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„Das ist ein großer Fortschritt“

Campus.leben-Interview mit Präsident Professor Peter-André Alt über die neu ausgehandelten Hochschulverträge

15.05.2017

Gutes Timing: Die Hochschulverträge sind ausgehandelt.

Gutes Timing: Die Hochschulverträge sind ausgehandelt.
Bildquelle: Mila Hacke

3,5 Prozent mehr Zuschüsse pro Jahr vom Berliner Senat für die Hochschulen, bessere Beschäftigungsbedingungen, die Zusicherung, dass es bei den bisherigen Studierendenzahlen bleibt und dass die Lehrkräftebildung an der Freien Universität ausgebaut wird – mit dem Ergebnis der Hochschulvertragsverhandlungen zeigt sich Professor Peter-André Alt durchaus zufrieden. Campus.leben sprach mit dem Präsidenten der Freien Universität Berlin über die ausgehandelten Punkte, Bauprojekte und die Debatte um die wissenschaftliche Theologie in Berlin.

Herr Professor Alt, sind Sie zufrieden mit den ausgehandelten Hochschulverträgen?

Ja, denn die Berliner Hochschulen erhalten zum ersten Mal seit 20 Jahren – seit Bestehen des Vertragssystems – eine Steigerung der Zuschüsse, die den Status quo sichert und zusätzlich eine strukturelle Absicherung für Zusatzaufgaben erlaubt. Dadurch können Tariferhöhungen und wachsende Sach- und Energiekosten tatsächlich aufgefangen werden. Der Vertrag beschert der Freien Universität eine stufenweise Erhöhung der Zuschüsse in den kommenden fünf Jahren: von 328 Millionen Euro jährlich auf 381 Millionen Euro in 2022. Das ist ein großer Fortschritt.

Die Verhandlungen haben im richtigen Moment stattgefunden: zu Beginn einer Legislaturperiode und nachdem die Tarifverträge für den Öffentlichen Dienst gerade abgeschlossen worden sind. Das war ein günstiges Timing, weil wir die Tariferhöhungen nun sehr genau kennen: Bei den Angestellten wird es künftig neben dem prozentualen Anstieg der Vergütung auch ab der Entgeltgruppe neun eine zusätzliche Erfahrungsstufe geben, was wir für richtig halten. Die dadurch anfallenden Mehrkosten lassen sich genau berechnen, sodass diese Summen ganz aktuell in den Vertrag eingebracht werden konnten.

Was gewinnt die Freie Universität durch die höheren Zuschüsse?

Die Steigerung betrifft nicht nur die laufenden Zuschüsse, sondern auch die sogenannten Sonderzuschüsse. Diese Sonderzuschüsse sind gerade in der Lehrkräftebildung nennenswert, weil wir dadurch mehr Lehramtsstudierende zulassen können. Die Freie Universität hat im Bereich Lehrkräftebildung größere Aufgaben übernommen und wird dafür sieben zusätzliche Professuren erhalten.

Auch in Bereichen, in denen wir in den vergangenen Jahren verstärkt zugelassen haben, ermöglichen uns die Zuschüsse, die Überlast etwas herunterzufahren. Insgesamt verschafft das gesamte Vertragswerk gewisse Spielräume – wenn auch auf einem hohen Leistungsniveau für die Hochschulen.

Was ist mit der großen Anzahl befristeter Verträge, die wiederholt in der Kritik stand?

Es ist richtig, darüber nachzudenken, ob die Balance zwischen befristeten und unbefristeten Stellen im Mittelbau in den vergangenen Jahren stimmig war. Dass die befristete Beschäftigung gewachsen ist, lag auch daran, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verstärkt Drittmittel eingeworben haben, die immer nur befristet bewilligt werden.

Viele Hochschulen teilen aber durchaus die Auffassung, dass es sinnvoll ist, den Anteil der unbefristet Beschäftigten zu erhöhen – nicht aus Prinzip, sondern weil es geboten ist, bei Daueraufgaben auch Dauerbeschäftigung zu ermöglichen. Natürlich hat das auch Auswirkungen auf die Personalentwicklungsplanung – zum Beispiel wird die eine oder andere Position im Mittelbau für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler attraktiv, die dauerhaft im Mittelbau verbleiben möchten.

In den Hochschulverträgen haben wir uns auf 35 Prozent dauerhaft Beschäftigte im wissenschaftlichen Mittelbau geeinigt. Diese Zahl bezieht sich ausschließlich auf den Mittelbau, der aus Haushaltsmitteln bezahlt wird – das sage ich so deutlich, weil die Professuren ja im Wesentlichen bereits dauerhaft sind und auch der Anteil von unbefristet Beschäftigten unter den wissenschaftsunterstützenden Beschäftigten bereits heute viel höher liegt. An der Freien Universität sind übrigens im Mittelbau aktuell schon 31 Prozent der Beschäftigten in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis, wir sind von unserem Ziel also nicht weit entfernt.

Präsident Professor Peter-André Alt: „Der Vertrag beschert der Freien Universität eine stufenweise Erhöhung der Zuschüsse in den kommenden fünf Jahren: von 328 Millionen Euro jährlich auf 381 Millionen Euro in 2022.“

Präsident Professor Peter-André Alt: „Der Vertrag beschert der Freien Universität eine stufenweise Erhöhung der Zuschüsse in den kommenden fünf Jahren: von 328 Millionen Euro jährlich auf 381 Millionen Euro in 2022.“
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Es gibt Klagen über eine vermeintlich prekäre Beschäftigung an den Universitäten. Teilen Sie diese Kritik?

Die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden entsprechend der geltenden Tarifverträge ordentlich und angemessen vergütet. Wie alle Angestellten im Öffentlichen Dienst erhalten auch sie die Zuwächse aus den regelmäßigen Tarifanpassungen. Viele von ihnen befinden sich in der wissenschaftlichen Ausbildung und promovieren auf einer Dreiviertelstelle, hier bekommen sie im Vergleich zu einem Stipendium deutlich mehr Geld. Für die Erstverträge werden bereits seit vielen Jahren Mindestlaufzeiten vorgesehen, die sich an den für die Erreichung des Qualifizierungsziels erforderlichen Zeiten orientieren. Ich denke deshalb nicht, dass man unter dem Gesichtspunkt der Vergütung von prekärer Beschäftigung sprechen kann.

Worüber man aber in den Vertragsverhandlungen reden musste, war die Vergütung der Lehrbeauftragten. Lehrbeauftragte sind wichtig, weil sie als Praktiker in die Universität hineinwirken. Was sich aber zum Teil als Problem erwiesen hat, sind Lehraufträge, die die Fachbereiche vergeben haben, um etwa auf die hohe Nachfrage zu reagieren oder um kurzfristig entstandene Vakanzen zu vertreten. Es ist für die Hochschule günstiger, einen Lehrbeauftragten zu beschäftigen als einen wissenschaftlichen Mitarbeiter. Das darf nicht zum dauerhaften Einsatz von Lehrbeauftragten aus Ressourcengründen führen. Ich denke, wir sollten die Anzahl der Lehrbeauftragten reduzieren und sie vorwiegend dort einsetzen, wo sie tatsächlich das Lehrangebot spezifisch ergänzen. Zahlreiche Lehrbeauftragte stehen schon erfolgreich im Berufsleben, beispielsweise als Rechtsanwälte, so dass die Vergütung für sie kein Problem darstellt. Problematisch aber ist es beispielsweise in der Sprachausbildung, wo Menschen häufig von den Einkünften der Lehrbeauftragung leben, indem sie an mehreren Universitäten Sprachunterricht geben.

Die Mindestsätze für Lehrbeauftragte mussten also angepasst werden. Auch deswegen übrigens, weil heute das Studienangebot und auch die Aufgaben in der Lehre komplexer geworden sind. Es müssen mehr kleinere Prüfungen abgenommen werden als früher, die Korrekturaufgaben sind gewachsen. Der Arbeitsaufwand von Lehrbeauftragten ist also größer geworden. Deshalb haben wir im Rahmen des Hochschulvertrags verabredet, zunächst die Mindestvergütung in den kommenden zwei Jahren von derzeit 24,50 Euro sukzessive auf 37,50 Euro zu erhöhen.

Ich denke, dass wir damit auf einem guten Weg sind. Die Arbeit der Lehrbeauftragten bringt eine wichtige Komponente in die Lehre ein, die die Hochschulen mit einer angemessenen Entlohnung auch wertschätzen müssen.

Was ist in den Hochschulverträgen darüber hinaus festgelegt worden?

Die sogenannte Halteverpflichtung – das bedeutet, dass die Berliner Universitäten das Niveau der Anzahl der Studienanfängerinnen und -anfänger halten müssen. Auf der Grundlage dieses hohen Niveaus bekommen unsere Hochschulen jährlich 144 Millionen Euro vom Bund; es zu senken, würde bedeuten, Geld zu verlieren, und das will niemand. Positiv ist, dass wir das quantitative Niveau trotz der finanziellen Aufwüchse nicht weiter steigern müssen. Die finanziellen Zuwächse in Verbindung mit dem Lehramtsaufwuchs, der in die Gesamtzahlen eingerechnet wird, ermöglichen erstmals wieder kleinere Spielräume, die uns erlauben, den Druck bei den stark überlasteten Fächern etwas zurückzunehmen. Wie in früheren Verträgen spielen die Themen Studium und Lehre insgesamt eine große Rolle und der Vertrag enthält vielfältige Verabredungen, die sich mit der Sicherung der Studienqualität bei Erhalt der hohen Studierendenzahlen beschäftigen.

Ein weiteres wichtiges Themenfeld betrifft die Rolle der Fachhochschulen. Diese werden erstmals umfänglich mit Mittelbaustellen ausgestattet, was die Arbeitsweise an den Fachhochschulen und das Gefüge zwischen den Hochschultypen verändern wird. Die Berliner Universitäten betrifft das insbesondere im Bereich der Nachwuchsförderung und bei der Frage, wie in deutlich stärkerem Maße als bisher Promotionen in Kooperation mit den Fachhochschulen realisiert werden können.

Wie sieht es bei den Mitteln für Bauprojekte aus?

Die Berliner Hochschulen haben mit dem Senat schon 2016 ein Bau- und Investitionsprogramm beschlossen, in den kommenden zehn Jahren können somit insgesamt 1,2 Milliarden Euro verbaut werden. Für unsere Universität ist ein Volumen von rund 100 Millionen Euro vorgesehen, mit dem die großen Bauprojekte, wie zum Beispiel die Sanierung der Chemiegebäude, realisiert werden können.

Aber wir müssen alle unsere Gebäude instand halten und Reparaturen durchführen, das ist bei mehr als 220 Gebäuden nicht immer einfach. Dafür sind jetzt im Rahmen des Hochschulvertrags die investiven Zuschüsse gesteigert worden, und zwar um 3,5 Prozent pro Jahr – auch das ist ein Novum in den Verträgen, in denen seit den neunziger Jahren die investiven Zuschüsse konstant blieben. Der Anstieg bei den investiven Zuschüssen ist wichtig, weil man beides tun muss: große Bauplanung durchführen, aber auch die kleinen Sanierungsvorhaben sichern.

Ein anderes wichtiges Thema ist die wissenschaftliche Theologie in Berlin.

Derzeit wird an der Humboldt-Universität die Islamische Theologie aufgebaut. Die Koalition plant, alle Theologien an einer Berliner Universität zu bündeln. Die Freie Universität ist insofern tangiert, als zu dem politischen Konzept auch die Idee gehört, auszuloten, ob die hier beheimatete Katholische Theologie ein Teil dieser Fakultät werden könnte. Wenn es diese Gesamtplanung im Land gibt, dann dürfen wir uns dem nicht verschließen, sondern müssen zumindest darüber verhandeln. Ich bin deshalb bereit, über die Umsiedlung unserer Katholischen Theologie mit der Humboldt-Universität zu sprechen, erwarte allerdings vom Land, dass wir dann eine Kompensation erhalten. Wir haben dafür gemeinsam mit dem Fachbereich Ideen entwickelt, das ist aber noch nicht durchverhandelt.

Wir müssen mit der Humboldt-Universität aber zunächst darüber sprechen, unter welchen Konditionen ein solcher Wechsel möglich wäre und ob es überhaupt denkbar wäre, dass eine solche Fakultät entsteht. Da sind viele Unwägbarkeiten im Spiel. Das akademische Zusammenleben von Katholischer, Evangelischer und Islamischer Theologie wäre ein Novum und müsste aufwendig organisiert werden.