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Auf Sandhügeln und unter Palmen

Nicht nur die bekannten Sakralbauten Lateinamerikas fotografierte Detlef M. Noack, sondern auch die kleineren Kirchen in abgelegenen Regionen. Das Fotos zeigt das älteste Gotteshaus der Provinz Pernambuco in Olinda, Brasilien.

Nicht nur die bekannten Sakralbauten Lateinamerikas fotografierte Detlef M. Noack, sondern auch die kleineren Kirchen in abgelegenen Regionen. Das Fotos zeigt das älteste Gotteshaus der Provinz Pernambuco in Olinda, Brasilien.
Bildquelle: Bildarchiv Noack

Innenansicht der Kapelle Etzatlán in der Provinz Jalisco, Mexiko.

Innenansicht der Kapelle Etzatlán in der Provinz Jalisco, Mexiko.
Bildquelle: Bildarchiv Noack

Deckengestaltung in der Kirche von Manquiri im Departement Potosi, Bolivien.

Deckengestaltung in der Kirche von Manquiri im Departement Potosi, Bolivien.
Bildquelle: Bildarchiv Noack

Wandmalerei in der Sakristei von Santiago de Callapa im bolivianischen La Paz.

Wandmalerei in der Sakristei von Santiago de Callapa im bolivianischen La Paz.
Bildquelle: Bildarchiv Noack

Außenansicht einer Kirche in Antofagasta, Chile.

Außenansicht einer Kirche in Antofagasta, Chile.
Bildquelle: Bildarchiv Noack

Detlef M. Noack schenkte dem Kunsthistorischen Institut sein Bildarchiv: lateinamerikanische Kirchen in 14 000 Bildern

Von Sabrina Wendling

Eigentlich fühlt sich Detlef M. Noack als Naturwissenschaftler. Nach seiner Kriegs zeit als Sanitäter wollte er Medizin studieren, wurde aber abgelehnt. Daraufhin wandte er sich statt dem menschlichen Körperbau lieber historischen Bauten zu. So schrieb er sich im Jahr 1948 für die Fächer Kunstgeschichte und Archäologie an der Freien Universität Berlin ein, 1956 promovierte er. Heute ist Detlef M. Noack 82 Jahre alt und hat ein bewegtes Leben als Kunsthistoriker am Deutschen Archäologischen Institut in Madrid sowie in São Paulo, Kassel und Berlin hinter sich. Eine besondere Vorliebe hat Noack für Sakralbauten, besonders dann, wenn sie in seinem Lieblingsland Bolivien stehen. Mit seiner Kamera bereiste er sämtliche Länder Lateinamerikas – 14 000 seiner hochwertigen Dia aufnahmen schenkte er dem Kunsthistorischen Institut der Freien Universität.

Dokumentiert sind in dem Archiv nicht nur die bekannten Sakralbauten Lateinamerikas, sondern auch kleinere Kirchen in abgelegenen Regionen. Einige der kleinen Sakralbauten sind halb zerfallen, tauchen wie in der Wüste plötzlich auf einem Sandhügel auf, die Böden sind löchrig, an den Wänden bröckelt der Putz. Während die Kirchen der Jesuitenmission in Paraguay teilweise unter Palmen stehen, erheben sich die dicken weiß gekalkten Mauern der Adobekirche im chilenischen Antofagasta vor einer kargen Wüste. Jede der von Noack aufgenommenen Kirchen ist einzigartig: „Die großen Kirchen sind ja alle schon publiziert, das macht die kleinen viel interessanter“, sagt Noack.

Die kleineren Sakralbauten erschlagen den Beobachter nicht mit Goldschmuck und Prunk, sondern sie begeistern aufgrund ihrer fein gearbeiteten Fresken und einer Fülle von Ornamenten. Noacks Aufnahmen sind nicht nur schön anzuschauen, sie sind auch von besonderer historischer Bedeutung, da einige Kirchen mittlerweile durch Umwelteinflüsse beschädigt und andere modernisiert worden sind.

Am Kunsthistorischen Institut der Freien Universität ist man über die Schenkung hoch erfreut. „Wir arbeiten schon seit einiger Zeit daran, die Kunstgeschichte Lateinamerikas zu einem Schwerpunkt in Forschung und Lehre auszubauen“, sagt Margit Kern, „die Datenbank von Herrn Noack ist für uns eine große Unterstützung.“ Dem Kunsthistorischen Institut ist daran gelegen, den teilweise noch verbreiteten Eurozentrismus des Faches aufzubrechen: „Wir setzen regionale Schwerpunkte wie Ostasien, Südasien und Afrika und bieten auf diesen Gebieten auch einen Masterstudiengang an“, erklärt Kern und ergänzt: „In Zukunft soll auch Lateinamerika zu einem Schwerpunkt am Institut ausgeweitet werden.“ Eine Arbeitsgruppe zur spanischen und iberoamerikanischen Kunstgeschichte hat Margit Kern schon gegründet, in diesem Rahmen finden öffentliche Gastvorträge statt.

Die promovierte Kunsthistorikerin Margit Kern leitet derzeit auch das Digitalisierungsprojekt der 14 000 Dias. Dank der Förderung durch die Gerda-Henkel- Stiftung konnte bereits ein großer Teil der Aufnahmen in eine Online-Datenbank eingestellt werden, die nun öffentlich zugänglich ist. Die Bilder können in hoher Auflösung heruntergeladen werden.

Durch das umfangreiche Bildmaterial sollen Studenten langfristig zu Forschungsarbeiten über die Innenarchitektur lateinamerikanischer Sakralbauten angeregt werden. „Innenausstattungen sind viel zu selten im Bilddetail dokumentiert, und viele der Aufnahmen sind bislang nur in Schwarzweiß vorhanden“, beschreibt Kern den Forschungsstand. Daher sei die Datenbank für die internationale Forschung von großer Bedeutung.

Über 30 Jahre lang reiste Detlef M. Noack mit seiner Mitarbeiterin Barbara Gretenkord durch Lateinamerika. Noack machte die Diaaufnahmen, Gretenkord dokumentierte systematisch sämtliche Daten der Aufnahmen. Auch heute noch ist Noack sehr reiselustig, die Videokamera ist seine ständige Begleiterin. Erst kürzlich war er mit einigen seiner ehemaligen Studenten in Armenien. „Eigentlich wollten wir bis nach Georgien reisen, aber kurz vor der Grenze mussten wir wieder zurück, weil gerade der Krieg ausgebrochen war“, bedauert Noack.

Viele Länder hat sich der Kunsthistoriker schon angeschaut, und viele seiner Aufnahmen hat er auch publiziert, etwa die Farbfenster französischer Kathedralen, einen Bildband über Spanien und Griechenland und vieles mehr. Es gibt aber auch eine lange Liste mit Ländern, die Noack noch kennenlernen möchte: Neuseeland, Japan, Kanada, Alaska und die Mongolei. Im Januar des nächsten Jahres würde er gern nach New York fliegen, um einem Konzert von Anna Netrebko zu lauschen. Auch Skifahren geht der fast 83-Jährige fleißig, „wenn auch mit ein bisschen Bangen manchmal“, wie er schmunzelnd zugibt. Dabei allerdings hat er seine Videokamera ausnahmsweise mal nicht in den Händen.