Im Schwarm sicher nach Hause
Mit der Matching-App FLOCK können sich Frauen vernetzen, die zur Vorbeugung vor sexueller Belästigung nicht allein unterwegs sein wollen
01.08.2022
Erster Platz in der Kategorie Cultural & Social, dazu der Publikumspreis: Mit diesem Erfolg hatten Aylin Shakibi und ihr Team nicht gerechnet. Umso größer war die Freude, als die angehenden Gründerinnen und Gründer auf der Abschlussveranstaltung des Ideenwettbewerbs Research to Market Challenge die mit 1.500 und 1.000 Euro dotierten Auszeichnungen entgegennahmen. campus.leben sprach mit Ideengeberin Aylin Shakibi.
Frau Shakibi, wie funktioniert FLOCK?
Der Name „Flock“ kommt aus dem Englischen und bedeutet „Vogelschwarm“ oder „Herde“. Mit der App wollen wir Menschen helfen, sich auf intelligente Weise digital zu vernetzen, um Wege gemeinsam und damit sicherer zurückzulegen. Zielgruppe sind zunächst Frauen, unsere Vision ist es jedoch in Zukunft auch diverse, nicht binäre sowie queere Menschen anzusprechen, um auch für sie und mit ihnen einen Safe Space zu schaffen, der sie vor sexueller Belästigung und Übergriffen schützt.
Ein Beispiel: Sie gehen auf ein Konzert oder eine Party, es wird sehr spät und Sie wollen nach Hause. Allerdings fühlen Sie sich alleine unwohl auf dem Heimweg. Sie checken die App, ob eine andere Frau auch gerade in die gleiche Richtung aufbrechen möchte, Sie tun sich zusammen und legen ein Stück des Weges oder die gesamte Strecke gemeinsam zurück.
Wie stellen Sie sicher, dass alle Mitglieder des Schwarms vertrauenswürdig sind?
Um Mitglied bei FLOCK zu werden, müssen Sie zuerst eine ID-Verifizierung durchlaufen. Dafür arbeiten wir mit Drittanbietern zusammen, die Ihre Personalien aufnehmen. Banken und Behörden nutzen solche Verfahren bereits, dabei hält man den Personalausweis in die Kamera und identifiziert sich per Video gegenüber einer echten Person. Vor jedem tatsächlichen Matching erfolgt dann eine weitere Verifizierung per Gesichtserkennung.
Wie ist die Idee zu FLOCK entstanden?
Laut einer Umfrage von Statista haben 78 Prozent der Frauen und 81 Prozent der diversen Personen sexuelle Belästigung in der Öffentlichkeit oder Freizeit schon erlebt. Die meisten Frauen wissen also, wie es ist, sich im öffentlichen Raum unwohl zu fühlen und nicht wenige haben selbst schon sexuelle Übergriffe erfahren. Das hat Einfluss darauf, wie sicher oder unsicher sie sich in bestimmten Situationen fühlen und wie sie ihren Alltag gestalten. Ich finde es jedoch nicht hinnehmbar, dass Menschen aus Angst vor Belästigung ihre Mobilität einschränken – also früher nach Hause gehen oder gar nicht erst ausgehen.
In einem Businessplan-Seminar am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft habe ich deswegen 2019 mit anderen Studierenden ein Konzept für ein Frauen-Taxi entwickelt. Die Idee lag mir so am Herzen, dass ich sie nach dem Seminar nicht aufgeben wollte. Beim Businessplan-Wettbewerb Berlin-Brandenburg habe ich 2020 den dritten Platz belegt. Das war ein großer Ansporn weiterzumachen.
Professor Gersch vom Fachbereich Wirtschaftswissenschaft wurde mein Mentor, Anna Figoluschka von Profund Innovation betreut mich als Gründungsberaterin. Trotz Pandemie konnte ich ein Team aufbauen: Julien Caselmann und Greta Ivanauskaite sind für die IT zuständig, Verena Wörner ist unsere Social Media Managerin, und Svenja Schilling und ich arbeite zusammen am Geschäftskonzept. Allerdings sind wir noch kein klassisches Start-up, weil wir alle an der Uni studieren und nebenbei arbeiten. Ich studiere noch im Bachelor und möchte im Wintersemester meine Bachelorarbeit zu FLOCK schreiben.
Wie weit sind Sie mit der App, und wie sehen die nächsten Schritte aus?
Wir arbeiten gerade an dem „Minimal Viable Product“, also einer Minimal-Version der App. Diese wollen wir in einem Feldversuch unter realen Bedingungen mit Studentinnen testen, um zu sehen, welche Stärken und Schwächen sie hat. Bei der Marktrecherche haben wir herausgefunden, dass es zwar einige Ansätze in Richtung Sicherheit und Mobilität gibt, die bisherigen Angebote aber nicht den Wünschen der Zielgruppe gerecht werden. Deshalb wollen wir herausfinden, was sich Nutzerinnen wünschen, denn nur so können wir Lösungsvorschläge für das gesellschaftliche Problem entwickeln und einen Mehrwert schaffen. Außerdem wollen wir mittelfristig einen Antrag auf ein EXIST-Gründerstipendium stellen. Unsere Türen stehen übrigens weit offen für Kooperationspartner*innen, weitere Mitglieder oder Interessierte, die uns mit Anregungen helfen wollen.
Was hat Ihnen die Teilnahme an der Research to Market Challenge gebracht?
Der große Zuspruch auf der Abschlussveranstaltung und die Auszeichnungen haben uns sehr motiviert, wir sind richtig beflügelt! Und wir hoffen, dass wir dadurch in Kontakt mit Menschen kommen, die sich mit unserer Idee identifizieren und das Projekt voranbringen.
Die Fragen stellte Marion Kuka.
Weitere Informationen
- FLOCK auf Instagram: @the_flock_app und LinkedIn: The Flock App