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„Macron hat noch lange nicht alle erreicht“

Berliner Europa-Dialog-Diskussion über die politischen Entwicklungen in Frankreich unter Präsident Macron

28.07.2017

Beim Europa-Dialog diskutierte Moderatorin Miriam Hartlapp mit (v.l.) Emmanuel Droit (Centre Marc Bloch/Humboldt-Universität), Felix Lennart Hake (Deutsch-Französischer Jugendausschusses) und Pascal Thibaut (Radio France International).

Beim Europa-Dialog diskutierte Moderatorin Miriam Hartlapp mit (v.l.) Emmanuel Droit (Centre Marc Bloch/Humboldt-Universität), Felix Lennart Hake (Deutsch-Französischer Jugendausschusses) und Pascal Thibaut (Radio France International).
Bildquelle: Manuel Krane

Was bedeuten Macrons Präsidentschaft und der Erfolg seiner Partei „La République en marche“ bei den Wahlen zur Nationalversammlung für Europa? Welche Politik ist von Frankreichs neuem Präsidenten zu erwarten? Um diese Fragen ging es beim 7. Berliner Europa-Dialog. Unter dem Titel „Tour de Force – Mit Macron in ein anderes Europa“ diskutierten der Deutschland-Korrespondent von Radio France International Pascal Thibaut, der Präsident des Deutsch-Französischen Jugendausschusses Felix Lennart Hake und der Direktor des Centre Marc Bloch an der Humboldt-Universität Emmanuel Droit mit Moderatorin Miriam Hartlapp, Professorin am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität für Vergleichende Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Deutschland und Frankreich.

Der deutliche Sieg von „La République en marche“ bei den Wahlen zur Nationalversammlung habe eine Zäsur in der Geschichte Frankreichs markiert, sagte Emmanuel Droit: „Wir haben es hier mit einer politischen Revolution zu tun. Und zwar der ersten in Frankreich, die ohne Blutvergießen stattgefunden hat.“ Die Verluste von Republikanern und Sozialdemokraten seien dramatisch gewesen. „Im Moment hat Macron keinen politischen Gegner“, so Droit. Doch das könne auch zur Gefahr werden. „Es gibt in Frankreich immer eine positive Einstellung der Wähler gegenüber den neu Gewählten kurz nach der Wahl. Aber Macron hat noch lange nicht alle erreicht“, sagte Pascal Thibaut. Die französische Gesellschaft sei tief gespalten, die Herausforderungen für Macron riesig. Entscheidend, da waren sich die Podiumsteilnehmer einig, werde wohl sein, ob und wie Macron die angekündigten Reformen umsetze. „Vielen jungen Franzosen ist Macron zu wirtschaftsliberal“, sagte Felix Lennart Hake. Ob ein Scheitern Macrons einen Wahlsieg Le Pens möglich machen könnte? Emmanuel Droit zeigte sich skeptisch. Macron habe viele gut situierte Wähler, die sich als Europäer und Weltbürger säen – von ihnen drohe keine Gefahr, dass sie zu Le Pen überlaufen. Kritischer sei die Situation bei den Arbeitern. „Macron hofft darauf, durch seine Reformen die Arbeitslosigkeit zu senken und dadurch bei ihnen an Zustimmung zu gewinnen“, sagte Droit. Es sei aber keinesfalls sicher, dass ihm das gelingt.

Doch wie sehen die Reformen eigentlich aus, über die jetzt so viel gesprochen wird? „Was Macron im Blick hat, ist eher das Modell des dänischen Sozialstaats als des deutschen“, sagt Pascal Thibaut. Zwar solle es beim Kündigungsschutz Lockerungen geben, eine französische Agenda 2010 sei aber nicht zu erwarten. „Ein bisschen Neo-Liberalismus würde Frankreich allerdings nicht schaden“, bekundete Emmanuel Droit.

Für die deutsch-französischen Beziehungen sei Macron jedenfalls ein Gewinn, da waren sich die Diskutanten einig. Allerdings seien diese auch nie selbstlos gewesen. „Dahinter stecken immer Interessen“, so Hake. Eine starke deutsch-französische Beziehung könne außerdem im restlichen Europa Skepsis auslösen. „Deshalb ist es wichtig, dass die EU gemeinsam handelt. Dazu gehört auch eine gemeinsame Sozialpolitik“, sagt Hake. Emmanuel Droit sieht zudem eine gemeinsame Verteidigungspolitik als wichtiges Zeichen gegenüber östlichen EU-Mitgliedstaaten. Die Herausforderung für Merkel und Macron werde es daher sein, sagte Pascal Thibaut, „den Menschen zu zeigen, dass Europa ein Europa der Bürger ist. Und dass es diese schützt – und sie nicht bestraft oder schröpft.“

Weitere Informationen

Die Reihe „Berliner Europa-Dialog“ wird vom Europäischen Informationszentrum Berlin, dem Dokumentationszentrum Vereinte Nationen – Europäische Union der Freien Universität und der Europa-Union Berlin getragen.