Batterien, Bakterien, Briefwechsel
Zwölf Innovationen werden an der Freien Universität Berlin durch das ProValid-Programm der Berliner Senatsverwaltung gefördert
29.01.2024
Nicht ein Partner fürs Leben wird auf dieser Speed-Dating-Veranstaltung gesucht, sondern jemand zum Reden. Schließlich haben die Teilnehmenden ähnliche Aufgaben zu bewältigen – ein Feedback von Gleichgesinnten kann dabei helfen.
Teresa Kollakowski von Profund Innovation, der Service-Einrichtung für die Förderung von Unternehmensgründungen und Innovationen in der Abteilung Forschung der Freien Universität, hat das Vernetzungstreffen organisiert. Die Gäste werden mit Drittmitteln aus dem Programm ProValid der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe gefördert, weil ihre Forschung Anwendungspotenzial hat, aber noch entscheidende Schritte zur Verwertung fehlen: weitere Experimente, ein Prototyp, Kunden, Patente oder Ähnliches. Daran können die Forschenden mit einem Budget von bis zu 100.000 Euro über zwölf Monate arbeiten.
Je zwei Teams sitzen sich an einem Tisch gegenüber und stellen einander in je drei Minuten ihre Projekte vor. Wenn die Glocke ertönt, werden Plätze gewechselt. Zeit für ausführliche Gespräche gibt es später bei Snacks und Getränken.
Nachhaltige Natrium-Ionen-Batterien
Der promovierte Chemiker Günther Thiele bringt seine Idee schon routiniert auf den Punkt: „Unsere Nachwuchsgruppe arbeitet an Batterien mit Natrium. Das ist der große Bruder von Lithium, das momentan überall für Batterien verwendet wird.“ Weil Lithium so gefragt ist, sei es kaum noch zu bekommen. Es wird nur an wenigen Orten der Welt abgebaut, zum Beispiel in der Wüste Chiles, wo die Produktion Millionen Liter Wasser verschlingt. Natrium sei eine günstige und nachhaltige Alternative, weil es sich aus Meersalz gewinnen lässt.
„In unserem Konzept geben wir nur noch bisschen Schwefel und ein bisschen Eisen dazu“, erklärt der Chemiker. Für Autobatterien käme sein Ansatz nicht in Frage, denn Natrium sei viel schwerer als Lithium. Für große stationäre Speicher, die Strom aus Wind- und Sonnenenergie bereithalten, sei die Idee jedoch bestens geeignet.
Gemeinsam mit einem Fraunhofer-Institut entwickelt sein Team derzeit einen Prototyp. „Wenn er funktioniert, gehen wir auf die Suche nach Industriepartnern. Falls wir keine finden, ziehen wir selbst ein Start-up auf“, sagt Günther Thiele.
EMILiA archiviert E-Mail-Nachlässe
Dr. Kristina Starkloff leitet das Archiv der Max-Planck-Gesellschaft und möchte ein Problem lösen, das es noch nicht lange gibt. Das Schaffen von Forschenden wie Albert Einstein oder Lise Meitner kann die Nachwelt anhand ihrer Briefwechsel nachvollziehen. Heutzutage schreiben Forschende aber kaum noch Briefe, sondern tauschen sich per E-Mail aus. Ihren E-Mail-Nachlass können Beschäftigte der Max-Planck-Gesellschaft auf Wunsch per Vertrag ihrem Arbeitgeber überlassen. Aber wie archiviert man Zehntausende E-Mails und macht sie für Biografien und Netzwerkforschung zugänglich?
„Der Archivvertrag regelt die Sperrfristen“, erklärt Kristina Starkloff. So könnten die Inhalte etwa 100 Jahre nach der Geburt oder 20 Jahre nach dem Tod freigegeben werden.
Vorher entscheiden Archivar*innen, welche Teile überhaupt archivwürdig sind. Dabei ergeben sich praktische Probleme: Wie filtert man Spam und Viren heraus? Wie identifiziert man Personen? Nicht immer gibt die E-Mail-Adresse Aufschluss über die Person dahinter. Und wie findet man die interessanten Bereiche, in denen es um die Wissenschaft geht?
Um solche Aufgaben mit Algorithmen und maschinellem Lernen zu lösen, kooperiert das Archiv der Max-Planck-Gesellschaft mit der Arbeitsgruppe Technische Informatik der Professorin Katinka Wolter an der Freien Universität. Informatikstudent Felix Gericke, der zuvor neben dem Studium im Max-Planck-Archiv gearbeitet hat, treibt das Projekt nun in der AG Wolter voran. Die Max-Planck-Gesellschaft ist Kooperationspartnerin und möchte die Software später als Dienstleistung einkaufen. Als weitere Kunden kommen auch kleine Archive in Frage, die auf diese Weise ohne spezielle IT-Kenntnisse E-Mail-Nachlässe verwalten können.
Neues Gerüst für Stammzellen
Lasse Riediger arbeitet zusammen mit Yi-An Yang ein Konzept aus, das in der Arbeitsgruppe von Chemieprofessor Rainer Haag entwickelt wurde: ein synthetisches Gerüst für die Kultivierung und Differenzierung von Stammzellen.
Aus Stammzellen lassen sich im Labor sogenannte Organoide züchten, Zellgruppen, die sich zu Zellstrukturen organisiert haben, die denen von Organen gleichen. Die Zellen brauchen jedoch ein Gerüst, in dem sie wachsen können. Dafür wird derzeit meist ein kommerzielles Gel tierischen Ursprungs verwendet.
„Wir haben eine biokompatible synthetische Alternative dazu entwickelt“, erläutert Lasse Riediger, denn tierische Inhaltsstoffe haben einen großen Nachteil: Qualität und Zusammensetzung variieren stark, was für wissenschaftliche Experimente ungünstig ist. „Unser Produkt ist vollständig definiert, variiert nur wenig und kann für viele Anwendungen genutzt werden“, erklärt der Chemiker.
„StemGel“ sei bereits patentiert, nun will das Team potenzielle Kunden ansprechen, etwa Forschungsabteilungen von Pharmaunternehmen, die neue Wirkstoffe an Organoiden testen. Lasse Riediger ist optimistisch: „Unsere Lösung ist zuverlässig, spart Zeit und Geld und hilft dabei, Tierversuche zu reduzieren oder zu ersetzen.“
Bakterielle Erreger unschädlich machen
Der Pharmazieprofessor Jörg Rademann und der Postdoc Umer Aziz möchten mit ihrem Projekt das Bakterium Streptococcus pneumonia unschädlich machen. Es verursacht Lungenentzündungen, die tödlich enden können – trotz oder sogar wegen des Einsatzes von Antibiotika: „Wenn Medikamente den Erreger zerstören, werden Giftstoffe freigesetzt. Diese Toxine schädigen das Gewebe so stark, dass besonders ältere oder geschwächte Patient*innen an einem septischen Schock sterben können“, erläutert Jörg Rademann.
Sein Team sucht deshalb nach Wirkstoffen, die eine Ausschüttung der Toxine blockieren und Zellen davor schützen. Erste Experimente waren erfolgreich: Infizierte Lungenzellen haben in der Petrischale überlebt, wenn die gefundenen Wirkstoffmoleküle dabei waren. „Sie töten die Bakterien nicht, sondern blockieren ihre Virulenzfaktoren, also das, was die Erreger schädlich macht“, erklärt Jörg Rademann.
Potenzial haben die neuen Wirkstoffe damit nicht nur als Zugabe zu Antibiotika, sondern auch als Alternative. „Wir wollen weitere Moleküle testen und die Ergebnisse verbessern“, sagt der Pharmazeut. Zum Ende der ProValid-Förderung möchte er die besten Varianten patentieren lassen, um anschließend Partner und Geldgeber für die Weiterentwicklung zu suchen.
Ein Drittel aller ProValid-Projekte kommen aus der Freien Universität
„Jede Verwertung hat ähnliche Spielregeln und Fragen“, sagt Teresa Kollakowski, etwa: Wie denkt man in Produkten? Wie nimmt man die Perspektive von potenziellen Kund*innen ein? Dabei beraten die Transfermanager*innen von Profund Innovation, aber auch Erfahrungen anderer Teams sind wertvoll für das eigene Projekt. Um Personen mit Ideen zu finden, waren die Scouts von Profund Innovation an den Fachbereichen unterwegs, haben Gespräche geführt und schließlich bei der Formulierung der Anträge geholfen.
Bei der Forschung auch an Transfer zu denken, gelinge an der Freien Universität besonders gut, betont Petra Knaus, Professorin für Biochemie und Vizepräsidentin für Forschung, die ebenfalls Gast auf dem Vernetzungstreffen war. „Wir stellen ein Drittel aller Projekte, die berlinweit in der ersten Runde des ProValid-Programms gefördert werden.“
Weitere Informationen
Übersicht der durch ProValid geförderten Projekte an der Freien Universität Berlin:
- Trans-Additiv; Dr. Jan-Niklas Dürig; PD Weng/Prof. Niedermeyer; Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie
- Optische Hochgeschwindigkeits-Rasternahfeldmikroskopie (HS-SNOM); Dr. Yusuke Sakiyama; Prof. Heberle; Fachbereich Physik
- Validierung von RBM3 modulierenden Antisense-Oligonukleotiden zur
Behandlung von chronischen, neurodegenerativen Erkrankungen; Dr. Tom Haltenhof; Prof. Heyd, Prof. Bröer; Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie und Fachbereich Veterinärmedizin - AgroInSpektion; Dr. Charlotte Rafaluk Mohr; Prof. Rolff; Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie
- CDC-Inhibitoren als antibakterielle Pathogenblocker; Dr. Umer Aziz; Prof. Rademann; Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie
- LactoSperm; Paula Weißinger; Prof. Einspanier; Fachbereich Veterinärmedizin
- StemGel; Lasse Riediger; Prof. Haag; Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie
- EA-Biomarker; Dr. Lars Mundhenk; Prof. Gruber; Fachbereich Veterinärmedizin
- AstaGel; Dr. Priscila Schilrreff; Prof. Alexiev; Fachbereich Physik
- Natrium-Ionen-Batterien; Dr. Günther Thiele; Prof. Hasenstab-Riedel; Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie
- Steigerung der Effizienz von Bacillus thuringiensis gegen Insektenschädlinge mit Blattbakterien; Dr. Luis Paniagua Voirol; Prof. Remus-Emsermann; Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie
- Effiziente Langzeitarchivierung von E-Mails (EMILiA); Prof. Katinka Wolter; Fachbereich Mathematik-Informatik
Kontakt:
- Teresa Kollakowski, Wissens- und Technologietransfer / Profund Innovation, Telefon: +49 30 838 675 29, E-Mail: teresa.kollakowski@fu-berlin.de