird.

Die Fragen stellten Christa Beckmann und Christine Boldt