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Theorie und Praxis verbinden

Mit „K2teach“ („Know how to teach“) macht die Freie Universität Lehramtsstudierende für neue Herausforderungen in den Schulen fit

30.03.2016

Um Studierende für unterschiedliche Lernsituationen zu sensibilisieren, werden Unterrichtsvideos direkt in Schulen aufgenommen.

Um Studierende für unterschiedliche Lernsituationen zu sensibilisieren, werden Unterrichtsvideos direkt in Schulen aufgenommen.
Bildquelle: thelinke / istockphoto

Zukünftige Lehrerinnen und Lehrer gezielt und praxisnah auf die Arbeit in zunehmend heterogenen Schulklassen vorzubereiten: Das ist das Ziel von „K2teach – Grundlegende Handlungskompetenzen für eine adaptive Unterrichtspraxis im Studium erwerben“. Entstanden ist das Projekt im Rahmen der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ von Bund und Ländern, die Reformen in der Lehrerbildung unterstützt, um angehende Lehrkräfte besser auf den Schulalltag vorzubereiten. „K2teach“ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung bis Ende 2018 gefördert. Seit dem Wintersemester werden die ersten Ideen umgesetzt. Campus.leben sprach mit Volkhard Nordmeier, Professor für Didaktik der Physik und Gesamtprojektleiter, sowie mit Eva Terzer, Gesamtkoordinatorin des Projekts und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Didaktik der Physik der Freien Universität.

Frau Terzer, Herr Professor Nordmeier, was ist das Besondere an „K2teach“?

Terzer: Unser Fokus liegt darauf, Studierende auf eine adaptive Unterrichtspraxis vorzubereiten. Die Anpassungsfähigkeit von Lehrkräften an verschiedene Unterrichtssituationen und zunehmend heterogene Klassen – beispielsweise durch Kinder mit einem besonderen Förderbedarf oder aktuell auch durch geflüchtete Kinder – ist eine wichtige Voraussetzung, um im Beruf erfolgreich und glücklich zu sein und um Schüler nach ihren speziellen Bedürfnissen und Fähigkeiten zu fördern. Daher soll zukünftig ein besonderer Schwerpunkt im Studium auf praxisvorbereitenden und -begleitenden Elementen liegen.

Nordmeier: Neu an der Idee ist, dass wir die Trennung von theoretischer Universitätsausbildung und anschließender Praxis in der Schule zunehmend aufheben. Wir beginnen bereits im Studium damit, das erworbene Wissen praktisch umzusetzen. Mit diesem Projekt ist es uns zudem gelungen, die Natur-, Sprach-, Sozial- und Erziehungswissenschaften zusammenzubringen. Das Vorhaben kommt vom Finanzvolumen her sogar fast einem Sonderforschungsbereich gleich, es ist aber viel breiter aufgestellt.

„K2teach“ besteht aus fünf Teilprojekten. Worum geht es in den einzelnen Bereichen?

Terzer: Alle Projekte bauen aufeinander auf und ergänzen sich an vielen Stellen. Das erste Teilprojekt befasst sich mit datengestützter Unterrichtspraxis: Studierende lernen den Umgang mit wissenschaftlichen Studien und empirischen Daten und wie sie diese auf ihren Unterricht anwenden können, um begründet zu handeln und nicht allein aus dem Bauch heraus. Für die Studierenden ist es wichtig zu wissen, wie sie Lernvoraussetzungen der Schüler diagnostizieren, passend dazu Unterricht planen und dann beurteilen, wie erfolgreich diese Planung ist.

Nordmeier: Dieses theoretische Wissen auf eine reale Unterrichtssituation anzuwenden, darum geht es im nächsten Teilprojekt. Momentan sind wir dabei, Videos von Unterrichtssituationen zu erstellen. Dazu gehen wir auch direkt in die Schulen und filmen den Unterricht. Die Videos und zusätzliche Interviews mit Schülern und Lehrern sollen später Studierende darin schulen, typische – oder auch kritische – Lehr-Lern-Situationen wahrzunehmen und sich beispielsweise für eine geeignete Handlungsstrategie zu entscheiden. Das Erlernen dieser professionellen Wahrnehmung von Unterricht wurde in der Vergangenheit häufig vernachlässigt.

Es geht also darum, Theorie und Praxis miteinander zu verbinden?

Terzer: Die Verbindung von Theorie und Praxis ist ein wichtiges Ziel bei „K2teach“. Nachdem die Studierenden verschiedene Handlungsstrategien kennengelernt haben, können sie diese in Lehr-Lern-Laboren – Teilprojekt drei – selbst anwenden. Die Studierenden führen hier eine Unterrichtsstunde oder Teile davon selbst durch und sammeln so in der gewohnten Universitätsumgebung mit kleinen Schülergruppen ihre erste Praxiserfahrung. In den Naturwissenschaften werden die Schülerlabore seit mehreren Jahren bereits erfolgreich auch als Lehr-Lern-Labore genutzt. Ab dem kommenden Semester werden dann auch in den Fächern Englisch, Geschichte und Sachunterricht solche Labore eingerichtet.

Was bietet „K2teach“ noch?

Nordmeier: Etwas Besonderes entwickeln wir in Teilprojekt vier: Wir schaffen ein ganz neues Studienprogramm. Es zielt darauf ab, für die sogenannten Mangelfächer –  also Fächer, für die Lehrer fehlen, wie Informatik, Physik oder auch die romanischen Sprachen – Quereinsteiger innerhalb von vier Semestern als Lehrkräfte zu qualifizieren. Das können beispielsweise Absolventen eines nicht lehramtsbezogenen Bachelors in diesen Fächern sein. 

Das geht, weil die Fachausbildung viel intensiver stattgefunden hat, als es im Lehramts-Bachelor der Fall ist. Bisher konnten wir diese Interessenten im Lehramts-Bachelor nur rückeinstufen in ein frühes Semester, was natürlich viele abgeschreckt hat. In dem neuen Quereinstiegs-Master werden dann in etwas kompakterer Form intensiv die noch fehlenden Kenntnisse erworben, vor allem in einem zweiten Unterrichtsfach und den Berufswissenschaften, also Pädagogik und Didaktik.

Das Programm soll zum Wintersemester 2016/2017 starten. Jetzt sind wir gerade dabei, die Studien- und Prüfungsordnung zu verfassen, die diese Studienverläufe ermöglicht. Der neue Abschluss Master of Education wird dann auch von der Kultusministerkonferenz und somit in jedem Bundesland gleichermaßen anerkannt sein.

Terzer: Wir haben das Glück, dass wir das ganze Projekt durch ein Graduiertenprogramm begleiten können. Alle Maßnahmen werden evaluiert und auf ihre Wirksamkeit hin erforscht. Viele der Promovierenden kommen aus der Lehrkräftebildung, in der die für eine Promotion wichtigen Forschungsmethoden weniger thematisiert werden als in anderen Studiengängen. In einem Qualifizierungsprogramm – unserem fünften Teilprojekt – erhalten sie eine umfassende, interdisziplinär ausgerichtete Weiterqualifizierung und die Gelegenheit, sich national und international zu vernetzen.

Was sind die nächsten Schritte?

Nordmeier: Im Sommersemester starten Englisch, Geschichte und Sachunterricht mit ihren Lehr-Lern-Laboren. Außerdem werden mehrere Seminare zu evidenzbasierter Unterrichtspraxis in der Erziehungswissenschaft angeboten. Nach und nach entstehen zudem immer mehr Unterrichtsvideos in Biologie, Politischer Bildung und der Grundschulpädagogik, sodass wir bald ein umfangreiches Angebot verschiedener Situationen auf einer eigenen Plattform anbieten können. Und im Winter startet dann der neue Quereinstiegs-Master im Lehramt.

Terzer: Nachdem die verschiedenen Maßnahmen erprobt wurden, werden sie evaluiert, wenn nötig verbessert und durchlaufen eine weitere Runde. Gleichzeitig arbeiten wir daran, dass die einzelnen Formate in die reguläre Lehre integriert werden, um die Lehrerbildung weiter zu verbessern.

Die Fragen stellte Marina Kosmalla

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