Wir schaffen das!
Campusdialog in Dahlem: Warum die Freie Universität, die Technische Universität, die Humboldt-Universität und die Charité im Exzellenzwettbewerb gemeinsam antreten wollen
16.06.2017
„Je länger wir zusammenarbeiten, desto mehr frage ich mich: Warum haben wir das nicht schon früher gemacht?“ Karl Max Einhäupl, Vorstandsvorsitzender der Charité – Universitätsmedizin Berlin, ist sich mit Sabine Kunst, Präsidentin der Humboldt-Universität, sowie den Präsidenten der Freien und der Technischen Universität, Peter-André Alt und Christian Thomsen, einig: Dass die vier Einrichtungen gemeinsam in der Exzellenzstrategie – dem Nachfolgewettbewerb der Exzellenzinitiative – antreten wollen, ist eine richtige Entscheidung. Warum die Vier davon überzeugt sind, wo bereits über Fächer- und Institutionengrenzen hinweg erfolgreich geforscht wird, was die Exzellenzstrategie den Universitäten bringt, was den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und was den Studierenden – darüber wurde vergangene Woche im Henry-Ford-Bau der Freien Universität diskutiert.
Was für Europa gelte, gelte auch für die Wissenschaft, antwortete Einhäupl auf die Frage von Moderatorin Susanne Führer vom Deutschlandfunk Kultur nach den Vorteilen einer Verbundbewerbung – gemeinsam sei man einfach stärker: „Forschung ist inzwischen viel mehr eine Frage von Regionen als von Institutionen.“ Berlin sei ein Wissenschaftsstandort mit großer Diversität, ergänzte Christian Thomsen. Diese Vielfalt lasse sich in einem gemeinsamen Antrag bestens abbilden.
Was im Großen noch Theorie ist, wird im Kleineren bereits erfolgreich praktiziert. Einer der aus Erfahrung weiß, dass institutionenübergreifende Kooperationen für die Forschung grundsätzlich fruchtbar sind, ist Michael Meyer. Er ist Professor für Prähistorische Archäologie an der Freien Universität und einer der beiden Sprecher des Exzellenzclusters Topoi, einem 2007 eingerichteten gemeinsamen Antike-Verbund von Freier Universität, Humboldt-Universität und außeruniversitären Einrichtungen: „Topoi kennt man inzwischen überall“, sagte Meyer, „das liegt daran, dass wir über Disziplinen- und Einrichtungsgrenzen hinweg zusammenarbeiten, und zwar mit allen, die für den Themenkomplex Antike relevant sind.“
Das Forschungszentrum Matheon wiederum verknüpft seit 15 Jahren die mathematische Expertise der drei Berliner Universitäten, des Weierstraß-Instituts und des Zuse-Instituts. Und im Rahmen der Graduiertenschule Berlin Mathematical School (BMS), einer Kooperation von Freier Universität, Humboldt-Universität und Technischer Uni, promovieren seit 2006 erfolgreich Mathematikerinnen und Mathematiker unter einem Dach. Beide Verbünde hätten sich bewährt, sagte Günter Ziegler, Sprecher der BMS und Mathematikprofessor an der Freien Universität: „Die Marken Matheon und BMS strahlen international, der Zusammenschluss hat uns stark gemacht.“ Was sich auch auf die Studierendenschaft auswirke, die viel internationaler geworden sei, sagte Ziegler.
Auch Japanologie-Professorin Verena Blechinger-Talcott steuerte Beispiele aus der Praxis bei. Sie ist Sprecherin der Graduiertenschule Ostasienstudien, einer Kooperation von Freier Universität und außeruniversitären Einrichtungen: „Hier in Dahlem legen wir den Fokus auf Ostasien und den Vorderen Orient, die Humboldt-Universität wiederum ist in den Regionen Afrika, Südost- und Zentralasien stark. Unsere jeweiligen Ausrichtungen ergänzen sich perfekt, das erweitert unsere Perspektive. Davon profitieren auch unsere Studierenden und Nachwuchswissenschaftler.“
Rund 150 Beschäftigte der Freien Universität, Studierende und Wissenschaftler waren zu der Informationsveranstaltung gekommen, die nacheinander an allen vier Einrichtungen stattfindet, die im Verbund ins Rennen gehen möchten. Sie hatten viele Fragen: Um welche inhaltlichen Themen es in den Clusteranträgen und im Exzellenzantrag gehe? Wie sich der Verbund auf die unieigenen Strukturen und die jeweilige Organisation auswirke? Wie die Konkurrenz, in der die Berliner Universitäten in der Vergangenheit zueinander gestanden hätten, und der neue Verbundgedanke sich miteinander vertrügen?
Bei der Vorbereitung des Antrags werde derzeit eher über „die Ermöglichung von Forschungsstrukturen und weniger über Forschungsthemen“ gesprochen, sagte Peter-André Alt auf die erste Frage. Aber natürlich gebe es Schwerpunkte, mit denen man sich bewerbe. Dass die Runde hier nicht konkreter wurde oder werden konnte, bleibt der Wettbewerbssituation geschuldet, in der sich die Antragssteller derzeit befinden.
Bei dem angestrebten Exzellenzverbund könne man auf bereits bestehende Strukturen aufbauen, sagte Sabine Kunst, Präsidentin der Humboldt-Universität: „Durch eine gemeinsame Infrastruktur lassen sich die Bedingungen für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verbessern.“ Der Verbund solle „kein Dach über Dächern“ sein, erläuterte Peter-André Alt. Ganz im Gegenteil: „Es geht darum, die Komplexität von Strukturen zu reduzieren.“ Warum man dann nicht gleich eine Berliner „Super-Uni“ gründe, von der immer mal wieder die Rede sei, fragte die Moderatorin in die Runde. „Weil wir auf Diversität und unsere historisch gewachsenen Identitätsprofile setzen“, sagte Alt. „Unsere Ungleichgewichte und Unterschiede wollen wir bewahren – als unsere Stärke.“ Also: Kooperieren ja, miteinander verschmelzen, nein.
An der Organisation der einzelnen Einrichtungen werde sich durch einen Verbund nichts ändern, sagte Alt, auch werde es keinen Verbundpräsidenten oder -präsidentin geben, möglicherweise eine wechselnde Sprecherschaft, „aber das müssen wir noch klären“. Zum Wettbewerbsgedanken: Jede Universität verfolge auch weiterhin ihr institutionelles Ziel, national und international besonders sichtbar zu sein. Der Zusammenarbeit könne das aber nur zuträglich sein. Und von dem Geld, das bei einem erfolgreichen Verbundantrag flösse, profitierten auch Studierende und studentische Hilfskräfte – auf sie bezog sich eine Frage aus dem Publikum –, wie Alt bekräftigte: „Exzellenz bedeutet: mehr Geld für alle.“
Und was, wenn es nicht klappt? „Wir sind zuversichtlich“, erwiderte Sabine Kunst auf die Frage der Moderatorin. „Wenn es nicht klappt, machen wir es trotzdem“, ergänzte Günter Ziegler, „nur kleiner.“ Die Notwendigkeit, sich zum Vorteil der Wissenschaft zusammenzutun, bleibe schließlich bestehen. Wie sie die Berliner Wissenschaft im Jahr 2025 sähen, wollte Moderatorin Susanne Führer zum Abschluss wissen: „Dann sind wir definitiv in der Nach-Trump-Ära“, sagte Christian Thomsen. Das stimme ihn hoffnungsvoll, „denn der Wissenschaft wird dann wieder mehr geglaubt.“