Springe direkt zu Inhalt

"Die Seminare machen einfach Spaß. Man fängt an, sich für die Theorie zu interessieren und nicht nur als Zwang zu sehen."

Im Gespräch mit Teilnehmerinnen der Lehr-Lern-Labore

14.07.2017

Quelle: Mathis Römer

Quelle: Mathis Römer

Seit dem Sommersemester 2016 werden an der Freien Universität Berlin die von Teilprojekt 3 konzipierten Lehr-Lern-Labor-Seminare (LLLS) durchgeführt. Indem die Studierenden ihr theoretisches Wissen in kleinen Unterrichtssequenzen direkt anwenden können, zeichnen sie sich durch eine besonders hohe Praxisrelevanz der fachdidaktischen Inhalte aus.

In den Lehr-Lern-Laboren hattet ihr die Gelegenheit, theoretische Studieninhalte unterrichtspraktisch in einer Kleingruppe von Schüler*innen umzusetzen. Wie habt ihr das wahrgenommen?

Maria: Mir sind diese Prinzipien der Geschichtsdidaktik eher wie ein Werkzeug bzw. eine Hilfestellung vorgekommen, anhand derer ich eine Idee hatte, was mein Fixpunkt ist, um meine Reihe zu konzipieren. Es war also von Anfang an das Ziel unserer Gruppe, dass diese Prinzipien in der Unterrichtsreihe vorkommen. Das hat auf jeden Fall im zweiten Labor besser funktioniert als im ersten.

Josephina: Bei uns stand im Sprachunterricht vor allem im Vordergrund, die „students‘ talking time“ zu erhöhen. Unser großes Ziel bei der Erstellung der Aufgaben [an die Schülerinnen und Schüler] war, dass die Lehrkraft so wenig wie möglich spricht und sie die Schülerinnen und Schüler dazu animiert, so viel wie möglich zu sprechen. Deswegen ging es vordergründig darum, ein interessantes Thema zu finden, mit dem man diese fremden Schülerinnen und Schüler direkt „hat“. Ein Punkt, der besonders verdeutlicht wurde, ist definitiv, dass man weg kommt von den klassischen Methoden, die wir in unserer eigenen Schulzeit erfahren haben, hin zu etwas Neuem und Innovativen. Das ist etwas, was ich aus dem Seminar mitgenommen habe und auch jetzt schon anfange, umzusetzen in meinem Job als Vertretungslehrerin an einer ISS.

 

Wie konntet ihr die theoretischen Inhalte der LLLS für eure Unterrichtspraxis nutzen? Inwiefern habt ihr hiermit beim ersten und zweiten Unterrichten unterschiedliche Erfahrungen gemacht? Konntet ihr da schon Verknüpfungen herstellen?

Josephina: Ich konnte schon viele neue Methoden anwenden – obwohl man diese vorher zwar schon kannte, aber eben nicht so konkret. Es wird greifbarer.

Maria: Es wirkt irgendwie handlicher.

Josephina: Wenn man Lehrer oder Lehrerin werden will, sind das Sachen, mit denen man sicher vorher schon auseinandergesetzt hat, für die einem aber noch die Worte gefehlt haben. Das habe ich definitiv mitnehmen und deswegen auch konkreter umsetzen können. Zum Beispiel, dass man im Labor ausschließlich auf Englisch gesprochen hat, dass man die Schülerinnen und Schüler auch bei Dingen, die Aufgaben unabhängig waren, auf Englisch angesprochen hat.

Maria: In der Geschichtsdidaktik ist die Narrativität ein großes Thema, also dass Schülerinnen und Schüler Ereignisse aus der Vergangenheit sinnvoll verknüpfen. Was ich dabei spannend fand, ist, dass es dabei um erzählen geht. Die Schwierigkeit, die ich in den Laboren selbst gesehen habe, war, dass die Schülerinnen und Schüler total schüchtern und scheu waren, zu sprechen. Somit war es eine große Herausforderung, die Idee, die hinter der Narrativitätskompetenz steht, wirklich umzusetzen.

 

Quelle: Mathis Römer

Quelle: Mathis Römer

Welchen Unterschied seht ihr zwischen dem Unterrichten in einem Lehr-Lern-Labor und in der Schule? Welche Erfahrungen nehmt ihr aus dem Lehr-Lern-Labor für die Schule mit?

Josephina: Das LLL ist natürlich ein ganz komprimierter, perfekter Ausschnitt, den man am Stück zwanzig Minuten erlebt. Das ergibt wahrscheinlich genau die gleiche Zeit, die im regulären Unterricht an meiner ISS zusammengefasst effektiv unterrichtet wird.

Maria: Ich kenne das nur aus dem Praktikum. Aber meine Vorstellung ist, dass man im echten Leben auch nicht die Zeit hat, eine so aufwendige Unterrichtsstunde vorzubereiten. Also, dass man sich ein ganzes Seminar lang mit professioneller Unterstützung überlegen kann, wie man so einen Unterrichtsblock gestaltet, ist ein riesen Privileg. Das macht aus meiner Perspektive einen der größten Unterschiede aus. Der zweite ist natürlich das Verhältnis, wie man zu den Schülerinnen und Schülern steht. Diese Phase des Sich-Kennenlernens nimmt in der Schule nicht mehr so viel Zeit ein. Als Drittes ist natürlich das Verhältnis der Personen in den Laboren sehr ungewöhnlich, da fünf Schülerinnen und Schüler von drei Lehrkräften betreut werden.

 

Habt ihr das Gefühl, ihr guckt im zweiten LLL anders auf das, was ihr euch theoretisch vorher erarbeitet habt, nachdem ihr es einmal praktisch angewendet habt?

Maria: Ich hatte nach meinem ersten Labor auf jeden Fall das Gefühl, da kann man noch richtig was dran machen. Ich hatte das Gefühl, dass die Schülerinnen und Schüler mit einem richtig dicken roten Korrekturstift durch unsere Unterrichtsplanungen gegangen sind. Natürlich sind die Ideen und Prinzipien gut, aber die Umsetzung muss ich wirklich üben, da muss ich sehen, wer da vor mir ist. Das wird auch unterschiedlich sein, je nachdem, an welche Schule ich gehe, wie „cool“ die Schülerinnen und Schüler eine Aufgabe finden oder was für Materialien einem zur Verfügung stehen. Die LLL haben mir also geholfen, meine Ansprüche zu überdenken.

                                                                                                                                                                   

Wie beurteilt ihr die Lehr-Lern-Labore insgesamt?

Maria: Ist eine super Sache. Ich glaube, es gibt kaum eine Möglichkeit, wie die Sachen besser hängen bleiben, wenn man sie bespricht. Wir haben in der ersten Vorlesung gelernt, man soll sein Wissen elaborieren, am besten die Dinge anwenden, so funktioniert lernen. Und genau das passiert in den LLL. Wie muss ich etwas verändern, damit es so wird, wie ich es mir vorstelle? Nach einem normalen Seminar ist es, glaube ich, nicht so, dass ich auch später noch so genau, auch auf inhaltlicher Ebene, darüber sprechen und die Dinge anwenden kann, wie ich das hier erlebe.

Josephina: Ich finde es auch echt toll, es macht mir wirklich Spaß. Unsere Dozentin setzt genau das auch um, was sie uns inhaltlich erklärt. Das ist eben auch das wichtige.

Maria: Das ist die andere Seite: die Seminare machen einfach viel mehr Spaß. Wir hatten ein richtiges Gruppengefühl. Man fängt an, sich für die Theorie zu interessieren und nicht nur als Zwang zu sehen.

 

Wie würdet ihr dieses Format weiterentwickeln, wenn ihr dafür verantwortlich wärt?

Josephina: Ich finde gut, dass wir im LLL am Unterrichtsinhalt und der Art und Weise, das Interesse zu wecken, arbeiten und uns professionalisieren. In meinen Augen sollte aber Classroom management generell mehr Erwähnung finden.

Maria: Mir fehlt mehr kritische Reflexion über sich als Person. Ich benutze zum Beispiel zu viel Jugendsprache, wenn ich vor einer Klasse stehe, was ich im Nachhinein bereue. Da würde ich mir wünschen, mehr begleitet zu werden, um herauszufinden, was meine persönlichen Schwachpunkte sind. Es wäre daher schön, wenn es in den Seminaren noch etwas über das inhaltlich hinausgehen würde.

 

Möchtet ihr uns von K2teach noch etwas mit auf den Weg geben?

Josephina: Ich finde super, dass es das Projekt gibt. Auch wenn es längst an der Zeit ist, macht das nicht jede Uni. Hier rücken die Studentinnen und Studenten, die mal Lehrkräfte werden, mehr in den Vordergrund.

Maria: Das gute ist, dass dieses Seminar versucht, den Ansprüchen von Lehrkräften mehr gerecht zu werden. Die Theorie wird versucht, umzusetzen – nicht nur von Seiten der Dozierenden, sondern auch was man im Seminar macht, wird dem Ideal treuer. Es ist schön, sowas zu erleben, und ich hoffe, dass es fest verankert wird.

Die Fragen stellte Annemarie Jordan