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„Wir haben auch mal rote Rosen geworfen – oder Eier“

Im vergangenen Jahr jährte es sich zum 30. Mal, dass an der Freien Universität erstmals Frauenbeauftragte gewählt wurden

05.01.2018

Zur Festveranstaltung Ende vergangenen November anlässlich des 30-jährigen Bestehens von Frauenbeauftragten an der Freien Universität waren viele gekommen: unter anderem Frauenbeauftragte der verschiedenen Jahrzehnte, die derzeitige Zentrale Frauenbeauftragte Mechthild Koreuber, der ehemalige Kanzler der Freien Universität Peter Lange, die wissenschaftliche Leiterin des Margherita-von-Brentano-Zentrums Professorin Margreth Lünenborg sowie viele Interessierte. Auch Christine Färber war dabei, die erste hauptamtliche Frauenbeauftragte der Freien Universität, die 1991 ihre Stelle angetreten hatte. Und Erdmute Geitner – die Politologin war die erste Frauenbeauftragte am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität. Campus.leben stellt die Pionierin vor.

Am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft (OSI) der Freien Universität gab es in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre eine lebhafte Szene der sich entwickelnden feministischen Frauenbewegung. Hinzu kam die Etablierung eines Institutsrates, in dem Angestellte, Studierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gemeinsam über die Institutspolitik berieten und entschieden. Hier setzten sich die aktiven Studierenden zunehmend mit ihren Forderungen durch, und hier konnte sich auch die erste Frauenbeauftragte als Interessenvertreterin der Studentinnen an der Institutspolitik beteiligen.

Dr. Mechthild Koreuber, Zentrale Frauenbauftragte der Freien Universität Berlin, und Peter Lange, ehemaliger Kanzler, jetzt Vorstandsvorsitzender der Ernst-Reuter-Gesellschaft der Freunde, Förderer und Ehemaligen der Freien Universität Berlin e.V.

Dr. Mechthild Koreuber, Zentrale Frauenbauftragte der Freien Universität Berlin, und Peter Lange, ehemaliger Kanzler, jetzt Vorstandsvorsitzender der Ernst-Reuter-Gesellschaft der Freunde, Förderer und Ehemaligen der Freien Universität Berlin e.V.
Bildquelle: Hanko Ye

Die sei „keine leichte Geburt“ gewesen, sagt Erdmute Geitner: „Ein Jahr lang haben wir darüber beraten, welche Funktion die Frauenbeauftragten haben und welche Forderungen sie vertreten sollen“, erinnert sich Erdmute Geitner. „Und alle interessierten Frauen aus allen Statusgruppen der Universität konnten mitdiskutieren.“ Die überwiegende Mehrzahl habe sich nicht wirklich interessiert, aber die wenigen Engagierten seien dafür sehr aktiv gewesen, sagt Geitner. „Die ersten Frauenbeauftragten in den achtziger Jahren kamen aus einer frauenpolitischen Bewegung.“

Im Sommersemester 1987 war es so weit: erste Wahl der Frauenbeauftraten

Der Startschuss fiel im November 1986 mit der Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes. Es sah erstmals „Beauftragte für Frauenfragen“ an den Hochschulen vor, deren Aufgaben und Befugnisse jedoch wenig konkretisiert wurden. Mit dieser Gesetzesänderung reagierte das Land Berlin auf die veränderten Vorgaben des Hochschulrahmengesetzes vom November 1985. Sie verpflichteten die Hochschulen erstmalig, „auf die Beseitigung der für Wissenschaftlerinnen bestehenden Nachteile hinzuwirken.“ Im Sommersemester des darauffolgenden Jahres war es dann so weit: Nahezu alle Fachbereiche und Zentralinstitute der Freien Universität Berlin wählten erste Frauenbeauftragte. Am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft erhielt Erdmute Geitner, die damals noch Erdmute Horn-Sauder hieß, fast 100 Prozent der Stimmen – obwohl sie sich nicht einmal zur Wahl gestellt hatte. „Die Nachricht kam wirklich sehr überraschend für mich.“

Die Fachbereiche Mathematik und Physik entschieden sich gegen eine Frauenbeauftragte. Allerdings stellten sie sich nicht gegen das Amt an sich, sondern gegen dessen mangelnde rechtliche Ausgestaltung. Denn zunächst waren die Frauenbeauftragten ehrenamtlich tätig, was in den Augen der dortigen Frauengruppe zur Benennung einer „Alibifrauenbeauftragten“ geführt hätte. Das damalige Magazin der Freien Universität Berlin FU-info widmete den Frauenbeauftragten nur so viel Aufmerksamkeit und Platz, dass in einer kurzen Nachricht die Namen der Frauenbeauftragten und die jeweiligen Fachbereiche oder Zentralinstitute genannt wurden.

„Meine Tür stand immer offen“

„Spezielle Sprechstunden gab es bei mir nicht“, sagt Erdmute Geitner. „Meine Tür stand immer offen – das lief neben der normalen Arbeit, zusätzlich zur 40–Stunden-Woche.“ Trotzdem habe sie den Job gern gemacht, weil Frauenförderung ein wichtiges Thema sei und die Arbeit viel Spaß gemacht habe: „Es war eine aufregende und spannende Zeit.“ Im Prinzip habe sie die Interessen der Frauen aller Statusgruppen der Universität vertreten. „Allerdings haben sich vor allem Studentinnen an mich gewandt. Ich war Ansprechpartnerin für viele Themen. Die Palette reichte von Problemen im Studium bis hin zu sexueller Belästigung.“

Das Besondere an der Frauenbewegung dieser Zeit bestand für Erdmute Geitner im gemeinschaftlichen Engagement. Trotz mitunter unterschiedlicher Auffassungen hätten die verschiedenen Strömungen innerhalb der feministischen Bewegung versucht, ihre Forderungen wie etwa die Einrichtung einer Frauenprofessur gemeinsam zu verwirklichen. Denn die Ziele im Kampf um Gleichberechtigung und Chancengerechtigkeit seien immer ähnlich gewesen. Von den organisatorischen Möglichkeiten, die den Frauenbeauftragten heute zur Verfügung stehen – der Vernetzung etwa in der Bundeskonferenz der Frauenbeauftragten und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen (BuKoF) – hätten sie damals nur träumen können, sagt Geitner. Dafür sei es unbürokratischer gewesen. „Wir haben viel diskutiert und versucht, unsere Probleme in den Institutsratssitzungen zu Gehör zu bringen. Dafür haben wir schon mal rote Rosen geworfen – oder manchmal auch Eier.“

Jahrelange Überzeugungsarbeit

Die Freie Universität und das Otto-Suhr-Institut kannte Erdmute Geitner bereits durch ihr Studium der Politikwissenschaft. Nach ihrem Abschluss als Diplom-Politologin erhielt sie eine Stelle als wissenschaftliche Hilfskraft in der Pressedokumentation der Freien Universität. 1969 wurde sie Hochschulassistentin am OSI und schließlich im Rahmen struktureller Veränderungen im Mittelbau an der Freien Universität wissenschaftliche Mitarbeiterin. Während ihrer Dozentenzeit wurden am OSI sogenannte Frauenseminare eingerichtet, um den Studentinnen einen „sicheren“ Raum zu bieten, in dem sie wissenschaftlich über politische Themen diskutieren konnten. „Wir hatten festgestellt, dass die Wortführer in den Seminaren eigentlich immer Männer waren“, sagt Erdmute Geitner.

In den Seminaren wurden frauenspezifische Themen behandelt: etwa, die Frauenorganisation innerhalb der demokratischen Parteien der Bundesrepublik, deren Strukturen, Aufgaben und Möglichkeiten. „So etwas haben die männlichen Professoren nicht gemacht, weil es nicht ihrem Interesse entsprach. Natürlich wurden wir damit auch als unglaublich links abgestempelt.“

„Das Problem mit den Frauenseminaren war allerdings der Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes“, sagt Erdmute Geitner. Er besagt, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind, Frauenseminare waren aber nur für Frauen zugelassen. „In meinem Seminar hatte ich das große Glück, dass eines Morgens ein junger Student mit Baby unterm Arm auftauchte, mit Kinderwagen, Windeln und Fläschchen“, sagt Erdmute Geitner. Er sei von seiner Frau geschickt worden, die arbeiten müsse – und nahm von da an regelmäßig am Seminar teil. „Damit waren wir wieder grundgesetzgemäß.“

Christine Färber war die erste hauptamtliche Frauenbeauftragte der Freien Universität

Der entscheidende Schritt zur Professionalisierung der Frauenbeauftragten kam im Oktober 1990 mit einer erneuten Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes: Die Hochschulen erhielten damals den klaren Auftrag, eine hauptberufliche Frauenbeauftragte zu bestellen. Die Freie Universität wählte bereits im Juli desselben Jahres eine „Beauftragte für Frauenfragen“ – 41 Frauen hatten sich auf die Stelle beworben. Zu dieser Zeit war Erdmute Geitner Mitglied im Akademischen Senat der Freien Universität. Gemeinsam mit anderen Senatsmitgliedern machte sie sich damals für Christine Färber als erste hauptamtliche Frauenbeauftragte der Freien Universität stark. Mit Erfolg: Im März 1991 konnte die Politologin die Stelle antreten. „Ich sehe heute noch, wie sie zum Bewerbungsgespräch in den Raum kam, gerade mal 26 Jahre alt, sich fröhlich vorstellte und sagte: Ich will den Job machen.“ Damit gehörte die Freie Universität zu den 60 Prozent Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland, die eine Frauenbeauftragte auf zentraler Ebene eingesetzt hatten.

Professorinnen an der Freien Universität: Sieben Prozent im Jahr 1991, rund 32 Prozent heute

Acht Jahre später wurde Christine Färber von Mechthild Koreuber abgelöst, die noch heute das Amt der zentralen Frauenbeauftragten innehat. Es ist viel erreicht worden. 1991 lag der Frauenanteil an Professuren an der Freien Universität bei rund sieben Prozent. Mittlerweile ist die Gleichstellungspolitik in der Hochschule strukturell verankert und rund 32 Prozent aller unbefristeten Professuren haben Frauen inne.

Erdmute Geitner setzt sich auch in ihrem Ruhestand für die Rechte der Frauen ein. Im Deutschen Akademikerinnenbund (DAB) hat sie 2011 den Arbeitskreis Frauen, Politik & Wirtschaft mit aufgebaut und wurde dessen erste Sprecherin. Sehr schade findet sie, dass es bisher zu keiner Zusammenarbeit mit den Frauenbeauftragten der Berliner Universitäten gekommen ist, aber die Arbeit liegt Erdmute Geitner dennoch sehr am Herzen: „Es ist Wahnsinn, wie wenig für Frauen in unserem Land getan wird, und es geht rückwärts. Man muss sich nur den Frauenanteil im neuen Bundestag anschauen: Er ist so gering wie zuletzt vor 19 Jahren. Daher kommt meine Motivation. Und ich habe ja Zeit, um mich dafür zu engagieren.“