Springe direkt zu Inhalt

Die Zukunft der Menschheit entscheidet sich jetzt

Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, plädiert bei der „Einstein Lecture Dahlem“ an der Freien Universität Berlin für die sofortige Reduktion von Kohlendioxid-Emissionen

01.11.2017

Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Joachim Schellnhuber hielt die 17. Einstein Lecture zum Thema "Eiszeiträtsel und andere Klimageheimnisse".

Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Joachim Schellnhuber hielt die 17. Einstein Lecture zum Thema "Eiszeiträtsel und andere Klimageheimnisse".
Bildquelle: www.arne-sattler.de

Der renommierte Klimaexperte Professor Hans Joachim Schellnhuber hat die diesjährige „Einstein Lecture Dahlem“ genutzt, um eindringlich für größere Anstrengungen zum Schutz des Weltklimas zu plädieren. Schellnhuber machte deutlich, dass mit der Senkung des Ausstoßes von Kohlendioxid (CO2) sofort begonnen werden müsse und gab einen Überblick über die klimatische Geschichte der Erde.

Verzicht ist das Gebot der Stunde

Die Botschaft des Abends: Je länger die Menschen CO2 in die Atmosphäre blasen, desto rapider muss der Ausstoß in den Folgejahren gesenkt werden, um die erlaubte Gesamtmenge nicht zu überschreiten und die zerstörerischen Folgen des Klimawandels so wenigstens noch im Zaum halten zu können. Würde mit der Reduzierung sofort begonnen, könnte die Phase des Übergangs hin zu Null-Emissionen bis etwa 2045 gestreckt werden, um damit den Anstieg der Erderwärmung auf eineinhalb bis zwei Grad zu beschränken, erklärte Schellnhuber. Wenn die Menschheit erst 2020 aktiv werde, bleibe nur bis 2040 Zeit. Mache sie gar bis 2025 weiter wie bisher, blieben nur zehn Jahre, um sämtlichen CO2-Ausstoß zu stoppen, warnte Schellnhuber.

Die Dringlichkeit der sofortigen Reduktion von Kohlendioxid veranschaulichte Schellnhuber mit dieser Grafik.

Die Dringlichkeit der sofortigen Reduktion von Kohlendioxid veranschaulichte Schellnhuber mit dieser Grafik.
Bildquelle: Figures, Schellnhuber et al. 2017, Nature

Wie soll das gelingen? „Bis 2030 müssen wir aus der Nutzung von Kohle als Energiequelle aussteigen, und bis 2040 müssen wir die Massentierhaltung aufgeben und auf Zement als Baustoff verzichten“, erklärte Schellnhuber vor rund 1200 Zuhörerinnen und Zuhörern im Max-Kade-Auditorium im Henry-Ford-Bau. Der Klimaforscher ließ keinen Zweifel daran, dass Verzicht das Gebot der Stunde sei. Gefragt aus dem Publikum, was jeder Einzelne zur Rettung des Erdklimas tun könne, lautete Schellnhubers Empfehlung, Vegetarier zu werden und nicht mehr mit dem Flugzeug in den Urlaub zu fliegen.

Ein Klimaforscher von Weltrang

Schellnhuber ließ keine Ausflüchte zu, seine Forderungen waren so konkret wie unpopulär. Bei all den düsteren Aussichten gab er sich aber auch humorvoll. „Die Erde dreht sich um die Sonne, da sind wir uns einig – selbst die Klimaskeptiker stimmen da zu“, sagte der Wissenschaftler, als er zur Erklärung des Treibhausgaseffekts ansetzte. Auch einfältige Tweets von US-Präsident Donald Trump zum Klimawandel, der die globale Erwärmung als eine Erfindung Chinas bezeichnet hatte, die der amerikanischen Wirtschaft schaden sollte, blieben nicht unerwähnt. „In dieser Zeit die Augen zu verschließen, ist das Dümmste, was man tun kann“, sagte Schellnhuber.

Die Begrüßungsrede hielt Prof. Dr. Peter-André Alt, Präsident der Freien Universität Berlin.

Die Begrüßungsrede hielt Prof. Dr. Peter-André Alt, Präsident der Freien Universität Berlin.
Bildquelle: www.arne-sattler.de

Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) ist theoretischer Physiker. 1992 gründete er das PIK, das in kürzester Zeit an Renommee gewann. Der Präsident der Freien Universität, Professor Peter-André Alt, wies auf die zahlreichen Auszeichnungen Schellnhubers hin – wie den diesjährigen „Blue Planet Prize“, die weltweit bedeutendste Auszeichnung für Forschungen zum Umweltschutz.

Der Mensch braucht ein stabiles Klima

Um die dramatischen Veränderungen des Klimas anschaulich zu machen, gab Schellnhuber einen Crash-Kurs über die Erd- und Menschheitsgeschichte. Vor rund 600 bis 700 Millionen Jahren war unser Heimatplanet zeitweise zur Eiskugel erstarrt. Einzig den über das Eis hinausragenden Vulkanschloten sei es zu verdanken gewesen, dass sich die Atmosphäre wieder mit Kohlendioxid gefüllt habe und den Erdball ganz allmählich aufwärmte. Als aber endlich genug davon in der Luft war, erhitzte sich die Erde rasant. Schellnhuber warnte: Wenn die Klimaschutzziele nicht erreicht würden, stehe Ähnliches wieder bevor.

Prof. Dr. Jochem Marotzke (l.), Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, hielt den Einführungsvortrag.

Prof. Dr. Jochem Marotzke (l.), Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, hielt den Einführungsvortrag.
Bildquelle: www.arne-sattler.de

Doch der Mensch brauche ein stabiles Klima, unterstrich der Klimaforscher. Der Homo sapiens existiere seit 200.000 Jahren oder länger, aber Hochkulturen und Zivilisation hätten sich erst entwickeln können, als die Erdtemperatur nach der letzten Eiszeit vor 11.000 Jahren stabil geblieben sei. Eine so lange Warmphase habe es in der Menschheitsgeschichte zuvor nicht gegeben, betonte Schellnhuber.

Umkehr noch möglich

Die Warmphase habe zwar die Entwicklung einer industrialisierten Zivilisation ermöglicht, erklärte der Klimaexperte. Doch sehe es zurzeit so aus, als ob deren hoher Energieverbrauch gleichzeitig ihren Untergang befördern könnte. Dies sei ein möglicher Grund dafür, dass die Menschheit trotz Millionen erdähnlicher Planeten in der Milchstraße keine Radiosignale von Außerirdischen empfange: Vielleicht sei die Lebenszeit hochentwickelter Zivilisationen schlichtweg zu kurz, als dass deren ins All geschickte Signale zur rechten Zeit andere, ebenso kurzlebige Zivilisationen erreichen können, sagte der Forscher.

Die Veranstaltung fand im vollbesetzten Max-Kade-Auditorium im Henry-Ford-Bau statt.

Die Veranstaltung fand im vollbesetzten Max-Kade-Auditorium im Henry-Ford-Bau statt.
Bildquelle: www.arne-sattler.de

Folgen Aufstieg und Fall von Zivilisationen einem unausweichlichen Naturgesetz? Führt der seit 200 Jahren währende Karbonisierungswettlauf, also die Freisetzung von CO2, unweigerlich in den Untergang? Diese Spekulation lehnte Schellnhuber ab. Er zeigte sich überzeugt davon, dass die Menschheit sich noch anders entscheiden könne. „Ich denke, dass die Chancen noch immer bei 50 zu 50 stehen“, sagte er. Eine Mahnung, die er bereits einflussreichen Persönlichkeiten wie Angela Merkel und Papst Franziskus mit auf den Weg gegeben hat. Seinen Vortrag schloss Schellnhuber mit einem Zitat Albert Einsteins: „Die Welt wird nicht bedroht von den Menschen, die böse sind, sondern von denen, die das Böse zulassen.“

Weitere Informationen

Mit den ‚Einstein Lectures Dahlem‘ würdigt die Freie Universität Berlin seit 2005 unter Beteiligung außeruniversitärer Forschungseinrichtungen das epochale Wirken Albert Einsteins über nahezu zwei Jahrzehnte in Berlin als Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physik. Seit 2017 wird dieses hochkarätige, interdisziplinär ausgerichtete Universitäts-Colloquium am traditionellen Wissenschaftsstandort Berlin-Dahlem in Kooperation mit der Max-Planck-Gesellschaft ausgerichtet, der Nachfolgerin der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Die ‚Einstein Lectures Dahlem‘ sprechen eine breite Universitätsöffentlichkeit an und umfassen alle Wissenschaftsgebiete, die durch Albert Einsteins Denken beeinflusst werden.

Weitere Informationen: www.fu-berlin.de/einsteinlectures