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Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik und die Freie Universität Berlin

Im Oktober 2025 wurde der Erinnerungsort Ihnestraße an der Freien Universität Berlin eröffnet. Am historischen Ort erzählt er auf kritische Weise von der Geschichte des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik (KWI-A). Das KWI-A, das 1927 in der Ihnestraße 22 eröffnet wurde und bis 1945 Bestand hatte, etablierte sich bald als prominentes und international anerkanntes Forschungsinstitut im Bereich der Vererbungsforschung. Die am Institut erfolgten Forschungen war zugleich von Beginn an eng mit Ideen der Auslese verbunden und Institutsmitarbeitende später in die Verfolgungs- und Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten eingebunden.

Im Zuge der Entwicklung und Eröffnung des Erinnerungsorts Ihnestraße kritisierten verschiedene Akteure, dass sich die Max-Planck-Gesellschaft nicht stärker an der Entwicklung des Erinnerungsortes beteiligt habe, komme doch ihr als Nachfolgerin der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft die Verantwortung für diese Aufarbeitung zu. So legitim diese Kritik ist, unterschlägt sie in der Regel, dass auch die Freie Universität Berlin mit der Geschichte des KWI-A verbunden ist und zwar nicht allein dadurch, dass sie die Gebäude des KWI-A erbte.

Tatsächlich existieren auch personelle Verbindungen zwischen dem KWI-A und der FU, die wiederum Verbindungen im Hinblick auf das Fortleben von Ideen des KWI-A an der FU nahelegen. In mehreren „Tiefenbohrungen“ soll diesen Verbindungen nachgegangen werden, die bisher weder in der Forschung zum KWI-A noch in jener zur Geschichte der FU berücksichtigt wurden. Zu diesen Verbindungen gehören:

 

„Positive“ Eugenik an der FU: Mit Hermann Muckermann war eine Person Teil des Initiativkreises zur Gründung einer „freien Universität“ in West-Berlin, die von 1927 bis 1933 am KWI-A die Abteilung für Eugenik geleitet hatte. Ab 1947 lehrte Muckermann als Honorarprofessor an der FU und betreute hier Doktorand:innen. Von 1947 bis 1961 leitete er in der ehemaligen Villa des KWI-A-Direktors (Ihnestraße 24) das von ihm gegründete Institut für natur- und geisteswissenschaftliche Anthropologie. In Vorlesungen propagierte Muckermann seine bereits in den 1920er- und 1930er-Jahren entwickelten Ideen von einer Förderung besonders wünschenswerter Personengruppen. Durch das Team des Erinnerungsorts Ihnestraße sind bereits erste Vorarbeiten zu Muckermanns Tätigkeit an der FU erfolgt. Offen geblieben sind bisher Fragen insbesondere zu den Umständen von Muckermanns Berufung an die FU, zu seiner Einbindung in die Lehrendenschaft der Hochschule sowie zur Rezeption seiner Publikationen nach 1945 insbesondere im Kontext der FU. Mit diesen Vertiefungen sollen das Wirken und die Rolle Hermann Muckermanns an der FU besser eingeschätzt werden.

 

Humangenetik an der FU und das KWI-A: 1950 wurde an der Freien Universität Berlin das Institut für Genetik gegründet. Zu seinen Gründungsmitgliedern gehörte Hans Nachtsheim, der am KWI-A von 1941 bis Kriegsende die Abteilung für experimentelle Erbpathologie geleitet hatte. Das Institut für Genetik leitete Nachtsheim bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1955. Nachtsheim zählte zu den einflussreichsten Begründern einer modernen Humangenetik in der Bundesrepublik Deutschland und war auch international gut vernetzt. Er positionierte sich zudem öffentlich in Debatten. So sprach er sich Anfang der 1950er-Jahre dafür aus, freiwillige Sterilisationen auf Grundlage eugenischer Indikation zu legalisieren. Bezeichnenderweise verwies er in diesem Zusammenhang auf den von Hermann Muckermann 1932 mitausgearbeiteten Gesetzesentwurf für freiwillige Sterilisationen, den er als „gute Grundlage“ für ein neues Gesetz bezeichnete. Auch zur Einbindung Hans Nachtsheims an der FU sind erste Vorarbeiten erfolgt. Diese sollen um eine intensive Beschäftigung mit den Inhalten von Nachtsheims Forschungen an der FU ergänzt werden, die auch auf ihre (Dis-)Kontinuitäten zu seinen am KWI-A erfolgten Arbeiten untersucht werden

sollen.

 

Das KWI-A in Forschungen an der FU: Jenseits der beiden Personen Hermann Muckermann und Hans Nachtsheim soll die Rezeption der am KWI-A entstandenen Forschungen an der FU nachvollzogen werden. Hier soll der Fokus weniger auf Forschungsinhalten liegen als auf Forschungsmethoden, die am KWI-A eine zentrale Rolle einnahmen (u. a. physische Anthropologie, Daktyloskopie und Zwillingsmethode). Es soll nach ihrem Fortleben, ihrer Diskontinuität bzw. Abwandlung im Kontext von an der FU erfolgten Forschungen gefragt werden.

 

Kontakt:

Manuela Bauche

Sarah Vera John