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Wie Frauen gründen

Studie eines Verbundprojekts der Freien Universität Berlin und der Universität Siegen zur Lage von Gründerinnen in Ost- und Westdeutschland

07.01.2016

Gründen Frauen anders? Das war ein Thema des Verbundprojekts grOW.

Gründen Frauen anders? Das war ein Thema des Verbundprojekts grOW.
Bildquelle: Profund Innovation / Freie Universität

Die drei Veterinärmedizinerinnen Dr. Julia Rosendahl, Hannah Braun und Katharina Hille wurden für ihre Ausgründung "Performat GmbH" 2015 mit dem Gründerpreis der Berliner Sparkasse ausgezeichnet.

Die drei Veterinärmedizinerinnen Dr. Julia Rosendahl, Hannah Braun und Katharina Hille wurden für ihre Ausgründung "Performat GmbH" 2015 mit dem Gründerpreis der Berliner Sparkasse ausgezeichnet.
Bildquelle: Profund Innovation / Freie Universität

Das Team von „Keks d’Amour“: Sarah Girod, Eliza Girod, Mona Günnewig (v.l.n.r.).

Die drei Gründerinnen von „Keks d’Amour“, Sarah Girod, Eliza Girod, Mona Günnewig (v.l.n.r.), gewannen 2014 den Funpreneur-Wettbewerb für Studierende.
Bildquelle: Sabine Hellwig

Steffen Terberl leitet "profund", die Gründungsförderung der Freien Universität.

Steffen Terberl leitet profund, die Gründungsförderung der Freien Universität.
Bildquelle: Profund Innovation / Freie Universität

Im Rahmen des Verbundprojekts „groW – Frauen gründen (in) Ost und West“ der Freien Universität Berlin und der Universität Siegen ist ein Jahr lang die Lage von Gründerinnen in Ost- und Westdeutschland untersucht worden. Neben den Schwierigkeiten, die speziell Frauen beim Gründen von Unternehmen meistern müssen, ging es auch um die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland 25 Jahre nach der Wiedervereinigung. Nun liegen Handlungsempfehlungen vor. Ein Gespräch mit Steffen Terberl, Leiter der Gründungsförderung der Freien Universität Berlin Profund Innovation.

Herr Terberl, 25 Jahre nach der Wiedervereinigung ist eine neue Generation potenzieller Gründerinnen und Gründer herangewachsen – gibt es da noch Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland?

In den Köpfen sind die Unterschiede längst nicht mehr so stark. In den vielen Gesprächen im Verbundprojekt „GroW“ gab es kaum eine Ost-West-Diskussion. Dennoch gibt es nach wie vor Unterschiede: Beispielsweise ist das Startkapital bei Unternehmensgründungen in Ostdeutschland viel niedriger als in Westdeutschland. Das liegt daran, dass in den sogenannten neuen Bundesländern immer noch viel weniger Vermögen akkumuliert ist als in Westdeutschland. Die Gründungsmotive sind inzwischen ähnlich – allerdings wird in Ostdeutschland häufiger aus der Not heraus gegründet, weil der Arbeitsmarkt in manchen Regionen schlecht ist.

Wie sah das direkt nach dem Fall der Mauer aus?

Die Selbstständigenquote ist seit 1990 in den neuen Bundesländern überdurchschnittlich angestiegen. Da gab es einen klaren Aufholbedarf, denn zu DDR-Zeiten waren Gründungen wenig verbreitet. Die heutigen Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland sind aber nicht nur aus der Geschichte heraus zu erklären.

Viel wichtiger im Hinblick auf die Zahl und die Qualität der Gründungen ist, dass die Unterschiede zwischen ländlichen Regionen und Ballungsräumen so groß sind. In Städten, wo es Fördermöglichkeiten und Netzwerke gibt, wo Investoren sitzen und die Märkte besser sind, gibt es auch mehr Gründungen. Gerade die ostdeutschen Bundesländer sind aber ländlich geprägt.

Noch ein interessanter Befund unseres Projektes war: Die Schere zwischen den Gründungen zwischen Männern und Frauen in Ostdeutschland seit 1990 weiter aufgegangen – das hat Dr. René Leicht, Wissenschaftler am Mannheimer Institut für Mittelstandsforschung, in einer Studie herausgefunden, die er auf der Auftaktkonferenz vorgestellt hat. Kurz nach dem Fall der Mauer gab es zwar bereits mehr Gründungen durch Männer als durch Frauen, dieser Gendergap hat sich jedoch inzwischen verdoppelt und ist damit auch größer als in Westdeutschland.

Sind Frauen in Ostdeutschland also die Bevölkerungsgruppe, die am wenigsten oft gründet?

Ja, aber auch hier muss man zwischen ländlichen Regionen und Städten unterscheiden. In den Ballungsräumen ist die Differenz nicht so groß. Und eine weitere Erklärung für die vergleichsweise wenigen Frauengründung in den ländlicheren Gebieten könnte sein, dass Frauen in Ostdeutschland im Vergleich zu Männern gute Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt vorfinden und deshalb weniger oft aus Not gründen.

Was ist der größte Unterschied zwischen Gründerinnen und Gründern?

Frauen überschätzen sich nicht so oft wie Männer. Sie unterschätzen sich auch nicht, sie schätzen sich realistisch ein. Männer sind häufig ein wenig zu selbstbewusst, sie überschätzen sich eher. Das führt auch dazu, dass sie häufiger gründen und bereit sind, Risiken einzugehen, während Frauen oft erst einmal abwarten – und damit auch Chancen verstreichen lassen.

Womit machen Frauen sich selbstständig?

Die Geschäftsfelder korrelieren sehr stark mit der Ausbildung. In der Informatik ist es relativ gängig, ein Start-up zu gründen oder freiberuflich zu programmieren. In diesen Fächern gibt es aber nur einen sehr geringen Frauenanteil von zehn Prozent, deshalb gibt es in diesem Bereich auch nur wenige Frauengründungen. Aber auch in naturwissenschaftlichen Fächern mit hohem Frauenanteil wie Veterinärmedizin, Biologie oder Pharmazie gibt es wenig Gründungen von Absolventinnen – hier sind Geschäftsmodelle oftmals langwierig, man braucht einen langen Atem und das bedeutet offenbar große Gründungshürden für Frauen.

Aber es gibt zum Beispiel im Bereich Gesundheitswirtschaft viele Freiberuflerinnen wie Altenpflegerinnen und Hebammen oder in den kreativen Bereichen Design oder Kommunikation.

Das klingt nach vielen Ein-Frau-Betrieben.

Von Frauen gegründete Unternehmen sind im Durchschnitt kleiner als die von Männern. Aber – das zeigen Befragungen von Gründerinnen und Gründern – Frauen verfolgen oft auch andere Gründungsmotive als Männer. Sie wollen kein riesiges Unternehmen mit Gewinnmaximierung aufbauen, sondern stellen ihre Selbstverwirklichung in den Mittelpunkt.

Welche Themen haben die Gründerinnen in den Workshops des Projekts angesprochen?

Ein wichtiges Thema war die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hier war auch ein deutlicher Generationenunterschied in den Diskussionen spürbar. Für gestandene Gründerinnen der ersten Generation war die Frauenrolle noch eine ganz andere. Junge Frauen heute sind selbstbewusster und beziehen auch ihre Männer stärker ein, um eine Gründung mit der Kinderbetreuung vereinbaren zu können. Familie wird als gemeinsames Projekt gesehen, das gleichermaßen Verpflichtungen für Männer und Frauen bedeutet.

Ein weiteres wichtiges Thema war die Vernetzung. Auch das sehen die verschiedenen Gründerinnen-Generationen jeweils anders: Für die Älteren war und ist es wichtiger, sich mit anderen Unternehmerinnen zu vernetzen, die Jüngeren wollen in ihrer Branche stärker Kontakte knüpfen.

Ziel des Projektes war es, Handlungsempfehlungen zu geben. Welche Anregungen haben Sie für die Gründungsförderung der Freien Universität Berlin, Profund Innovation, gewonnen?

Wir haben bei den Workshops festgestellt, dass es für Frauen wichtig ist, sich früh auszuprobieren und dadurch Selbstbewusstsein zu gewinnen. Solche sogenannten handlungsorientierten Qualifizierungsformate sind zum Beispiel der Funpreneur-Wettbewerb, den die Freie Universität ausrichtet und der sich an Studierende richtet. Hier beteiligen sich auch viele Studentinnen.

Wir versuchen außerdem, Mentorinnen zu gewinnen, wobei das in manchen Branchen schwierig ist, weil noch immer weniger Frauen vertreten sind. Außerdem arbeiten wir mit Beraterinnen zusammen und sorgen dafür, dass in unseren Kommunikationsmedien Gründer und Gründerinnen abgebildet werden. Es geht darum, Bilder im Kopf zu verändern, das war auch ein Fazit unseres Forschungs-Praxis-Dialogs.

Inwiefern?

In einem Teilprojekt haben wir die Berichterstattung in den Medien analysiert und die Rollenmuster, die dort verbreitet werden. Ein Ergebnis war, dass die Berichte über Unternehmensgründungen von Frauen immer noch stark die Rolle als Frau oder das Thema Kinder in den Mittelpunkt stellen – Familie und vor allem Kinderbetreuung spielen in den „Gründungsgeschichten“ über Männer hingegen gar keine Rolle. Die Berichterstattung in den Medien zeigt: Es wird noch immer nicht für selbstverständlich gehalten, dass Frauen Unternehmen gründen.

Wie könnte man Frauen zu mehr Gründergeist ermutigen?

Wir sollten die Idee möglichst früh an potenzielle Gründerinnen herantragen. Spätestens in der Schule werden Berufswünsche und Rollenbilder geprägt. Hier sollte man ansetzen, Entrepreneurship vermitteln und die Perspektive der Selbstständigkeit bereits für Schülerinnen aufzeigen.

Die Fragen stellte Nina Diezemann

Weitere Informationen

grOW! - Frauen gründen (in) Ost und West

Im Rahmen des vom BMBF geförderten Verbundprojekts der Freien Universität Berlin und der Universität Siegen wurden 2015 ein Jahr lang Erfolgsfaktoren und Herausforderungen von Unternehmensgründungen in Ost- und Westdeutschland untersucht.

Eindrücke von der Abschlusskonferenz sind in einem Film festgehalten. Ergebnisse des Projektes finden sich in der Abschlussdokumentation.

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