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Schaf gehabt – und Schwein auch

Wissenschaftler haben ein Verfahren entwickelt, um Tierversuche bei der Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen zu reduzieren

Von Julia Kimmerle

Es könnte ein Schaf sein, das sein Futter frisst. Oder ein Schwein, das eine Portion Mais verdaut. Erkennen kann man es nur mit viel Fantasie, denn auf den ersten Blick ist es nur eine Petrischale. Erst unter dem Mikroskop wird sichtbar: „Das sind Pansenzellkulturen, Zellen aus dem Verdauungstrakt von Schafen, mit denen hier in Düppel geforscht wird“, sagt Angelika Bondzio vom Institut für Veterinär-Biochemie am Fachbereich Veterinärmedizin der Freien Universität Berlin. Mit dem von Professor Ralf Einspanier und Dr. Angelika Bondzio in Kooperation mit dem Institut für Veterinär-Physiologie entwickelten In-Vitro-Modell kann unter anderem untersucht werden, was im Pansen eines Tieres passiert, wenn es mit gentechnisch verändertem Mais gefüttert wird. „In der Petrischale kann ein sogenanntes Vorscreening zeigen, ob die Bestandteile von gentechnisch verändertem Mais beispielsweise den Zellstoffwechsel beeinträchtigen – ähnlich, wie es im Pansen eines Schafes passieren könnte.“

Gentechnisch veränderte Pflanzen werden in Deutschland bisher nur an wenigen Orten angebaut: Im Jahr 2008 wurden etwa 3200 Hektar transgener Mais der Sorte „Mon810“ angebaut, der einzigen bisher in der EU zugelassenen Sorte. Das sind nur etwa 0,2 Prozent der gesamten Mais-Anbaufläche. Da dem Mais ein Genkonstrukt aus dem Bodenbakterium Bacillus thuringiensis (Bt) eingesetzt ist, produziert die Pflanze ein eigenes Insektengift und kann sich so auch ohne Pestizide gegen Schädlinge schützen, etwa gegen den sogenannten Maiszünsler. Ob der Mais, wenn er später an Nutztiere verfüttert wird, negative Auswirkungen auf deren Verdauung hat, ist ein Gebiet, auf dem seit Jahren auch in der Arbeitsgruppe von Professor Einspanier intensiv geforscht wird. Die Ergebnisse der Studie an der Freien Universität ergaben, dass die Zellen durch Zugabe dieses Proteins aus verändertem Mais nicht beeinträchtigt wurden.

Bisher waren die Methoden bei der Untersuchung solcher Effekte auf aufwändige Tierversuche beschränkt. Seit 2004 forschen die Mitarbeiter des Instituts schon an dem Verfahren, das in Zukunft dabei helfen kann, die Wirkung gentechnisch veränderter Pflanzen auf Tiere auch im Reagenzglas zu untersuchen. „Viele Untersuchungen mit gentechnisch veränderten Pflanzen werden nur mit Ratten oder Mäusen durchgeführt oder in vitro bisher mit Zellkulturen, die nicht aus dem Verdauungstrakt stammen – in unseren Untersuchungen stehen jedoch die Tiere im Mittelpunkt, an die Mais verfüttert wird. Das sind etwa Schafe, Rinder und Schweine.“ Damit sind In-vitro-Modelle solcher Tiere wesentlich näher an den Bedingungen in der Realität als Zellmodelle beispielsweise von Mäusen. Eine geeignete Zellkultur zu finden, gleicht zuweilen der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Deshalb sind diese Säugetier-Zelllinien selten und kostbar. Die Zellen sind zudem empfindlich: „Zellen aus dem Magen-Darm-Trakt zu isolieren und für die Forschung verfügbar zu machen, ist nicht einfach – optimale Bedingungen zu schaffen ist eine Herausforderung“, sagt Angelika Bondzio. Dass es Forschern der Freien Universität gelungen ist, eine eigene Zelllinie aus Pansengewebe zu gewinnen, war deshalb ein wichtiger Schritt. Diese grundlegenden Arbeiten sind eine wichtige Voraussetzung für ein Projekt, das in einem geplanten DFG-Sonderforschungsbereich „Nutrimodel – Wirkungen von Nahrungsmitteln im Tiermodell“ weiter verfolgt werden soll. Hier sollen die Effekte gentechnisch veränderter Pflanzen weiter analysiert oder neu zu etablierende Zelllinien aus den verschiedenen Abschnitten des Verdauungstraktes vom Schwein in die Untersuchungen einbezogen werden, sagt Angelika Bondzio: „Mit dem Vorscreening könnten in Zukunft nicht nur mögliche Effekte schon vor einem Tierversuch getestet, sondern auch verschiedene Langzeitversuche durchgeführt werden.“ Professor Einspanier ergänzt: „Solche Projekte werden auch im Ausland interessiert beobachtet. Sie können langfristig die gesetzlich geforderten Tier-Fütterungsversuche im Rahmen von Gentechnik-Zulassungsverfahren der EU ergänzen.“ Das Schaf in der Petrischale, es wird wohl Schule machen.