Erfahrung trifft auf jugendlichen Mut zum Risiko
Auf dem „Demo Day“ finden Start-ups aus Hochschulen und etablierte Unternehmen zusammen
08.03.2016
Bio-Öl aus Algen, blinkende Bilder auf Verpackungen und intelligente Beleuchtung für das smarte Zuhause – im Henry-Ford-Bau der Freien Universität konnte man kürzlich einen Blick in die Zukunft werfen: Rund 100 Industrievertreter und 26 Start-ups aus Hochschulen trafen sich dort zum „Demo Day“, der jährlich von B!GRÜNDET, dem Gründungsnetzwerk der Berliner Hochschulen, gemeinsam mit der Firma Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie veranstaltet wird.
„Wir wollen etablierte Unternehmen mit Ausgründungen aus den Hochschulen ins Gespräch bringen“, sagt Steffen Terberl. Er leitet Profund Innovation, die Service-Einrichtung für Wissens- und Technologietransfer in der Abteilung Forschung der Freien Universität. Sein Team hat die Veranstaltung in diesem Jahr organisiert; der erste Demo Day fand 2015 an der Technischen Universität Berlin statt. „Die einen haben Branchenkenntnis, Kapital, Vertriebs- und Exporterfahrung. Die anderen haben neue Ideen, Geschäftsmodelle für die digitale Welt und den jugendlichen Mut zum Risiko. Zusammen können ‚Old‘ und ‚New Economy‘ unschlagbar sein.“
In großen Unternehmen dauern Entscheidungen länger
Sieben Hochschulen aus Berlin und Potsdam hatten deshalb Ausgründungen ins Rennen geschickt, die sich mit Ständen, Vorträgen und in Speed-Dating-Runden präsentierten. Zuständig für die sogenannte Old Economy war Berlin Partner; auf Einladung der Wirtschaftsförderer kamen unter anderem Vertreter der Berliner Stadtreinigung, der Berliner Gaswerke, der Deutschen Bahn, der Deutschen Bank sowie von dem IT- und Beratungsunternehmen IBM, von Bayer Pharma und Volkswagen. Auch viele kleinere und mittlere Unternehmen nahmen an der Veranstaltung teil.
Für Gründer Marcin Ratajczak ist das Konzept des Demo Day aufgegangen. Sein Start-up SIOD bringt organische Leuchtdioden kostengünstig auf Papier: Blinkende und bewegte Bilder auf Verpackungen und Zeitschriften seien damit keine Zukunftsmusik mehr. Ratajczak und seine Mitstreiter werden an der Freien Universität und an der Technischen Universität Chemnitz betreut. Auf dem Demo Day hat der Betriebswirt erstmals Produkte vorgestellt, die auch in großen Auflagen gefertigt werden können. „Wir haben unsere Technologie einigen Unternehmen vorgeführt.“ Das Team freut sich über neu geknüpfte Kontakte, aber auch über das Wiedersehen mit bereits bekannten Unternehmen. Kontakthalten ist wichtig, weiß der Jungunternehmer: „Ein starker Auftritt festigt das Vertrauen und prägt zugleich die eigene Marke – letztere ist für unser Geschäft äußerst wichtig.“
Büroräume beim Mittelständler
Auch Florian Nübling, Mitgründer und Geschäftsführer von volasystems, zieht eine positive Bilanz der Veranstaltung. Wie SIOD arbeitet die Ausgründung der Freien Universität mit Licht: Ultradünne Beleuchtungsmodule auf LED-Basis können in jeder Größe und Form zu Beleuchtungsflächen für Innenräume zusammengesetzt und durch Bewegung, Berührung oder per App gesteuert werden. Seinen Kontakt zum in Berlin gegründeten Traditionsunternehmen Osram konnte Florian Nübling auf dem Demo Day vertiefen. Eine Zusammenarbeit ist im Gespräch, aber bislang gibt es dazu noch keine Details.
Ganz konkret ist dagegen der Draht zu Schleicher Electronic, einem Berliner Mittelständler mit 120 Beschäftigten. Auf Einladung des Firmenchefs zog das Start-up in Büroräume auf dem Firmengelände in Berlin-Schöneberg ein und tauscht sich regelmäßig mit Schleicher-Mitarbeitern aus. Doch auch andere Gründungen sind potenzielle Partner. Am Stand kam Florian Nübling mit den Entwicklern der Migräne-App „M-sense“ ins Gespräch, die an der Humboldt-Universität betreut werden. „Licht ist ein wichtiger Faktor für Kopfschmerzpatienten. Also haben wir überlegt, wie wir zusammenarbeiten könnten. Vielleicht wird eines Tages etwas daraus.“
Klare Vereinbarungen statt Naivität bei der Partnerwahl
Erste Erfolge können die Gründerinnen und Gründer von Evergreen Food verbuchen. Seit einigen Tagen ist ihr Öl aus biologisch angebauten Chlorella-Algen im eigenen Onlineshop erhältlich. Bald wird es außerdem Kügelchen aus der Algenmasse geben, die wie Kaviar aussehen und sich als Dekoration für Salate oder Desserts eignen. „Algen sind das Nahrungsmittel der Zukunft“, sagt Mitgründerin Jutta Reinke, die von der Gründungsförderung der Berliner Beuth-Hochschule betreut wird. Den Nahrungsmittelkonzern Nestlé hat sie mit dieser Prognose bereits auf ihrer Seite.
Doch Sven Ripsas, Professor für Entrepreneurship an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, warnt in seinem Workshop auf dem Demo Day vor zu viel Naivität bei der Partnerwahl: „Etablierte Unternehmen sind nicht die Caritas. Wenn sie eine Kooperation mit einem Start-up eingehen, haben sie klare Interessen. In erster Linie wollen sie ihre Produktentwicklung vorantreiben, aber auch neue Mitarbeiter rekrutieren“, sagt der Wissenschaftler. Start-ups hingegen wollen vor allem schnell und erfolgreich wachsen. Damit keine Seite übervorteilt wird, empfiehlt Ripsas, klare vertragliche Vereinbarungen zu treffen. Beide Seiten sollten genau wissen, was sie voneinander erwarten. Dann könne eine Partnerschaft sehr erfolgreich sein.