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„Wir können vorhersagen, wo Windparks auf Zustimmung oder Widerstand stoßen“

Das Start-up AVALY hilft Planern von Windparks, Skepsis in der Bevölkerung frühzeitig zu erkennen und zu vermitteln

29.08.2025

Sophie Apel und Julius Peschke beschäftigen sich mit einem drängenden Problem: Wie kann die Energiewende gelingen, wenn für konkrete Bauprojekte häufig die Akzeptanz fehlt?

Sophie Apel und Julius Peschke beschäftigen sich mit einem drängenden Problem: Wie kann die Energiewende gelingen, wenn für konkrete Bauprojekte häufig die Akzeptanz fehlt?

Mit einer Software, die Künstliche Intelligenz, Medienmonitoring und Umfragedaten verknüpft, wollen Sophie Apel und Julius Peschke verhindern, dass Windkraftprojekte an mangelnder Akzeptanz in der Anwohnerschaft scheitern. Wie ihre Software arbeitet und warum das Timing für AVALY gerade perfekt ist, erzählt das Gründungsteam im campus.leben-Interview.

Worum geht es bei AVALY?

Sophie Apel: Wir entwickeln eine Software für Netzbetreiber und Projektierer, vor allem im Bereich Windenergie. Sie zeigt, wo vor Ort Akzeptanz für erneuerbare Energieerzeugung bzw. Netzinfrastruktur besteht – und wo Widerstand droht. Dazu kombinieren wir deutschlandweite Umfragedaten, die wir auf einzelne Regionen herunterbrechen, mit Informationen aus Gemeinderatsbeschlüssen, Medienberichten, sozialen Medien und vielen weiteren Quellen. Mithilfe von maschinellem Lernen verarbeiten wir die Daten und filtern sowie gewichten sie auf Grundlage von Erkenntnissen aus der Akzeptanzforschung, um wissenschaftliche Standards zu gewährleisten.

Mein Studium der Psychologie an der Freien Universität Berlin und später mein Master in Umweltpsychologie in den Niederlanden haben mir dafür die fachliche Grundlage vermittelt.

Wie kam es zur Zusammenarbeit zwischen Ihnen beiden?

Julius Peschke: Wir haben uns über gemeinsame Freunde kennengelernt.

Apel: Julius hat seinen Bachelor in Groningen gemacht, ein Jahr später habe ich dort studiert. Eine Freundin wusste, dass ich einen Mitgründer suche und Julius sich gerade beruflich neu orientiert – und dass wir beide in Berlin leben. Sie hat dann den Kontakt hergestellt.

Wie entstand die Geschäftsidee?

Apel: Im Studium habe ich mich oft gefragt, warum Erkenntnisse aus der Akzeptanzforschung in der Praxis kaum genutzt werden. Dann erzählte mir ein Freund vom Widerstand gegen einen Solarpark in seiner Heimatkommune im Berliner Umland.

Als ich mir den Fall ansah, war klar: Was schiefgelaufen war, war wie aus dem Lehrbuch. Die Anwohner*innen erfuhren überraschend von den Plänen zum Bau des Solarparks, wurden zu spät zu einer Infoveranstaltung eingeladen, und die Entscheidungen waren längst gefallen. Das Vertrauen in die Akteure war weg, Beteiligung nicht vorhanden.

Wie lassen sich Anwohner*innen für Windparks gewinnen?

Apel: Ein zentraler Hebel ist frühzeitiger Dialog. Bürgerwerkstätten oder Workshops, bei denen Zahl und, wenn möglich, auch Standorte von Windrädern noch ergebnisoffen diskutiert werden können, schaffen Akzeptanz. Viele Projektierer fürchten allerdings, dass ein derart transparentes Vorgehen konkurrierende Unternehmen auf den Plan ruft, die sich ebenfalls für die Flächen interessieren.

Solchen Bedenken ließe sich mit klaren gesetzlichen Regeln begegnen – etwa einer Pflicht zur frühzeitigen Beteiligung der Bürgerschaft. Hilfreich ist dazu auch, wenn Projektierer von Windparks eine gepoolte Fläche von Kommunen erhalten, anstatt einzelne Flächen zusammenzukaufen – das gibt der Kommune eine größere Handhabe und beugt Gerüchten und Unruhe in der lokalen Bevölkerung entgegen.

Kann die Software auch dann noch zu Akzeptanz beitragen, wenn Anwohner*innen geplanter Windparks nicht frühzeitig in die Planungen einbezogen wurden?

Apel: Frühzeitige Beteiligung ist essenziell. Aber unsere Software hilft auch in solchen Fällen, die Situation vor Ort besser zu verstehen und gezielt darauf zu reagieren. Wir können auf Gemeindeebene prognostizieren, wie hoch die Akzeptanz für ein Projekt ist, und herausarbeiten, welche windkraftbezogenen Sorgen die Menschen vor Ort bewegen. Gleichzeitig zeigen wir auf, welche Zielgruppen in der Region besonders wichtig sind und wie sie sich am besten ansprechen lassen. Auf diese Weise können Projektierer auch im späteren Planungsstadium noch Maßnahmen ergreifen, um Vertrauen aufzubauen und die Akzeptanz zu erhöhen.

Nachdem Sie die Geschäftsidee hatten, haben Sie ziemlich schnell Unterstützung durch den Gründungsservice der Freien Universität Berlin in der Berlin University Alliance erhalten. Worin bestand die Unterstützung?

Apel: Ich habe mit dem Gründungsservice der Freien Universität Berlin einen Termin für eine Beratung vereinbart. Die Beraterin Anna Figoluschka hat mir empfohlen, am Ideenwettbewerb „Research to Market Challenge“ von Science & Startups teilzunehmen. Science & Startups ist der Verbund der Gründungsservices in der Berlin University Alliance.

Die „Research to Market Challenge“ haben wir gleich gewonnen. Für uns war das die Bestätigung, dass unsere Geschäftsidee Interesse weckt. Und dann haben wir über Science & Startups wertvolle Kontakte geknüpft, etwa zu erfolgreichen Gründer*innen und zu Mentor*innen. Dadurch haben wir enorm hilfreiches Feedback für den nächsten Schritt erhalten, wie zum Beispiel die Bewerbung um ein EXIST-Gründungsstipendium des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.

Worin bestand das Feedback?

Peschke: Wir hatten uns bemüht, unsere Geschäftsidee so allgemeinverständlich wie möglich zu erklären. In der Beratung von Science & Startups erfuhren wir aber: Wer ein EXIST-Gründungsstipendium erhalten möchte, muss den Innovationscharakter der Geschäftsidee herausarbeiten – und darf sich nicht scheuen, dafür Fachsprache zu verwenden.

Anfangs hieß euer Gründungsprojekt Planeteers, dann habt ihr euch in AVALY umbenannt. Wie kam es zu dem Namenswechsel?

Apel: Als ich Planeteers als Webseitenname sichern wollte, stellte ich fest, dass die Domain bereits vergeben war. Ich recherchierte und stieß auf ein Start-up in Hamburg, das sich unter dem Namen Planeteers schon ins Handelsregister hatte eintragen lassen.

Wir haben dann an einem Workshop zur Markenbildung teilgenommen. Daraus entstand der Name AVALY – er hat eine eingängige Endung und klingt einfach freundlich. Eine besondere Bedeutung hat er nicht. Das ist eher wichtig für Unternehmen, die Produkte oder Dienstleistungen für Endkund*innen anbieten. Wir hingegen wollen Unternehmen für uns gewinnen, die Wind- oder Solarparks und Stromnetze planen.

Wo stehen Sie gerade im Gründungsprozess?

Apel: Wir haben AVALY als GmbH gegründet, Pilotprojekte abgeschlossen und damit bereits Umsatz gemacht – unter anderem mit der Netze BW. Diese haben uns Hinweise zur Optimierung unserer Features und Benutzeroberfläche gegeben und wir ihnen im Gegenzug Hinweise zur Akzeptanzgewinnung in konkreten Netzausbauprojekten. Dabei kam mir meine Expertise als Umweltpsychologin zugute.

Peschke: Nach dieser Pilotphase starten wir nun in das Betatesting. Das bedeutet: Kund*innen nutzen vollumfänglich und eigenständig unsere Software, geben gelegentlich Verbesserungshinweise und erhalten dafür Rabatt. Der nächste Schritt wird sein, unsere Software zu optimieren und als fertiges Produkt zum vollen Preis auf den Markt zu bringen. Und kommenden Monat beziehen wir unsere ersten selbst gemieteten Büroflächen in einem Co-Working-Space.

Was macht Sie zuversichtlich, dass die Software erfolgreich wird?

Peschke: Über die kommenden Jahre und Jahrzehnte müssen Erneuerbare und unsere Netzinfrastruktur massiv ausgebaut werden – bei immer knapper werdenden Flächen. Schon jetzt ist Akzeptanz laut Bund-Länder-Kooperationsausschuss unter den Top 3 Hürden für den Ausbau der Erneuerbaren.

Wir haben die derzeit einzige spezialisierte Software entwickelt, die mögliche Widerstände gegen Wind- und Solarparks sowie Stromnetze frühzeitig erkennen kann. Am ehesten konkurrieren wir mit Unternehmen, die Projektentwickler ganz klassisch beraten. Berater*innen stützen sich in ihrer Tätigkeit allerdings nicht unwesentlich auf persönliche Erfahrungen in früheren Projekten – und damit auf eine schmalere Grundlage als große Datenmengen liefern können. Hinzu kommt: Künstliche Intelligenz, wie wir sie in unserer Software nutzen, arbeitet schneller und kostengünstiger. Am ehesten mithalten können da noch Pressemonitoring-Tools. Die liefern aber nur Erkenntnisse zu Projekten, über die bereits in Medien berichtet wird. Und dann hat sich Widerstand meist schon verfestigt.

Die Fragen stellte Jonas Krumbein

Weitere Informationen

Science & Startups ist der gemeinsame Gründungsservice der BUA-Partner TU, HU, FU und Charité. Ziel ist es, Forschung in gesellschaftlich relevante, skalierbare und nachhaltige Startups zu überführen. Gründer*innen profitieren von Arbeitsräumen wie Laboren und anderen Forschungseinrichtungen sowie Beratungs- und Netzwerkmöglichkeiten. Science & Startups ist auch einer der Treiber der neuen Startup Factory UNITE, in der Partner aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft gemeinsam das Startup-Ökosystem der Hauptstadtregion voranbringen.

Eine Initiative von Science & Startups ist der Ideenwettbewerb 100 to 100. Der fortlaufende Wettbewerb bietet Wissenschaftler*innen, Studierenden und Alumni die Möglichkeit, ihre (Startup-)Idee in 100 Wörtern einzureichen und 100 € zu gewinnen.