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Der Freiheit verpflichtet

18.12.2010

Von Peter-André Alt

Anfang Dezember hat die Freie Universität ihr Gründungsfest mit der Verleihung der Ernst-Reuter-Preise für herausragende Doktorarbeiten begangen. Die Preisträger – ein Biochemiker, ein Physiker, ein Jurist und ein Philosoph – sind mehr als ein Vierteljahrhundert nach der Gründung unserer Universität geboren. Diese liegt nun 62 Jahre zurück, aber der sie treibende Anspruch ist für uns noch heute verpflichtend. Akademische Selbstbestimmung, Internationalität und wissenschaftliche Freiheit unter den Rahmenbedingungen einer demokratischen Gesellschaft gehören zu den Leitideen, denen unser universitäres Handeln auch im 21. Jahrhundert zu folgen hat.

In den kommenden Monaten begehen Helmut Coper und Stanislaw Kubicki, zwei Gründungsstudenten der Freien Universität, ihren 85. Geburtstag. Ihre Biografien waren zunächst geprägt von Krieg und Diktatur – politische Erfahrungen, aus denen beide ihr Engagement für akademische Freiheit und Mitbestimmung ableiteten. Stanislaw Kubicki, der Sohn einer deutschen Antifaschistin und eines von der Gestapo ermordeten polnischen Vaters, war der erste Student, der sich im Herbst 1948 an der Freien Universität einschreiben durfte. Helmut Coper stand im Immatrikulationsbuch nur eine Zeile unter ihm. Sein jüdischer Vater war von den Nazis im Konzentrationslager Theresienstadt getötet worden, seine Mutter bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen. Beide, Coper und Kubicki, begannen ihr Studium der Humanmedizin nach dem Krieg mit der Erwartung, dass ihnen die traditionsreiche Berliner Linden-Universität nicht nur eine berufsbefähigende Qualifikation vermitteln werde, sondern auch intellektuelle Spielräume jenseits der reinen Fachausbildung. Diese Hoffnung trog: Ideologische Zwänge und bürokratische Restriktionen beherrschten das universitäre Leben. Drei Verfasser kritischer Zeitungsartikel wurden aus politischen Gründen exmatrikuliert, die Zulassungsverfahren politisch überwacht, studentische Arbeitsgemeinschaften schikaniert. In der Folge organisierten sich die kritischen Berliner Studentinnen und Studenten selbstständig, um eine freie Universität ins Leben zu rufen, die diesen Namen wahrhaft verdienen sollte. Dass ihr Aufbau in staunenswert kurzer Zeit gelang, ist der Tatkraft von Gründern wie Coper und Kubicki zu verdanken. Beide sind nach ihrem Studium der Wissenschaft treu geblieben und haben bemerkenswerte akademische Karrieren durchlaufen. Stanislaw Kubicki erhielt eine Professur für Neurologie; Helmut Coper bekleidete den ersten Lehrstuhl für Neuropsychopharmakologie, der in Deutschland eingerichtet wurde. Beide lehrten und forschten bis zu ihrer Emeritierung an der Freien Universität. Wir können stolz auf unsere Gründungsstudenten sein. Mit ihnen feiern wir die Geschichte einer herausragenden Hochschule und das Glücken von Biografien, die durch Courage und intellektuelles Engagement gekennzeichnet sind.

Der Autor ist Präsident der Freien Universität Berlin