Ehrung der Physikerin Lise Meitner
Aus dem Otto-Hahn-Bau wird der Hahn-Meitner-Bau
28.10.2010
Mehr als 40 Jahre nach dem Tod Lise Meitners ehrt die Freie Universität die Experimentalphysikerin durch die Umbenennung des Gebäudes an der Thielallee 63 in Berlin-Dahlem. In dem Haus, das heute Teile des Institut für Chemie und Biochemie der Freien Universität beherbergt, hatten Otto Hahn und Lise Meitner von 1912 an mehr als zwei Jahrzehnte lang zusammen gearbeitet. Die Experimentalphysikerin war entscheidend an der Entdeckung der Kernspaltung beteiligt, die Hahn dort gemeinsam mit seinem Kollegen und Chemiker Fritz Straßmann im Jahr 1938 gelang – wenige Monate nachdem Lise Meitner vor den Nationalsozialisten ins Ausland fliehen musste.
Am Mittwoch wurde der neue Schriftzug „Hahn-Meitner-Bau der Freien Universität“ an der Fassade des Gebäudes im Rahmen eines Festakts enthüllt. „In der Umbenennung findet mehr statt als nur die Ergänzung durch einen zweiten Namen“, eröffnete Professor Peter-André Alt, Präsident der Freien Universität, die Feierstunde im vollbesetzten Lise-Meitner-Hörsaal. „Sie ist ihrerseits die Korrektur eines historischen Unrechts, wie es sich über Jahrzehnte in der Unterschätzung der von Lise Meitner erbrachten Beiträge zur Kernforschung manifestierte.“
Als die gebürtige Wienerin und Tochter eines jüdischen Rechtsanwalts 1938 aus Deutschland emigrieren musste, verließ sie nicht nur ihre Freunde, ihre Kollegen und ihre Arbeit. Sie verlor auch die wissenschaftliche Anerkennung, die ihr zustand, die ihr aber in der Öffentlichkeit lange nicht angerechnet wurde: Lise Meitner war entscheidend an der Entdeckung der Kernspaltung beteiligt. Nur wenige Monate nach ihrer Flucht kamen Otto Hahn und Fritz Straßmann zu den Messergebnissen, die Meitner im schwedischen Exil gemeinsam mit Otto Robert Frisch als Kernspaltung interpretieren konnte. Kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Otto Hahn allein der Nobelpreis für Chemie für das Jahr 1944 verliehen.
"Ungewöhnliche Partnerschaft von Chemiker und Physikerin"
Seit 1907 hatte Lise Meitner mit Otto Hahn in Berlin zusammengearbeitet. Sie gehörte zu den ersten Wissenschaftlerinnen, die 1912 an einem Kaiser-Wilhelm-Institut (KWI) zu forschen begannen. Bereits 1914 wurde die Physikerin Wissenschaftliches Mitglied des KWI für Chemie in Dahlem, was eine hohe Anerkennung ihrer wissenschaftlichen Leistungen bedeutete. Hier baute sie ihre eigene physikalisch-radioaktive Abteilung auf, die sie bis zur erzwungenen Emigration leitete.
Über 20 Jahre arbeiteten sie und Otto Hahn gleichberechtigt zusammen. Eine ungewöhnliche Partnerschaft, wie die US-amerikanische Chemikerin und Meitner-Biografin Ruth Lewin Sime, Professorin am Sacramento City College, in ihrer Rede anlässlich des Festaktes am Mittwoch hervorhob. Ungewöhnlich vor allem auch in ihrer Interdisziplinarität: ein Chemiker und eine Physikerin.
Seit 1957 Ehrendoktorin der Freien Universität
Professor Wolfgang Sandner, Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, bezeichnete die Umbenennung als „wichtiges Signal“, mit dem das wissenschaftliche und soziale Engagement Meitners, ihr Wirken und ihr Mut gewürdigt würden. Mittlerweile weisen die Namen von Schulen und Straßen in vielen Orten Deutschlands und Österreichs ebenso wie die von Universitätsgebäuden und Forschungseinrichtungen auf die Kernphysikerin hin. Bereits 1957 erhielt Meitner die Ehrendoktorwürde der Freien Universität. 1968 starb sie im englischen Cambridge.