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„Der Konflikt wird medial exportiert“

Die Journalistin Gisela Dachs sprach an der Freien Universität Berlin über die Herausforderungen der Israel-Berichterstattung

16.02.2018

Die Journalistin Gisela Dachs zu Gast an der Freien Universität.

Die Journalistin Gisela Dachs zu Gast an der Freien Universität.
Bildquelle: Jonas Huggins

Was macht guten Journalismus über Israel aus? „Ich hätte lieber über ein anderes Thema gesprochen“, schickte Gisela Dachs ihrem Vortrag an der Freien Universität Berlin Anfang Februar voraus. Denn die politische Brisanz mache die Handhabung nicht einfach. Die promovierte Kommunikationswissenschaftlerin und langjährige Journalistin wollte dennoch versuchen, diese Frage zu beantworten.

„Israel ist ein Reizthema“, sagte Gisela Dachs: Wer einen Artikel über das Land veröffentliche, könne sich zahlreicher Klicks, Kommentare und Leserbriefe gewiss sein. Zwar habe das Interesse in den vergangenen Jahren etwas nachgelassen, dennoch sei die Nachfrage nach Nachrichten aus Israel – vor allem schlechten – weiterhin groß. Manche fassten dies unter einem zynischen Motto zusammen: Es laute „Jews are News“ – Themen, die mit Israel zu tun haben, hätten also immer Nachrichtenwert, sagte die Journalistin, die länger als 20 Jahre als Korrespondentin der Wochenzeitung  „DIE ZEIT“ aus Israel berichtet hat.

Die Anforderungen an Auslandskorrespondenten dort seien hoch: Es reiche schließlich nicht, Beiträge aus israelischen Zeitungen zu übersetzen; Journalisten müssten Nachrichten in einen Kontext setzen, um sie für ein ortsfremdes Publikum verständlich zu machen. Gisela Dachs sieht den Journalismus im digitalen Zeitalter dem immer größeren Druck ausgesetzt, mit weniger Geld schneller zu publizieren. „Zeitdruck und Längenvorgaben sind aber keine Entschuldigungen für mangelnde journalistische Sorgfalt“, stellte Gisela Dachs klar.

Die Möglichkeiten der Korrespondenten seien jedoch begrenzt, denn sie könnten nur darüber berichten, was die Leserschaft interessiert. Deren Erwartungen würden oft von innenpolitischen Debatten bestimmt, so die Journalistin: In Deutschland sei der Blick auf Israel wesentlich durch die Aufarbeitung des Holocaust geprägt, in Frankreich und Belgien durch die Erfahrungen mit dem Kolonialismus in Algerien und im Kongo. Die Wahrnehmung in Großbritannien sei wiederum vom britischen Mandat über Palästina vor der Gründung des Staates Israel beeinflusst.

Die Veranstaltung am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft war gut besucht.

Die Veranstaltung am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft war gut besucht.
Bildquelle: Jonas Huggins

Die Macht der Bilder

Viele Menschen, die nach Israel reisen, seien überrascht. „Zwischen dem, was sie zu wissen glauben, und dem, was sie im Land tatsächlich sehen, besteht eine große Kluft“, sagte Gisela Dachs. Ein Grund dafür liege in den Bildern, die im Ausland zu sehen seien. Denn so unterschiedlich einzelne Medien berichteten, so gleichförmig und plakativ sei die Bildsprache, die Auswahl von Fotos und Videos. Die meisten nutzten dieselben Nachrichtenpools als Quelle, in denen sich im Wesentlichen Stereotype fänden: ultraorthodoxe Juden, strengmuslimische Palästinenser, daneben Soldaten und Siedler.

Israelische Durchschnittsbürger seien dagegen gar nicht besonders religiös. Sie schätzten Traditionen, seien vermutlich Wechselwähler und hielten an der Zwei-Staaten-Lösung fest, auch wenn sie diese im Moment nicht für realistisch hielten – also „viel langweiliger“, als es die Leser erwarteten, sagte Gisela Dachs. Und erinnerte sich daran, wie sie einen Artikel über Hightech-Start-ups in dem Land geschrieben hatte. Der Bildvorschlag aus der Redaktion zeigte eine Gruppe ultraorthodoxer Juden mit Handys an den Ohren, obwohl der Artikel sich mit einem ganz säkularen Thema beschäftigte. „Es gibt einfach keine authentischen Bilder aus dem israelischen Alltag ohne diese Stereotype“, sagte die Journalistin.

Die Ursachen und Auswirkungen dieser Berichterstattung sind auch Teil des Forschungsgebietes, dem sich Gisela Dachs nun wissenschaftlich widmet. 2016 schloss sie ihre Dissertation über Nachrichtennutzung und die Identität jüdischer Einwanderer in Israel an der Universität von Tel Aviv ab. Seitdem lehrt sie am European Forum der Hebrew University of Jerusalem, die mit der Freien Universität eine strategische Partnerschaft unterhält, über Journalismus, Medien, Migration und israelisch-europäische Wahrnehmungen. Ihr Vortrag an der Freien Universität Berlin – eine Veranstaltung des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft – fand im Rahmen dieser Partnerschaft statt, unterstützt vom Center for International Cooperation der Freien Universität.

Ein Konflikt mit globaler Reichweite

Daneben schreibt Gisela Dachs für die Bundeszentrale für Politische Bildung – sie hat dort den „Länderbericht Israel“ herausgegeben –, hält Vorträge und schreibt als freie Autorin für verschiedene Zeitungen.

Gutem Journalismus misst sie eine hohe Bedeutung zu: „Der israelisch-palästinensische Konflikt wird seit Jahren medial exportiert und hat Einfluss auf andere Gesellschaften“, sagte sie. Auch auf deutschen Straßen, Spielplätzen und in den Klassenzimmern sei der Konflikt angekommen; immer wieder werde sie von Lehrerinnen und Lehrern gefragt, wie sie mit hitzigen Diskussionen über den Nahostkonflikt im Unterricht umgehen sollten. Umso wichtiger sei daher eine präzise und ausgewogene Berichterstattung: „Es ist ein Konflikt mit zwei Seiten. Journalisten sollten Beobachter sein – und nicht Richter, Aktivisten oder Politikberater.“