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Riechen für die Roboter

Neurobiologen bedienen sich der Honigbiene als Modell

Sie gilt als überaus fleißig, liefert süßen Brotbelag und bereichert mit ihrem Fluggeräusch sogar ein altes Kinderlied. Kaum ein Insekt ist hierzulande so geschätzt wie die Honigbiene – und das liegt nicht nur am zuckrigen Produkt ihrer Arbeit. Bienen sind soziale Wesen, die sich Aufgaben wie Futtersuche und die Aufzucht der Brut mit ihren Artgenossen teilen. „Aufgrund ihrer kognitiven Fähigkeiten kann man sie sogar als intelligente Insekten bezeichnen“, sagt Martin Nawrot, Neurobiologie-Professor an der Freien Universität. Die besonderen Leistungen der Bienen in der Wahrnehmung und beim Lernen macht sich der Wissenschaftler für seine Forschung zunutze.

Zusammen mit seinen Kollegen Professor Randolf Menzel und Sabine Krofczik untersucht er den „Bauplan“ bestimmter Hirnareale der Bienen, um herauszufinden, wie die Insekten riechen. „Der Geruchssinn ist für die Biene ebenso wichtig wie der Sehsinn. Das Verständnis der Geruchskodierung ist deshalb ein bedeutender Baustein für weitere Forschung, um daraus Mechanismen des Lernens, der Bildung eines Langzeitgedächtnisses und schließlich Entscheidungsprozesse im Gehirn der Bienen besser zu verstehen“, erklärt Martin Nawrot.

In einer aktuellen Studie konnten die Wissenschaftler entschlüsseln, wie verschiedene Duftklassen im Gehirn der Bienen kodiert werden. Bienen nutzten ihren hervorragenden Geruchssinn zur Ortung von Futterquellen ebenso wie zur Kommunikation, indem sie Duftstoffe aussenden. Während selbst produzierte Kommunikationssignale aus einzelnen oder sehr wenigen chemischen Komponenten bestehen, handelt es sich bei dem Duft von Blumen oder anderen Umweltsignalen in der Regel um ein komplexes Duftgemisch.

Bereits in vorangegangenen Studien hatten die Wissenschaftler herausgefunden, dass die Ausgangsneuronen im Zentralhirn der Honigbienen einen „erlernten“ Duft bereits nach 200 Millisekunden erkennen können. Damit war klar, dass die Verschlüsselung eines Duftstoffes in den Nervenzellen schneller ablaufen musste. In ihrer aktuellen Studie konzentrierten sich die Wissenschaftler deshalb auf schnelle Kodierungsarten.

Zudem versuchten die Forscher zu ermitteln, warum viele Insekten zwei anatomisch unterscheidbare Pfade für Duftinformationen aufweisen, den sogenannten „l“-Pfad und den „m“-Pfad, die diese ins Zentralhirn übermitteln. Um dieses Rätsel zu lösen, wurden die elektrischen Impulse der Neuronen mittels einer winzigen Glaspipette intrazellulär abgeleitet und die Nervenzellen mit Fluoreszenzfarbstoff angefärbt, damit sie dem jeweiligen Pfad zugeordnet werden konnten.

Auf diese Weise fanden die Wissenschaftler heraus, dass die Neurone einen räumlichen und einen zeitlichen „Code“ nutzen, um Duftstoffe zu entschlüsseln. Das „zeitliche“ Duft-Signal beschreibt die Art des Duftes in der Reihenfolge der Antworten verschiedener Neurone und steht sehr schnell zur Verfügung. Das „räumliche“ Signal der Antwortstärken hingegen baut sich langsamer auf, hält länger an und kann zusätzlich die Konzentration des Duftstoffes kodieren. Ihren Weg in höhere Hirnareale nehmen die Duftinformationen über beide Pfade, wobei die „m“–Projektionsneurone besonders stark auf ein Gemisch von Stoffen reagieren. Die Aktivität der „l“–Projektionsneurone hingegen wird oft unterdrückt, wenn mehr als nur eine Duftkomponente vorhanden ist. „Die unterschiedliche Verarbeitung zeigt, dass im Bienengehirn ein Geruch der Gruppe einfacher Düfte und der Gruppe komplexer Gemische zugeordnet wird“, erklärt Nawrot. So könne die Biene unmittelbar nach Aufnahme des Dufts unterscheiden, ob es sich um ein Kommunikationssignal oder ein Umweltsignal handelt.

Für Martin Nawrot und seine Kollegen sind diese Ergebnisse von grundlegender Bedeutung. Die Arbeitsgruppen von Martin Nawrot und Randolf Menzel sind Teil des „Nationalen Bernstein Netzwerks Computational Neuroscience“, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung insgesamt mit mehr als 100 Millionen Euro unterstützt wird. Im Rahmen dieses Netzwerkes planen die Neurowissenschaftler gemeinsam mit Biologen, Informatikern und Robotikern in sechs Arbeitsgruppen – davon vier an der Freien Universität und je eine an den Universitäten in Würzburg und Freiburg – zu erforschen, wie das Lernen, die Gedächtnisbildung und die Entscheidungsfindung bei Insekten funktionieren. „Wenn man die Funktionsweise des Bienenhirns für einfache Aufgaben verstanden hat, kann man dies nachbauen“, erklärt Martin Nawrot. Schließlich wollen die Wissenschaftler einen Roboter entwerfen, der mit künstlicher Intelligenz wie ein Insekt lernt, erinnert und entscheidet. Ob dieser dann auch in der Lage sein wird, Pollen und Nektar für den Honig zu sammeln, bleibt allerdings abzuwarten.