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Berlin – der gefährlichste Ort der Welt

Festvortrag zu Ehren John F. Kennedys an der Freien Universität

28.06.2013

Der Botschafter der Vereinigten Staaten, Philip D. Murphy, hat ein Grußwort gesprochen.

Der Botschafter der Vereinigten Staaten, Philip D. Murphy, hat ein Grußwort gesprochen.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Den Festvortrag hielt der ehemalige Wall-Street-Journal-Korrespondent und Buchautor Frederick Kempe.

Den Festvortrag hielt der ehemalige Wall-Street-Journal-Korrespondent und Buchautor Frederick Kempe.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Vor fünfzig Jahren hat der amerikanische Präsident John F. Kennedy in Berlin zwei richtungsweisende Reden gehalten – erst vor dem Schöneberger Rathaus, dann vor dem Henry-Ford-Bau der Freien Universität Berlin. Die erste Rede hat mit den berühmten Zeilen „Ich bin ein Berliner“ Geschichte geschrieben. Die zweite war ruhiger, analytischer und deshalb viel programmatischer – ein Plädoyer für Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit und ein Zeichen gen Moskau, dass West-Berlin und die Bundesrepublik unter dem Schutz der Vereinigten Staaten stünden und eine deutsche Vereinigung in Zukunft denkbar sei. Um diese denkwürdige Rede zu würdigen, hatte die Freie Universität zu einer Jubiläumsveranstaltung geladen.

Den Festvortrag hielt der ehemalige Wall-Street-Journal-Korrespondent und Buchautor Frederick Kempe. Unter den Gästen waren der Botschafter der Vereinigten Staaten, Philip D. Murphy, der Präsident der Freien Universität, Professor Peter-André Alt, und viele Zeitzeugen, die John F. Kennedys Auftritt 1963 persönlich miterlebten.

Kennedy war als erster amerikanischer Präsident nach dem Abkommen von Potsdam nach Deutschland gereist. Sein Tag in West-Berlin, bei dem er erst am Schöneberger Rathaus und dann an der Freien Universität Reden hielt, sollte die Entspannungspolitik zwischen den Alliierten und der Sowjetunion einleiten – und das persönliche Verhältnis zwischen dem Präsidenten und Deutschland grundlegend verändern. Der Amerikaner traf auf eine demokratiehungrige Stadt; auf ein West-Berlin, das sich nach Schutz und Anerkennung sehnte.

Kennedy zeigte sich überrascht: Seine anfängliche Skepsis gegenüber den Deutschen änderte sich auch aufgrund der unerwartet euphorischen Reaktionen, mit denen die Studierenden der Freien Universität den jungen, eloquenten und weltoffenen Präsidenten empfingen. Daran erinnerte Frederick Kempes Festvortrag im Henry-Ford-Bau der Freien Universität, zu dem zahlreiche Zeitzeugen erschienen waren.

„Ein starkes Zeichen gen Moskau“

„Ein Fehltritt der USA oder der UdSSR in Berlin hätte einen Atomkrieg ausgelöst“, sagte Kempe, der ehemalige Europa-Korrespondent des Wall Street Journal. In seinem Vortrag, der auf seinem New-York-Times-Bestseller-Buch „Berlin 1961: Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt“ basierte, unterstrich der Deutschland-Experte, dass sich Kennedy in seinen beiden Berliner Reden zum ersten Mal der Weltöffentlichkeit als starker und mutiger Präsident zeigte.

„Den Bau der Mauer zwei Jahre zuvor hat er noch akzeptiert, weil er dachte, dadurch einen verlässlichen Partner in der Sowjetunion zu finden. Dann stellte sich heraus: Dieser verlässliche Partner war die Sowjetunion nicht.“

Die Rede an der Freien Universität, in der Kennedy in Anspielung auf die drei Begriffe im Siegel der Universität Freiheit, Gerechtigkeit und Wahrheit sprach, sollte also ein starkes Zeichen gen Moskau sein, dass ein freies Berlin im Interesse der Vereinigten Staaten liege und die USA dieses Interesse mit allen Mitteln verteidigen würden.

Trotz der sich später  einstellenden Entspannungspolitik zwischen Ost und West sei dieses Zeichen enorm wichtig gewesen, um zwischen den Mächten Verhandlungsgrundlage zu schaffen, die ihre Ebenbürtigkeit unterstrich. West-Berlin sollte frei bleiben, unter der Obhut der Amerikaner.

„Es war eine Declaration of Interdependence“, also eine Erklärung der engen Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA. „Kennedy machte damit klar, dass West-Berlin ein Ort war, den die Amerikaner verteidigen würden.“

Frederick Kempe betonte, dass sich John F. Kennedy mit diesem Aufruf zur transatlantischen Zusammenarbeit als ein Politiker mit einer visionären Agenda bewies. „Viele seiner Worte könnten heute aus dem Mund seines Nachfolgers im Amt Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel kommen.“ Der amerikanische Journalist äußerte den Wunsch, dass heute wieder mehr Menschen dem Aufruf von Kennedy folgten. „Amerika hat eine alte Verfassung, die Deutschen haben eine junge. Wir sind ein junges Land, ihr seid ein altes. Wir brauchen einander.“

Kennedy als Vorbild

Man sah den Reaktionen im Publikum an, dass Kennedy immer noch die Menschen bewegt. US-Botschafter Philip Murphy nannte Kennedy sein Vorbild – und Professor Peter-André Alt, Präsident der Freien Universität Berlin, würdigte den Politiker als Begründer der deutschen Entspannungspolitik. Auch die Amerika-Expertin Professor Lora Anne Viola vom John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität bekräftigte die Wirkungskraft des Präsidenten: „Mit seiner Rede hat John F. Kennedy die Menschen begeistert und sie von seiner Glaubwürdigkeit überzeugt. Reden können also doch etwas bewirken.“

Auch die vielen Zeitzeugen verwiesen auf die enorme Kraft, die von der Ansprache des Präsidenten an der Freien Universität ausgegangen sei. Eva Quistorp war Studentin der evangelischen Theologie, der Germanistik und Politischen Wissenschaft an der Freien Universität, als Kennedy nach Berlin kam.

Sie hat ihn vor dem Henry-Ford-Bau gesehen und sich von den Worten nachhaltig inspirieren lassen. „Das waren ganz schwierige Zeiten. Heute kann man leicht spekulieren, was richtig oder falsch war. Aber damals wusste ja niemand, wie sich die Geschichte Europas entwickeln würde.“ Kennedys Besuch empfand sie als Befreiungsschlag. Endlich kam jemand nach West-Berlin, der eindeutig zeigte: Die Bewohner sind nicht allein.