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Ist der Euro schon gerettet?

Am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität diskutierten die Ökonomen Marcel Fratzscher und Kai Konrad mit Studierenden und Dozenten über die Zukunft der Eurozone

05.03.2014

Der Euro und das Krisenmanagement der Europäischen Zentralbank waren Thema bei der „Vorlesungsreihe zur Wirtschaftspolitik“.

Der Euro und das Krisenmanagement der Europäischen Zentralbank waren Thema bei der „Vorlesungsreihe zur Wirtschaftspolitik“.
Bildquelle: morguefile/imelenchon www.morguefile.com/archive/display/133001

Professor Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und Befürworter der unkonventionellen Geldpolitik, ...

Professor Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und Befürworter der unkonventionellen Geldpolitik, ...
Bildquelle: Frederic Schweizer

...und deren Kritiker: Professor Kai Konrad, Direktor des Max-Planck-Instituts für Steuerrecht und öffentliche Finanzen.

...und deren Kritiker: Professor Kai Konrad, Direktor des Max-Planck-Instituts für Steuerrecht und öffentliche Finanzen.
Bildquelle: Frederic Schweizer

Sollte die Europäische Zentralbank Länder mit Schuldenproblemen unterstützen oder allein dem Ziel der Preisstabilität treu bleiben? Wie sollte der laufende Prozess zur Schaffung einer krisenfesten Währungsunion gesteuert werden? Fragen wie diese haben zwei der renommiertesten Wirtschaftswissenschaftler Deutschlands an der Freien Universität kontrovers diskutiert: Professor Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, und Professor Kai Konrad, Direktor des Max-Planck-Instituts für Steuerrecht und öffentliche Finanzen, waren Gastreferenten in der „Vorlesungsreihe zur Wirtschaftspolitik“ am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft.

Beide Wissenschaftler gehören zu den Sachverständigen, die das Bundesverfassungsgericht zu seiner Entscheidung über die Rettungspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) gehört hat. Sie beziehen unterschiedliche Positionen, wenn es darum geht, das Krisenmanagement zu bewerten, mit der die EZB die Krise zu regulieren versucht: Marcel Fratzscher ist ein Befürworter der unkonventionellen Geldpolitik, Kai Konrad hingegen gilt als einer ihrer bekanntesten Kritiker.

Zwei Wissenschaftler – zwei unterschiedliche Positionen

Vor dem Hintergrund der fortwährenden Finanz-, Staatsschulden- und Wirtschaftskrise diskutierten beide Experten gemeinsam mit ihrem Publikum, zu dem neben den zahlreichen Studierenden und Wissenschaftlern des Fachbereichs auch interessierte Gäste aus der Öffentlichkeit zählten. Moderiert wurde die Veranstaltung von Matthias Benz, Wirtschaftskorrespondent der Neuen Zürcher Zeitung in Berlin.

Marcel Fratzscher argumentierte, dass in den meisten Krisenländern der Eurozone der wirtschaftliche Tiefpunkt bereits erreicht und von nun an eine Erholung des realen Bruttoinlandsproduktes zu erwarten sei. Vorangetrieben werde diese positive Entwicklung, so Fratzscher, zum einen von den Fortschritten bei der Umsetzung struktureller Reformen innerhalb der Staaten. Zum anderen sei die stetige Anpassung der Wettbewerbsfähigkeit und der Leistungsbilanzdefizite von Bedeutung. In beiden Punkten habe die unkonventionelle Geldpolitik der EZB entscheidend mitgewirkt und damit zur wirtschaftlichen Erholung der Krisenländer beigetragen.

Wohin führt die unkonventionelle Geldpolitik der EZB?

Kai Konrad hingegen bezweifelte die positiven Wachstumsprognosen in den Krisenländern und warnte vor den langfristigen Folgen der derzeitigen EZB-Geldpolitik – vor allem vor einem Übergang zu einer monetären Staatenschuldenfinanzierung und somit zu einer Haftungsunion.

Als mögliche Folgen führte Konrad den fehlenden Reformdruck für Mitgliedstaaten der Eurozone, falsche Anreize für die Staatsverschuldung und eine Verlagerung der Kosten der Kreditwürdigkeit auf die Gemeinschaft an. Ein zweiter Maastricht-Vertrag als Instrument zur langfristigen Steuerung der Staatsfinanzen in der Eurozone sei ebenso unglaubwürdig wie es der erste gewesen sei.

Die Euroländer stehen weiterhin vor großen Herausforderungen – darin waren sich beide Experten einig. Mit höchster Priorität bewältigt werden müssten laut Fratzscher vor allem die Beeinträchtigung des geldpolitischen Transmissionsmechanismus in den Krisenländern, die starke Fragmentierung der Finanzmärkte, die hohe Staatsverschuldung sowie das Risiko der Deflation. Fratzscher sprach sich zudem für eine noch stärkere politische Vertiefung der EU aus.

Drei mögliche Szenarien

Für die Entwicklung der Eurozone entwarf Konrad drei konträre Szenarien. Erstens: Halte die EZB an ihrer unkonventionellen Geldpolitik fest, führe dies zwangsläufig zu einer Ausweitung der öffentlichen Schuldenlast, diese wiederum erfordere dann eine weitere Umverteilung liquider Mittel. Zweitens: Anwachsender politischer Widerstand gegenüber der Krisenpolitik der EZB innerhalb der Mitgliedsstaaten der Eurozone könne zu einem allgemeinen Euro-Skeptizismus und somit zu einem Auseinanderdriften der Eurozone führen. Das dritte mögliche Szenario bezeichnete Konrad als „Wunder“: Die Eurozone begibt sich auf einen erfolgreichen Wachstumspfad.

Die verschiedenen Positionen und Prognosen wurden nicht nur zwischen beiden Rednern, sondern auch zwischen Podium und Publikum kontrovers diskutiert. Die Veranstaltung verdeutlichte eindrucksvoll, wie sehr das Thema die Wissenschaft ebenso wie Bürgerinnen und Bürger Europas in der Zukunft weiterhin beschäftigen wird.