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Anwalt der schönen Künste: Peter Raue

In einer Serie berichten wir über prominente Alumni der Freien Universität Berlin. Heute: der Rechtsanwalt Peter Raue

Deutschlandweit zählt Professor Peter Raue zu einem der bekanntesten Experten für Medien-, Presse- und Urheberrecht. 2004 gelang es dem Kunstliebhaber in seiner Funktion als Vorsitzender des Vereins der Freunde der Nationalgalerie, die berühmt gewordene „MoMA-Ausstellung“ nach Berlin zu holen. Im kommenden Juni folgt eine weitere hochkarätige Ausstellung eines der berühmtesten Museen der Welt: Das New Yorker Metropolitan Museum stellt seine französischen Meisterwerke in der Neuen Nationalgalerie aus. Ilka Seer sprach mit dem 65-Jährigen über seine Studienzeit und Honorarprofessur an der Freien Universität Berlin.


Als Vorsitzender der „Freunde der Nationalgalerie“ holte Peter Raue die legendäre „MoMA“-Ausstellung nach Berlin. Foto: Mike Wolff

Nach dem Erfolg der MoMA-Ausstellung haben Ihnen die Medien viele Kosenamen verliehen: „Anwalt der schönen Künste“, „Mr. MoMA“, „Missionar der Kunst“. Gefallen Ihnen diese Titel?

„Anwalt der schönen Künste“ höre ich gern, denn es deutet darauf hin, dass ich neben meinem Engagement für die Kunst auch noch als Anwalt tätig bin. Ich bin aber immer ein bisschen verbittert, wenn die Leute fragen, ob ich auch einen Beruf ausübe. Ich bin jeden Tag zehn Stunden in der Kanzlei und arbeite sehr intensiv in dem Bereich, den ich auch an der Freien Universität lehre: Urheber-, Persönlichkeits- und Presserecht. Das betrifft natürlich auch immer die schönen Künste. Auf diese Weise verbinde ich meine Leidenschaft mit dem Beruf.

Haben Sie damals, als Sie die MoMA-Ausstellung nach Berlin holten, geahnt, dass dies die wohl erfolgreichste Schau in Berlin werden würde?

Überhaupt nicht. Ich hatte mir große Sorgen gemacht, ob wir mit den rund neun Millionen Euro, die wir verauslagt und budgetiert hatten, über die Runden kommen würden. Meine Hoffnung war, das Geld wieder einzuspielen. Am Ende hat die Ausstellung allerdings nicht neun, sondern 14 Millionen gekostet, was nicht daran lag, dass wir falsch gerechnet hatten, sondern weil aufgrund des großen Besucheransturms weitere Kosten auf uns zugekommen waren. Wir mussten zum Beispiel eine sehr teure Entlüftungsmaschine anschaffen und zusätzliches Personal einstellen. Aber ich konnte nicht ahnen, dass es seit langem die erfolgreichste Ausstellung europaweit werden würde. Den Erfolg habe ich sehr genossen – aber erst, nachdem ich die Nachricht aus New York erhielt, dass alle Kunstwerke wieder unbeschadet im Museum of Modern Art gelandet waren.

Woher rührt Ihr großes Interesse an Kunst?

Das weiß ich nicht. Kunst war für mich schon immer Lebensinhalt, Daseinslust. Vielleicht ist es eine Flucht aus dem Alltag oder vor anderen Dingen.

Sie sind gebürtiger Münchner. Was hat Sie nach Berlin verschlagen?

Im Sommer 1961 war ich in Hamburg und wollte dort Theaterwissenschaft oder Schauspielerei studieren. Dann kam der Bau der Mauer und mit ihr waren die Universitäten in Berlin halb leer, weil unzählige Studierende aus Ost-Berlin nicht mehr in den Westen fahren durften. Der damalige Bundesinnenminister und CDU-Politiker Gerhard Schröder hatte dazu aufgerufen, dass jeder Student für ein Semester nach West-Berlin gehen sollte. Das habe ich sehr gerne wahrgenommen, weil meine eigentliche Liebe ja das Theater ist, und das war in Berlin damals großartig. Aus dem einen Semester, das ich in Berlin verbringen wollte, sind bis jetzt 98 geworden – und das Ende des Studiums ist noch nicht abzusehen …

Und weshalb haben Sie sich gegen die Schauspielerei und für ein Studium der Rechtswissenschaft entschieden?

Jura war schon immer meine zweite Überlegung gewesen. Die Schauspielerei habe ich gelassen, weil ich eine Zeit lang zu sehr im Zentrum der Genies gelebt habe. Ich habe in Hamburg die Großen der damaligen Zunft kennengelernt, wie Gründgens und die Flickenschild sowie Reincke, Haupt und Münch. Zu diesen Sphären mochte ich nicht streben und habe deshalb die Schauspielerei und das Theater zu meiner Geliebten gemacht. Zynisch könnte man auch sagen, ich bin Jurist geworden, weil Schauspielerei und Jura etwas miteinander zu tun haben. Der Jurist, speziell der Anwalt, schlüpft in die Rolle der Person, die er verteidigt und übernimmt deren Argumente.

Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Studienzeit an der Freien Universität Berlin?

Sobald ich mich entschieden hatte, nach Berlin zu gehen, wollte ich an der Freien Universität studieren und das Studium eigentlich in kürzester Zeit durchziehen. Meine Fakultät zeichnete sich damals durch eine einzigartige Jugendlichkeit der Hochschullehrer aus. Der Großteil des Lehrpersonals war erst zwischen 30 und 35 Jahre alt. So bedeutende Menschen wie zum Beispiel Peter Lerche und Klaus Stern waren damals sehr junge Leute, die uns unglaublich faszinierten.

Und was waren Sie für ein Student?

Ich gehöre der Vor-68er-Generation an. Wir siezten uns noch untereinander und gingen nicht ins Seminar, ohne eine Krawatte zu tragen. Vielleicht würde man heute sagen, es war eine heile Welt. Ich habe allerdings einige Semester lang das Jura-Studium auf kleinster Flamme gekocht, um andere Dinge, zum Beispiel Philosophie und Theaterwissenschaft, zu hören. Außerdem war ich im Studentenparlament und kurze Zeit AStA-Vorsitzender. Ich habe die Zeit damals als eine liberale und sehr schöne Zeit empfunden.

Heute stehen Sie auf der anderen Seite, Sie sind als Honorarprofessor am Fachbereich Rechtswissenschaft tätig. Hat sich die Freie Universität Berlin seit Ihrer Studienzeit verändert?

Ja, sie hat sich sehr verändert. Die Freie Universität hat, wie ich finde, einen grandiosen Präsidenten, der die Dinge in die richtige Richtung bewegt. Ich habe den Eindruck, dass an dieser Universität ein enormer Aufbruch im Gang ist. Ich würde mir nur wünschen, dass die Freie und die Humboldt-Universität noch stärker als bisher miteinander kooperieren.

Wie kamen Sie 1977 auf die Idee, den Verein der Freunde der Nationalgalerie, der 1929 gegründet worden und dem Nazi-Regime zum Opfer gefallen war, wieder zum Leben zu erwecken?

Ich bin gar nicht selbst auf diese Idee gekommen, sondern Dieter Honisch, der damalige Direktor der Neuen Nationalgalerie. Wir haben für die Gründung müheselig sieben Leute zusammengetrommelt. Keiner wollte den Vorsitz übernehmen, und ich hatte Lust dazu – mich interessierte die Nationalgalerie über den normalen Besucherbereich hinaus. Wir hatten uns auf einen Mitgliedsbeitrag von 1000 Mark geeinigt, was damals eine horrende Summe war. Wahrscheinlich gab es keinen anderen Verein, der einen solch hohen Beitrag verlangte. Heute haben wir 1300 Mitglieder und machen einen Millionenumsatz. Ich stehe dem Verein seit seiner Neugründung vor, übergebe aber das Ruder nächstes Jahr an die ehemalige Kulturstaatsministerin Christina Weiss.

Weshalb haben Sie bei all Ihrem Engagement für die Künste es immer wieder abgelehnt, Kultursenator in Berlin zu werden?

Weil ich immer so sehr in der Kulturszene – auch anwaltlich – verhaftet war, dass ich in einen echten Interessenskonflikt geraten wäre. Um ein Beispiel zu nennen: Ich habe Anfang der 80er-Jahre den Generalintendanten und Chefregisseur der Deutschen Oper, Götz Friedrich, bei seinen Etatverhandlungen vertreten und wollte erreichen, dass er einen höheren Etat erhält. Als Kultursenator hätte ich dann plötzlich sagen müssen, dass er mit dem Etat, den er jetzt hat, auskommen müsse. Mir war der freie Umgang mit den Künstlern wichtiger. Ich wollte nie die Rolle des Kulturverwalters übernehmen.

Am 1. Juni 2007 beginnt das nächste große transatlantische Ausstellungsprojekt. Vier Monate lang zeigt die Neue Nationalgalerie rund 150 Spitzenwerke der französischen Kunst des 19. Jahrhunderts aus dem Metropolitan Museum of Art in New York. Wie kam es zu dieser Kooperation?

Das Metropolitan schließt seinen Flügel mit den Werken der französischen Malerei wegen Restaurierungsarbeiten und hat uns angerufen und gefragt, ob wir die Schätze nicht in dieser Zeit – als einzige europäische Station – zeigen wollten. Sie hätten gesehen, wie professionell wir mit dem MoMA umgegangen seien. Das ist natürlich toll, denn noch nie in seiner über 100-jährigen Geschichte hat das Metropolitan Museum so viele seiner Schätze verliehen. Einige dieser Meisterwerke verlassen das Haus zum ersten Mal, andere werden es zum letzten Mal verlassen. Wir zeigen Bilder von Corot, Courbet, Degas, Monet, Manet, Cézanne und Gaugin.

Inwiefern passt diese Ausstellung zu Berlin?

Sie ergänzt die hervorragenden Bestände der deutschen und französischen Kunst dieser Epoche, die in der Alten Nationalgalerie zu sehen sind. Hugo von Tschudi, einer der ersten Museumsdirektoren Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts, hatte die Bedeutung der französischen Kunst erkannt und zahlreiche Werke für die Nationalgalerie erworben.

Begleiten Kunsthistoriker der Freien Universität Berlin die Ausstellung?

Thomas W. Gaehtgens, der bis zum Sommer 2006 als Professor an der Freien Universität tätig war und das Deutsche Forum für Kunstgeschichte in Paris gegründet hat, unterstützt uns und schreibt die Kommentare zu den Bildern.

Wie finden Sie neben Ihren vielen Aktivitäten auch noch die Zeit als Honorarprofessor an der Freien Universität Berlin tätig zu sein?

Ich finde die Zeit nicht nur, sondern ich nehme sie mir auch gerne. In jedem Sommersemester halte ich eine Vorlesung und im Winter ein Seminar. Es ist eine Frage der Zeiteinteilung und Schwerpunktsetzung. Mein Problem ist, dass ich keine Freizeit habe. Das Engagement außerhalb meines Berufs, der mein Leben bestimmt, führt leider auch dazu, dass ich enge Freunde oft monatelang nicht sehe. Aber man kann eben nicht alles haben.


ZUR PERSON

Professor Peter Raue wurde 1941 in München geboren und studierte Rechtswissenschaft, Theaterwissenschaft und Philosophie an der Freien Universität Berlin. Nach Abschluss des 1. Staatsexamens war er wissenschaftlicher

Assistent am Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht bei seinem Doktorvater Karl-August Bettermann, wo er über „Jugendgefährdende Schriften und Kunstfreiheit“ promovierte. Seit 1971 ist Peter Raue als Rechtsanwalt, seit 1981 als Notar in Berlin tätig. 1977 gründete er den Verein der Freunde der Nationalgalerie, dem er seitdem vorsteht. Aufgrund seiner kulturellen Verdienste um die Stadt Berlin hat ihm das Land 1995 den Titel des Professors ehrenhalber verliehen. Seit 2005 ist Raue Honorarprofessor für Urheberrecht an der Freien Universität.

Dank der gelungenen MoMA-Schau, die in erster Linie Raue zu verdanken war, hat das Metropolitan Museum of Art New York sich entschlossen, ausgewählte Schätze exklusiv in Berlin zu präsentieren. So werden vom 1. Juni bis zum 7. Oktober 2007 rund 150 französische Meisterwerke der Malerei in der Neuen Nationalgalerie präsentiert. VIP-Tickets und Führungen können gebucht werden, telefonisch unter: 030 / 25 46 47 85, Mo. bis Fr. 10 bis 16 Uhr, online: www.metinberlin.org. is