Klassik unter Palmen
Im Botanischen Garten der Freien Universität erklingen an den nächsten drei Sonnabenden Palmensinfonien
14.02.2014
Die Gewächshäuser im abendlichen Botanischen Garten gleichen riesigen, gelandeten Raumschiffen. Die stählernen Konstruktionen mit ihren unzähligen beleuchteten Fenstern und tropischem Inhalt ziehen Besucherinnen und Besucher in ihren Bann. Zu einer Tageszeit, zu der normalerweise dieser Pflanzenschatz nicht besucht werden kann, öffnet der Botanische Garten die Pforten zu einem außergewöhnlichen Ereignis: Auch in diesem Jahr finden wieder die Palmensinfonien statt, die die festlich illuminierten Gewächshäuser in einen einzigartigen Konzertort für klassische Musik verwandeln. Am vergangenen Sonnabend war der Auftakt.
Im dreischiffigen Mittelmeergewächshaus begrüßt Katharina Hanstedt mit ihrem Harfenspiel die aus dem Berliner Winter kommenden Zuhörer. In der frühlingshaften Pflanzenvielfalt des Mittelmeerraums und der Kanarischen Inseln entsteht durch blühenden Rosmarin, Lavendel und Kanarienglocke ein besonders stimmungsvoller Ort. Wie unkonventionell diese Konzertbühne ist, wird deutlich, als nach den verklingenden Harfentönen einer Serenade eine Amsel einsetzt und das Konzert tirilierend fortführt.
Inmitten des Orchideengewächshauses sitzt Gitarrist Marco Raic auf einer schmiedeeisernen Bank. Er spielt das „Rondo Brillante" von Dionisio Aguado.
Zwei Marimbaphone, gespielt von Lukas Böhm und Ni Fan als „Doublebeats", bringen im feucht-warmen Bromeliengewächshaus die tropischen Pflanzen rhythmisch zum Schwingen. In den Spielpausen übernehmen die tropischen Pfeiffrösche die grüne Bühne, balzen um die Wette und verzaubern die menschlichen Ohren ebenso wie zuvor die Marimba.
Im Kakteenhaus erklingen Akkordeon und Cello von der Galerie. Mathias de Oliveira Pinto und Christine Paté interpretieren passende Werke inmitten der Wüstenvegetation. Maurice Ravels „Habanera", Hector Villa-Lobos „Bachianas Brasilieiras" oder Astor Piazollas Tango „Adios Nonino" wirken nirgendwo lebendiger.
Musik unter 26 Meter hoher Glaskuppel
Das Große Tropenhaus umspannt mit seiner 26,5 Meter hohen Glaskuppel die tropische Pflanzenwelt Amerikas, Afrikas, Asiens und Ozeaniens. Vier Hörner füllen die Luft zwischen Palmenwedeln, Riesenbambus und Lianen beispielsweise mit Franz Strauss' „Oberbaierische Gebirgsweise" und fügen sich gekonnt in diese Szenerie ein. Als die vier Musiker von „Cornissimo" ihre Notenständer wegtragen, ruft das Publikum „Zugabe“ hinterher. Doch das Quartett spielt nur von einem neuen Standort weiter. Dadurch ergibt sich eine ganz andere Klangperspektive, und die Zuhörer werden nun durch den Regenwald gelockt, auf der Suche nach den Musikern zwischen Farnen, Orchideen und Helikonien. Als dann wirklich die letzten Töne ausklingen, rufen die Zuhörer begeistert „Bravo“, „sehr schön“ und „danke!“.
Doch weit mehr als fünf Bühnen werden an diesem Abend bespielt. Weitere Stars treten beispielsweise im Kamelienhaus auf, wo die Blüte der immergrünen Bäume aus Ostasien ihrem Höhepunkt entgegenwächst. Rote, rosa und weiße Blüten, gepunktet, gesprenkelt, gestreift, gefüllt oder ungefüllt begeistern die Besucher. Gelber Winterjasmin, pralle Orangen, knallige Azaleen und chinesische Fiederprimeln schenken ostasiatische Frühlingsgefühle.
Musik und Pflanzenpracht im Zusammenspiel
Seit 1998 leitet Sabine Wüsthoff die Palmensinfonien künstlerisch, das Konzept hat sie über die Jahre weiterentwickelt: „Die Akustik in den Gewächshäusern ist traumhaft, es ist der schönste Konzertort.“ Wenn auch nicht unproblematisch: „Im Großen Tropenhaus ist es viel zu feucht, hier können keine Streicher oder Holzbläser spielen, denn das Holz quillt auf. Für die menschliche Stimme und Blechbläser ist es dagegen wunderbar“, weiß die Musikerin aus eigener Erfahrung. Am 22. Februar und 1. März 2014 wird sie selbst mit ihrem Chor „Canto Berlin" im Großen Tropenhaus singen. Im feuchten Farngewächshaus dagegen funktionieren nur Schlagzeug und Percussion.
Wüsthoff freut sich über die Synästhesie, die aus der Musik, den optischen und Geruchsreizen in den Gewächshäusern entsteht und von Konzerthörern und Musikern über die Jahre immer mehr zelebriert und geschätzt wird. Während der Palmensinfonien im Botanischen Garten lässt sich dem Winter für einige Stunden der Rücken kehren. Doch die Konzerte bieten nicht nur ein einzigartiges, unvergessliches musikalisches Erlebnis inmitten bezaubernder pflanzlicher Vielfalt. Im Konzertpreis inklusive ist der Tageseintritt in den Botanischen Garten und das Botanische Museum. So lässt sich der Konzertabend bereits um 9 Uhr früh beginnen mit einem ausgiebigen Spaziergang durch die Pflanzenwelt des winterlichen Botanischen Gartens, die Gewächshäuser und die Dauer- und Sonderausstellungen im Botanischen Museum. Besonders empfohlen sei der Besuch der Sonderausstellung „Kaffee. Ein globaler Erfolg“, die nur noch bis zum 23. Februar 2014 im Botanischen Museum zu sehen ist.
Weitere Informationen
Palmensinfonien im Botanischen Garten BerlinZeit und Ort
Karten 15 €, erm. 10 € (jeweils inkl. Garteneintritt). |