„Verständigung beruht auf Verständnis“
Forschungszentrum zur Geistesgeschichte der islamischen Welt an der Freien Universität eröffnet / Festakt im Museum für Islamische Kunst
14.09.2011
Respekt für andere Glaubensrichtungen und interreligiöser Austausch sind nicht allein Errungenschaften der Aufklärung und der Moderne. Ein neu gegründetes Forschungszentrum der Freien Universität Berlin zur Geistesgeschichte der islamischen Welt untersucht, in welcher Form gelehrte Muslime, Christen und Juden in der islamischen Welt schon seit dem Mittelalter in regem intellektuellem Austausch standen. Im Rahmen eines Festakts im Museum für Islamische Kunst im Pergamonmuseum stellte Professorin Sabine Schmidtke Forscherteam und Forschungsthema der „Research Unit Intellectual History of the Islamicate World“ vor.
„Verständigung beruht auf Verständnis“, sagte der Präsident der Freien Universität Berlin, Professor Peter-André Alt, in seinem Grußwort vor den zahlreich erschienenen Festgästen. Das wiederum entstehe durch das Wissen, das aus der Kenntnis der Geschichte erwachse. Eine neue fundierte Bewertung der Ideengeschichte des Islam und Erkenntnisse über die Möglichkeiten eines gedeihlich-friedvollen Zusammenlebens der Religionen seien „wesentlich für die künftige Gestaltung der globalisierten Welt“.
Die Leiterin des Forschungszentrums Sabine Schmidtke, Professorin für Islamwissenschaft an der Freien Universität, beschrieb die enge Symbiose muslimischen, jüdischen und christlichen Denkens in der islamischen Welt seit dem Mittelalter. Professorin Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung, unterstrich anlässlich der Eröffnung die wichtigen Impulse für eine rationale Wahrnehmung des Islam, die das Forschungszentrum setze: „Wir brauchen ein umfassendes Bild der Geistesgeschichte des Islam vom Mittelalter bis zur Neuzeit für sein Selbstverständnis, seine Wahrnehmung in der westlichen Welt, und um das Miteinander besser gestalten zu können.“
Ein Festakt in würdiger Atmosphäre
Der Mschatta-Saal im Museum für Islamische Kunst im Pergamonmuseum bot einen würdigen Rahmen für die feierliche Eröffnung des Forschungszentrums. Hier befindet sich die kunstvoll verzierte Fassade eines Wüstenpalastes aus dem achten Jahrhundert (im heutigen Jordanien). Das aufwändig gestaltete Bauwerk symbolisiert die Komplexität der islamischen Welt des Mittelalters und war so eindrucksvoller und passender Hintergrund für die Reden und Vorträge.
Internationales Netzwerk im Nahen Osten, in Europa und Nordamerika
In den vielfältigen wissenschaftlichen Perspektiven der Vortragenden spiegelten sich die unterschiedlichen Disziplinen des Forschungszentrums wider, aus deren Vertretern sich das Team zusammensetzt: Islamwissenschaftler, Judaisten und Christliche Orientalisten haben es sich zur Aufgabe gemacht, in gemeinsamer Arbeit die bisher übliche Trennung in muslimische und nicht-muslimische Forschung zum Islam zu überwinden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Nahen Osten, Europa und Nordamerika, unter ihnen Muslime und Nicht-Muslime, untersuchen den intellektuellen Reichtum und die kulturelle Vielfalt, die die islamische Welt seit dem Mittelalter kennzeichneten. So werden nicht nur herkömmliche Fächergrenzen überwunden, sondern auch die verschiedenen Glaubensrichtungen islamischer Gesellschaften der in der Arbeitsgruppe versammelten Forscher fließen mit ein. Damit arbeitet das Team um Sabine Schmidtke in der Tradition der Gelehrten, deren Gedankenwelt es erforscht. Auf die Arbeit in dem multireligiösen Team freut sich die Islamwissenschaftlerin: „Uns ist es wichtig zu betonen, dass Pluralität als Grundlage von Gesellschaftsmodellen keineswegs eine neue Erfindung ist, sondern in der islamischen Welt schon über Jahrhunderte hinweg gelebt wurde: Seit dem Mittelalter haben sich muslimische, jüdische und christliche Denker gegenseitig beeinflusst.“