Stimmen der Opfer am Ort der Täter
Freie Universität und Dokumentationszentrum „Topographie des Terrors“ unterzeichnen Kooperationsvertrag/ Gemeinsames Bildungsangebot
25.08.2011
„Stimmen der Opfer am Ort der Täter“ lautet der Titel des neuen Bildungsangebotes zum Nationalsozialismus, das die Freie Universität Berlin und die Stiftung „Topographie des Terrors“ gemeinsam entwickeln und durchführen werden. Eine entsprechende Kooperationsvereinbarung unterzeichneten Professor Peter-André Alt, Präsident der Freien Universität, und Professor Andreas Nachama, geschäftsführender Direktor der Stiftung „Topographie des Terrors“, am Dienstag. Durch das Projekt sollen junge Besucher des Dokumentationszentrums „Topographie des Terrors“ Zugang zu gefilmten Zeitzeugeninterviews erhalten und sich insbesondere mit der Sicht der Opfer auf die Täter auseinandersetzen.
Hervorgegangen aus einem temporären Ausstellungsprojekt anlässlich der 750-Jahr-Feier Berlins im Jahre 1987, vermittelt die Stiftung „Topographie des Terrors“ seitdem historische Kenntnisse über den Nationalsozialismus und dessen Verbrechen. Auf dem heutigen Gelände der Stiftung – neben dem Martin-Gropius-Bau und unweit des Potsdamer Platzes – befanden sich zwischen 1933 und 1945 die maßgeblichen Zentralen des nationalsozialistischen Terrors: das Geheime Staatspolizeiamt mit einem eigenen „Hausgefängnis”, die Reichsführung-SS und während des Zweiten Weltkriegs auch das Reichssicherheitshauptamt.
Neben einer Dauerausstellung über die Einrichtungen des nationalsozialistischen Verfolgungs- und Terrorapparats, beschäftigen sich in der unter- und oberirdischen Anlage zahlreiche Bildungsangebote des Dokumentationszentrums mit den Motiven und dem Handeln der Täter. An diesem Ort sollen nun auch die Stimmen der Opfer des Nationalsozialismus zugänglich gemacht werden: in Form von gefilmten Zeitzeugeninterviews.
Zugang zu drei bedeutenden Zeitzeugen-Archiven an der Freien Universität
Die Freie Universität stellt den Zugang zu drei bedeutenden digitalen Zeitzeugen-Archiven zur Zeit des Nationalsozialismus bereit: zum Visual History Archive des Shoah Foundation Institute der University of Southern California (USC), zum Archiv Refugee Voices der Association of Jewish Refugees (AJR) sowie zum Archiv Zwangsarbeit 1939–1945, das am Center für Digitale Systeme (CeDiS) der Freien Universität wissenschaftlich erschlossen wird. „Auch wenn die persönliche Begegnung mit Überlebenden und Zeugen durch kein Medium ersetzt werden kann – ihre Erinnerungen und Lebensgeschichten werden insbesondere für das historische Lernen immer wichtiger“, erklärte Professor Peter-André Alt.
Neues Bildungsangebot gibt Aufschluss über die „Gesellschaft des Holocaust“
Die digitalen Zeitzeugeninterviews sollen durch das gemeinsame Bildungsangebot der Freien Universität und der Stiftung „Topographie des Terrors“ didaktisch aufbereitet und so Schülerinnen und Schülern zugänglich gemacht werden. „Die Sicht der Opfer auf die Täter ist ein wichtiger Aspekt der Bildungsarbeit der Stiftung „Topographie des Terrors“, der durch die Zeitzeugen-Interviews eine lebendige Ergänzung findet“, erklärte Professor Andreas Nachama.
Bis Ende dieses Jahres soll gemeinsam ein didaktisches Konzept zur Gestaltung von Projektschultagen entwickelt werden, in dem die Taten des NS-Regimes mit den Aussagen der Überlebenden konfrontiert werden. „Bisher kamen die Schulklassen an die Freie Universität, um im Rahmen von Projektschultagen die digitalen Zeitzeugen-Archive zu nutzen“, sagte Professor Nicolas Apostolopoulos, Leiter des Centers für Digitale Systeme (CeDiS) der Freien Universität. Durch das Projekt „Stimmen der Opfer am Ort der Täter“, sei es den Schülern nunmehr möglich, mit den Zeitzeugen-Interviews auch während eines Besuches des Dokumentationszentrums „Topographie des Terrors“ zu arbeiten. Bisher haben bereits rund 30.000 Schülerinnen und Schüler an speziellen Führungen des Dokumentationszentrums „Topographie des Terrors“ teilgenommen.
Noch bis zum 18. September ist in den Räumen des Dokumentationszentrums die Sonderausstellung „Der Prozess – Adolf Eichmann vor Gericht“ zu sehen. Der Eintritt ist kostenfrei. Im Rahmen des Begleitprogramms zur Sonderausstellung wurde ein Fernsehinterview ausgestrahlt, das der Journalist Günter Gaus im Jahre 1964 in seiner Interviewreihe „Zur Person - Porträts in Frage und Antwort“ mit Hannah Arendt führte, die als Professorin für politische Theorie in Chicago und New York sowie als Publizistin wirkte. Hannah Arendt hatte als Reporterin für das Magazin „The New Yorker“ am Prozess gegen Adolf Eichmann in Jerusalem teilgenommen. Daraus war das Buch „Eichmann in Jerusalem“ entstanden. Die Filmvorführung mit anschließender Diskussion wurde durch Professor Peter-André Alt mit einem einführenden Vortrag eröffnet, der unter „Links“ heruntergeladen werden kann. |