Grüne Firmengründung
Ein eigenes Start-up gründen und dabei grüne Berufszweige kennenlernen – das Workcamp „Get up – Start up“ an der Freien Universität hatte für Schülerinnen und Schüler ab der 10. Klasse einiges zu bieten
07.05.2018
Zwei Schülerinnen extrahieren den Farbstoff, der für den Stoffbeutel verwendet werden soll, im Chemielabor der Freien Universität.
Bildquelle: Leonie Schlick
Es köchelt und blubbert im Chemielabor am Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie in der Fabeckstraße. Konzentriert beobachten David und Sam die blaue Flüssigkeit in dem Reagenzglas. Sie tragen weiße Kittel und Schutzbrillen, drehen gekonnt am Bunsenbrenner. Doch David und Sam sind keine Studenten in einer Chemieübung – sie sind Schüler zweier Berliner Oberschulen. „Wir haben blauen Farbstoff extrahiert und auf Wolle aufgetragen und gucken jetzt, ob er sich rauswaschen lässt“, sagt der 15-jährige David.
Vier Tage lang experimentieren die beiden, nicht im Klassenzimmer, sondern auf dem Campus der Freien Universität. Sie machen mit bei einem Workcamp, das in den Osterferien vom Natlab, einem der Schülerlabore der Freien Universität, angeboten wird. Unter dem Motto „Get up – Start up” entwickeln 20 Schülerinnen und Schüler ein Start-up, das Stoffbeutel designen und vertreiben will. Das Besondere an diesem Projekt: Es verbindet die Natur- mit den Wirtschaftswissenschaften. Denn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer untersuchen nicht nur Fasern, extrahieren Farbstoffe und färben Textilien, sondern erstellen auch einen Businessplan und entwickeln einen Webshop für ihr neues Produkt – und das alles nach Nachhaltigkeitsstandards im Bereich Textilwirtschaft.
Das Workcamp ist ein echtes Vernetzungsprojekt
Petra Skiebe-Corrette, die Leiterin des NatLab, erklärt: „Ziel des Workcamps ist es, eine Firmengründung nachzuspielen und nachzuerleben.“ Das Workcamp ist Teil des Projekts CoBiKe („Coole Berufe im Klimawandel erforschen“) und wird durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und den Europäischen Sozialfonds gefördert. CoBiKe ist ein Projekt vom Grone Bildungszentrum NRW gGmbH und dem Kinder- und Jugendtechnologiezentrum KITZ.do in Dortmund. Um den Jugendlichen das Kennenlernen vieler verschiedener Berufsperspektiven auch in Berlin zu ermöglichen, kooperieren in dem Workcamp unterschiedliche Einrichtungen: das KITZ.do, Grone, das NatLab, Lab2Venture Berlin und Berliner Startups. „Das ist ein echtes Vernetzungsprojekt“, sagt Petra Skiebe-Corrette. Gleichzeitig sei es das erste Mal, dass das naturwissenschaftliche NatLab mit den Wirtschaftswissenschaften kooperiere.
Marion Immel, Koordinatorin von Lab2Venture Berlin, einem Berliner Projekt, bei dem Schülerinnen und Schüler echte Aufträge bearbeiten, erklärt den Aufbau des Workcamps: „Wir simulieren im Prinzip drei Abteilungen einer Firma: Forschung, Projektmanagement und IT/Marketing.“ Sam und David sind in der Forschungsgruppe. Unter Anleitung des Doktoranden Julian Heinrich extrahieren sie den Farbstoff für den Stoffbeutel. Dabei würden bewusst chemische Stoffe eingesetzt, die nicht giftig sind. „Auch Chemie kann grün sein“, sagt Julian Heinrich.
Einen Raum weiter sitzen die Jugendlichen an Computern, sie sind für IT/Marketing zuständig. „Diese Schülerinnen und Schüler beschäftigen sich vor allem mit der Frage, wie man die Stoffbeutel am besten vermarktet“, sagt Marie Matthes, die am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften studiert. Sie unterstützt die Jugendlichen rund um die Website und das Marketing. So erzählt der 17-jährige Luno: „Ich mache hier gerade die Website. Die enthält zum Beispiel den Onlineshop und allgemeine Informationen über die Herstellung und über unsere Schülergruppe.“ Dabei wird er von dem 15-jährigen David K. unterstützt. Warum der sich entschieden habe, bei dem Workcamp mitzumachen? „Ich habe schon in der Schule Naturwissenschaft als Wahlpflichtfach gewählt. An dem Workcamp hat mich aber auch der Wirtschaftsaspekt interessiert“, erklärt er.
Anna-Maria arbeitet gemeinsam mit Mitschülerinnen und Mitschülern am Businessplan für den Stoffbeutel.
Bildquelle: Leonie Schlick
Das gilt auch für die 16-jährige Anna-Maria, die nebenan über Zahlen und Tabellen brütet: „Wir erstellen hier einen richtigen Business-Plan, zum Beispiel überlegen wir, wo unser Standort sein könnte.“ Ihr Mitschüler Alexandros (15 Jahre) ergänzt: „Wir schauen unsere Einnahmen und Ausgaben an und überlegen, wie viel wir erwirtschaften wollen.“ Unterstützt werden die Jugendlichen von Sylke Herberholt, zuständig für Kommunikation und Projektmanagment im KITZ.do und bei CoBiKe.
Grüne Berufe gibt es in allen Sparten
Damit das Workcamp einen möglichst realen Bezug hat, gibt es nach den vier Tagen an der Universität noch Exkursionen zu Berliner Betrieben. Dort stellen die Jugendlichen ihr Start-up vor und erhalten Feedback von echten Expertinnen und Experten aus der Branche. Doch bei dem Workcamp soll nicht nur die Arbeitssituation in einem Start-up konstruiert werden. Sylke Herberholt erklärt: „Wir möchten ganz grundsätzlich vermitteln, dass es grüne Berufe in allen Sparten gibt und ein ‚greening‘ der Jobs schon lange begonnen hat. Wir wollen den Jugendlichen die Möglichkeit bieten, in den Workcamps ihre Potentiale zu entdecken und durch vertiefende Einblicke, die sonst so nicht möglich sind, Berufsperspektiven zu entwickeln.“
Das Ergebnis des Workcamps nach vier Tagen kann sich sehen lassen: Die Jugendlichen haben ihr eigenes Produkt bis zur Marktreife erstellt – inklusive Webshop, socialmedia-Marketing und Businessplan, den sie bei der GLS Bank vorgestellt haben.