Schüler zu Fairplayern machen
Ein an der Freien Universität entwickeltes Antimobbing-Programm startet bundesweit
14.11.2011
Als Fairplayer ausgezeichnet: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich und Bahn-Vorstandsvorsitzender Rüdiger Grube erhielten von einer Schülerin der Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Schule ein T-Shirt mit Unterschriften der Fairplayer-Schüler.
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DB-Chef Rüdiger Grube (Mitte) und Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (rechts, daneben Moderator Malte Janssen) ließen sich von Schülern erklären, wie das Antimobbing-Programm funktioniert.
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Schüler und Lehrer der Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Schule waren beim bundesweiten Start des "fairplayer.manual" dabei.
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Setzen sich gemeinsam für starke Kinder und Jugendliche ein: Bahn-Chef Rüdiger Grube und Entwicklungspsychologe Prof. Dr. Herbert Scheithauer von der Freien Universität Berlin.
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Ein Fairplayer werden: In Rollenspielen lernen die Schüler, sich in die Rollen von Opfern, Tätern, Zuschauern und Mitläufern zu versetzen.
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Für Wiktoria glich der Schulalltag einem Spießrutenlauf. Weil sie aus Polen kommt, war die Neuntklässlerin lange Zeit Opfer von Mobbing. Das war einmal. „Mittlerweile ist das Schulklima viel besser – und wenn andere geärgert werden, schreite ich ein“, sagt die Schülerin des Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Gymnasiums in Berlin-Prenzlauer Berg. Ihre Schule gehört zu den ersten, an denen das Antimobbing-Programm „fairplayer.manual“ erprobt wurde. Entwickelt haben es Wissenschaftler der Freien Universität Berlin. Zum bundesweiten Start des Programms kamen auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich und der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn, Rüdiger Grube, an die Schule.
„Heute macht jeder zehnte Schüler mindestens ein Mal pro Woche Mobbing-Erfahrungen, als Täter oder Opfer“, sagt Professor Herbert Scheithauer von der Freien Universität Berlin. An seinem Arbeitsbereich „Entwicklungswissenschaft und Angewandte Entwicklungspsychologie“ wurde das „fairplayer.manual“ entwickelt, ein Programm, das erwiesenermaßen dabei hilft, Gewalt und Angst im Schulalltag vorzubeugen. „Es fördert soziale Kompetenzen und vermittelt den Schülern moralische Sensibilität, also ein Gefühl für Grenzen und Moral“, sagt Scheithauer.
Bei der Durchführung des Programms an der fairplayer-Modellschule, dem Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Gymnasium, lernten Schülerinnen und Schüler der 7. bis 9. Klassen unter anderem in Rollenspielen, sich in die Mobbing-Beteiligten hineinzuversetzen. „Vor dem Programm wusste ich gar nicht, dass es neben Tätern und Opfern auch die Rolle der Mitläufer gibt“, sagte einer der Schüler. Über mehrere Monate stand das „fairplayer.manual“ auf dem regulären Stundenplan: Die Klassen thematisierten die verschiedenen Formen von Gewalt und lernten dabei, Gefühle anderer zu erkennen. Angeleitet wurden sie dabei von speziell geschulten Sozialarbeitern und Schulpsychologen – mit Erfolg: „Heute können die Schüler ihr Verhalten besser einschätzen, und die Klassengemeinschaft ist ganz klar gestärkt“, sagt die Lehrerin Ute Nettelmann-Fahlenbrach.
Unterstützen „fairplayer“: Innenminister Friedrich und DB-Vorstandsvorsitzender Grube
Beim bundesweiten Start des Programms präsentierten Schüler das Projekt vor Hans-Peter Friedrich, Bundesinnenminister und Kuratoriumspräsident der Stiftung „Deutsches Forum für Kriminalprävention“ (DFK), und Rüdiger Grube, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn. Das Unternehmen unterstützt die Umsetzung des Programms mit einem siebenstelligen Betrag. Grube ging auf die Jugendlichen ein, berichtete von Gewalt und Mobbing, wie er es an der Hauptschule selbst erlebt hatte, und spannte den Bogen zu seinem heutigen Tätigkeitsfeld: „Die Deutsche Bahn transportiert jeden Tag 7,5 Millionen Menschen. Eines unserer Leistungsversprechen ist Sicherheit.“ Durch das „fairplayer.manual“ werde soziales Engagement gelehrt und den Schülern Hilfe zur Selbsthilfe geboten.
Als Investition in den gesellschaftlichen Zusammenhalt sieht auch Innenminister Friedrich das Programm, für dessen Entwicklung und wissenschaftliche Begleitung er Professor Herbert Scheithauer dankte. „Das Projekt hat einen sehr breiten Ansatz, es greift nicht nur bei Einzelfällen oder speziellen Problemen“, sagte Friedrich. Zwar sei Ausgrenzung kein neues Phänomen, aber angesichts des demografischen Wandels sei es heute wichtiger denn je, dass kein einziger junger Mensch während der Schulzeit auf der Strecke bleibe.
Wissenschaftlich betreutes Projekt
Herbert Scheithauer betonte, dass das „fairplayer.manual“ „kein Zündfeuerchen“ sei, sondern eine Maßnahme, die dank starker Partner nun bundesweit und langfristig an den Start gehen könne. „‘fairplayer‘ unterscheidet von der Vielzahl anderer Programme, dass es gut evaluiert ist.“ Scheithauer und sein Team begleiteten die Entwicklung des Programms: Vor dem Training mit dem „fairplayer.manual“ und zu verschiedenen Zeitpunkten danach befragten sie in mehreren Studien Schüler und Lehrer. Diese gaben an, dass sich die Situation durch das Antigewalt-Training deutlich verbessert habe.
„Wichtig bei ‚fairplayer‘ ist das Gruppenumfeld, in dem der richtige Umgang miteinander vermittelt wird. Bei der Arbeit nur mit einzelnen Schülern ließe sich dieser Erfolg nicht erzielen, denn Mobbing entsteht in der Gruppe und muss auch dort bearbeitet werden“, sagte Scheithauer. Für das bundesweite Projekt können sich Multiplikatoren wie Lehrer, Schulsozialarbeiter oder Schulpsychologen ausbilden lassen, um die Inhalte an ihren Schulen umzusetzen.
Weitere Informationen
Mitmachen und Fairplayer werden
Wer sich für das "fairplayer.manual" interessiert, schreibe eine E-Mail an fairplayer@zedat.fu-berlin.de.