Im persönlichen Gespräch mit dem Bundespräsidenten
Frank-Walter Steinmeier traf an der Freien Universität geflüchtete Studierende und Wissenschaftler von Berliner Hochschulen
24.10.2017
Dahlem war die letzte Station seines offiziellen Antrittsbesuchs im Land Berlin: Am Ende eines langen Tages, der frühmorgens am Steuer einer U-Bahn angefangen hatte, besuchte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Mitte Oktober die Freie Universität Berlin. Sein Anliegen: sich im persönlichen Gespräch mit geflüchteten Studierenden und Wissenschaftlern verschiedener Berliner Universitäten auszutauschen. „Die Gründungsgeschichte unserer Hochschule geht auf politische Verfolgung und fundamentale Einschnitte in die wissenschaftliche Freiheit zurück“, sagte der Präsident der Freien Universität Professor Peter-André Alt, „ich könnte mir somit keinen passenderen Ort für diese Veranstaltung vorstellen.“
Zu dem Gespräch, an dem neben dem Regierenden Bürgermeister von Berlin Michael Müller auch die Präsidentin der Humboldt-Universität zu Berlin Professorin Sabine Kunst sowie der Präsident der Technischen Universität Professor Christian Thomsen teilnahmen, waren Absolventinnen und Absolventen der Willkommens-Programme der Berliner Universitäten eingeladen worden. Die meisten stammten aus Syrien, wo sie ein Studium beziehungsweise eine akademische Laufbahn begonnen hatten, die sie dann aufgrund der politischen Situation unterbrechen mussten. In seiner früheren Funktion hatte sich Frank-Walter Steinmeier intensiv mit dem Krieg in Syrien und seinen Folgen befasst: „Ich habe mich als Außenminister damit beschäftigt, wie das Ankommen in Europa erleichtert werden kann und dann festgestellt, dass viele Menschen angefangene wissenschaftliche Karrieren haben. Es wäre bedauerlich, um nicht zu sagen unverantwortlich, wenn es keine Möglichkeit gäbe, diese hier fortzusetzen“, sagte Steinmeier. Damals hatte das Auswärtige Amt die Philipp Schwartz-Initiative angestoßen, die es Forschungseinrichtungen in Deutschland ermöglicht, gefährdete Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mithilfe eines Stipendiums für eine begrenzte Zeit aufzunehmen.
Mit den beiden Wissenschaftlern Mohamed Ali Mohamed und Yaser Hantouch, die beide an der Universität in Aleppo tätig waren, nahmen zwei Stipendiaten dieses Programms an dem Gespräch in Dahlem teil. Mohamed Ali Mohamed ist mittlerweile wissenschaftlicher Mitarbeiter am Geographischen Institut der Humboldt-Universität, Yaser Hantouch, promovierter Architekt, forscht an der Technischen Universität.
Weitere Gesprächsteilnehmer waren Studierende, von denen die meisten an den zahlreichen Willkommens-Programmen der Berliner Hochschulen teilgenommen haben. Muhammed Al Zeen stammt aus Damaskus und war im „Welcome@FUBerlin“-Programm der Freien Universität. Inzwischen studiert er Englisch und Politikwissenschaft, er möchte Lehrer werden. Außerdem gibt er einer Willkommensklasse für Geflüchtete an einer Zehlendorfer Schule Englischunterricht. Mit dem Bundespräsidenten und seiner Frau Elke Büdenbender sprechen zu dürfen, empfand der junge Syrer als große Ehre, wie er später sagte: „In meinem Heimatland habe ich es nie erlebt, dass sich Repräsentanten eines Landes um Themen kümmern, die das Land bewegen“, hob der Student hervor. Auch Raghad Koko, die aus Aleppo stammt und an der Freien Universität im dritten Semester Informatik studiert, war vom Austausch mit dem Bundespräsidenten angetan: „Meine Arbeit wird in Deutschland mehr wertgeschätzt. Wenn man sich hier etwas vornimmt, kann man es auch erreichen“, sagte sie. Neben Koko und Al Zeen waren als Gäste auch die Studenten Wael Amayri von der Freien Universität und Elmedin Sopa von der Humboldt-Universität geladen. Der 22-jährige Amayri hat mit einer Sprachtandem-Partnerin und Sprachkursen des Welcome@FU-Programms so gut und schnell Deutsch gelernt, dass er nach weniger als einem Jahr ein Informatikstudium aufnehmen konnte. Sopa ist Vorstandsmitglied der Refugee Law Clinic Berlin, die Asylsuchenden kostenlose Rechtsberatung anbietet.
Neben den Studierenden und den Wissenschaftlern nahmen die Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund und Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales Sawsan Chebli und der Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung Steffen Krach an dem Gespräch teil.
Die Präsidenten und die Präsidentin der drei großen Berliner Universitäten – Peter-André Alt, Sabine Kunst und Christian Thomsen – stellten ihre jeweiligen Programme für geflüchtete Studierende und Wissenschaftler vor. Die emotionale Belastung sei für Menschen, die gerade eine Flucht hinter sich hätten, bisweilen groß, betonten die Präsidenten und die Präsidentin. Umso anerkennenswerter sei deren Leistung, da sie schließlich dieselben Bedingungen wie alle anderen Studienbewerber und –bewerberinnen erfüllen müssten.
Der Bundespräsident erkundigte sich bei den Flüchtlingen, auf welche Herausforderungen sie in Berlin gestoßen seien und wie ihnen die Angebote der Universitäten und das persönliche Engagement ihrer Mitglieder bei der wissenschaftlichen Integration geholfen hätten. Deutschland habe ihm gezeigt, dass es Länder gebe, in denen Menschenrechte etwas wert seien, sagte einer der Teilnehmer. Vorerst wollten die meisten Studierenden und Wissenschaftler in Deutschland bleiben, eine Rückkehr nach Syrien sei für sie derzeit aufgrund der politischen Lage ausgeschlossen. Langfristig könnten sich einige eine Rückkehr vorstellen, aber erst, wenn der Krieg dort beendet sei – beispielsweise um beim Wiederaufbau ihres Landes mitzuhelfen.