Ehrung im Botanischen Garten für preußischen Wissenschaftspolitiker
Am 19. Februar vor 175 Jahren wurde Friedrich Althoff geboren: Er etablierte Dahlem als Forschungsstandort ersten Ranges
19.02.2014
Anlässlich des 175. Geburtstages des preußischen Wissenschaftspolitikers Friedrich Althoff versammelten sich Forscher und Lokalpolitiker an dessen Grab im Botanischen Garten der Freien Universität. Der Direktor des Botanischen Gartens und Botanischen Museums der Freien Universität, Professor Thomas Borsch, der Bezirksbürgermeister von Steglitz-Zehlendorf, Norbert Kopp, der Bürgermeister von Althoffs Geburtsstadt Dinslaken, Dr. Michael Heidinger, und weitere Wissenschaftler würdigten bei der Zeremonie und einer Gesprächsrunde den bedeutenden Gestalter des Bildungs- und Hochschulwesens im deutschen Kaiserreich. Der Dinslakener Bürgermeister Heidinger nahm den Jahrestag zum Anlass, einen Stein am Grab anbringen zu lassen, um des Sohnes der Stadt zu gedenken.
Obwohl er nie ein politisches Amt bekleidete, galt Friedrich Althoff als Preußens heimlicher Kultusminister. Der Jurist Althoff, 1839 in Dinslaken am Niederrhein geboren, wurde 1882 nach Berlin berufen. Er wirkte 25 Jahre lang unter fünf Ministern, und sein Ressort war umfassend: Er war zuständig für die gesamte Hochschullandschaft, die außeruniversitären Forschungseinrichtungen, das höhere Schulwesen, Kunst- und Denkmalpflege, Bibliotheken und das Medizinwesen. Bei Kaiser Wilhelm II. hatte er ein direktes Vortragsrecht.
Althoff wirkte entscheidend daran mit, dass die Wissenschaft im deutschen Kaiserreich weltweite Strahlkraft entfaltete und Berlin-Dahlem heute in Deutschland und im internationalen Vergleich zu einem der bedeutendsten Wissenschaftsstandorte zählt.
Nach der deutschen Reichsgründung 1871 avancierte das Agrarland innerhalb von 30 Jahren zur zweitgrößten Industrienation. Bildung und Wissenschaft wurden als Produktionsfaktor entdeckt und Naturwissenschaft und Technik entscheidend gefördert. Um die Wende zum 20. Jahrhundert war Deutschland, allen voran Preußen, Weltzentrum der Wissenschaft, unangefochten in vielen Naturwissenschaften, in denen Deutsch über Ländergrenzen hinweg wissenschaftliche Verkehrssprache war.
Für das staatliche Domänengelände Dahlem hatte Althoff weitreichende Pläne: Es sollte zu einem „deutschen Oxford“ werden. Althoff schuf die Grundlage für das bis heute typische Gemisch von Villen und Wissenschaft in Dahlem. Nach seinen Plänen wurden 1911 in Dahlem die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft – Vorgängerin der Max-Planck-Gesellschaft – und drei ihrer ersten Institute gegründet.
Als um die Wende zum 20. Jahrhundert für Preußens berühmtestes Krankenhaus, das Universitätsklinikum Charité, umfangreiche Um- und Neubauten anstanden, wurden Althoff die veranschlagten Mittel von rund zehn Millionen Reichsmark vom Finanzministerium verweigert. Die Lösung fand Althoff mit der Verlegung des Botanischen Gartens von Schöneberg nach Dahlem. Das Grundstück des in das 17. Jahrhundert zurückreichenden Botanischen Gartens war ohnehin zu klein geworden.
Von den 15 Millionen Reichsmark Erlös aus dem Verkauf des innerstädtischen Geländes wurde die Charité umgebaut und erweitert. Das Geld bildete außerdem den Grundstock, um den Königlichen Botanischen Garten und das Botanische Museum auf dem Domänengelände neu anzulegen und als wissenschaftliches Zentrum auszubauen.
Angrenzend an den Botanischen Garten wurde zudem ein Pharmazeutisches Institut aufgebaut. Althoff berief Adolf Engler 1889 als Professor an die Berliner Universität und ernannte ihn zum Direktor des Botanischen Gartens und Museums. Den Kustos Ignatz Urban bestimmte er zum Unterdirektor und dauerhaften Stellvertreter.
„Engler und Urban prägten mit ihren wissenschaftlichen Arbeiten und ihrer internationalen Vernetzung maßgeblich den bis heute gültigen Stellenwert des Botanischen Gartens und Botanischen Museums in der wissenschaftlichen Welt“, sagte Thomas Borsch, Direktor des Botanischen Gartens und Botanischen Museums der Freien Universität. Bei der Gedenkrunde erinnerte er daran, dass Althoff die Verlegung des Botanischen Gartens „als Nukleus für sein Dahlem-Projekt“ genutzt habe und der Standortwechsel von herausragender Bedeutung für die Weiterentwicklung zum heute führenden wissenschaftlichen Zentrum zur Erforschung der globalen Pflanzenvielfalt gewesen sei.
Dr. Michael Heidinger, Bürgermeister der Stadt Dinslaken, konstatierte, dass Althoff, „zu Lebzeiten bekannt wie ein bunter Hund“, „gleichermaßen anerkannt wie gefürchtet“, heute im öffentlichen Bewusstsein weitgehend vergessen sei. Um dazu beizutragen, Althoffs Verdienste wieder stärker in die öffentliche Wahrnehmung zu rücken, hat sich Dinslaken 2014 den Beinamen „Althoff-Stadt“ gegeben und wird eine Reihe von Veranstaltungen ausrichten. Der Bezirksbürgermeister von Steglitz-Zehlendorf, Norbert Kopp, betonte, dass „notwendige Voraussetzung für die Bewertung der Gegenwart und Gestaltung der Zukunft“ die bewusste Auseinandersetzung mit der Geschichte und ihren Personen sei – und damit auch der Bedeutung Friedrich Althoffs für den Berliner Wissenschaftsstandort.
Der neue Gedenkstein vom Niederrhein ist „dem bedeutenden Sohn der Stadt Dinslaken“ in „ehrendem Gedenken“ gewidmet. Auf Friedrich Althoffs Wunsch liegt die Grabstätte der Eheleute Althoff auf dem Gelände des Botanischen Gartens, der heute zur Freien Universität gehört. Den Grabstein zieren die drei letzten Wörter eines seiner Leitsprüche: „In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas“ – Im Notwendigen Einheit, im Zweifel Freiheit, in allem Liebe.