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Durchs Studium zum Theater

In einer Serie berichten wir über prominente Alumni der Freien Universität Berlin 
Heute: der Kabarettist Dieter Hallervorden

Der Schauspieler und Kabarettist Dieter Hallervorden ist nicht nur einer der beliebtesten Komiker Deutschlands, sondern auch studierter Romanist. Der gebürtige Dessauer belegte in Berlin romanische Sprachen und Publizistik und besuchte zusätzlich Vorlesungen und Seminare in Theaterwissenschaft. Seine Liebe zu Frankreich hat sich Dieter Hallervorden bis heute bewahrt: Wenn er nicht gerade in Deutschland arbeitet, lebt der 71-jährige Chef des Berliner Kabaretts „Die Wühlmäuse“ mit seiner Frau Elena und Sohn Johannes im bretonischen Trégastel. Ortrun Huber sprach mit Dieter Hallervorden über seine Studienzeit an der Freien Universität Berlin.


Herr Hallervorden, nach dem Abitur 1953 studierten Sie zunächst an der Humboldt-Universität, gingen dann aber 1958 nach West-Berlin und setzen Ihr Studium der Romanistik an der Freien Universität fort. Wie kam es zu dem Wechsel in den Westen?

Als Romanistik-Student in der DDR wurde ich, sobald meine Französisch-Kenntnisse geringfügig über der Marke „spärlich“ lagen, als Dolmetscher eingesetzt. So musste ich beispielsweise für ein Mitglied der Kommunistischen Partei Frankreichs übersetzen, der durch Ost-Berlin geführt wurde. Natürlich war – nicht nur aus reiner Gastfreundschaft – auch ein SED-Bonze dabei. Ich übersetzte die Fragen des ausländischen Gastes und die Antworten des deutschen Apparatschiks. Da passierte es denn schon mal, dass ich – natürlich entgegen der Vorgaben – den Franzosen darauf hinwies, dass die niedrigen Fleischpreise nur für das geringe Kontingent galten, auf das man für Lebensmittelkarten Anrecht hatte.

War das Ihre Form des Widerstands?

Ich freute mich, wie ich da „Aufklärung“ betreiben konnte. Dann ging ich aber bei einem internationalen Diskussionsforum auf der Insel Usedom einen Schritt zu weit. Da war ich wieder für einen ausländischen Gast zuständig und inzwischen darin geübt, meine persönlichen Kommentare einfließen zu lassen. Allerdings waren in den Blumenarrangements, die die Tische schmückten, Mikrofone versteckt. So flog ich auf – und von der Insel. In meiner Studentenbude in Niederschönhausen habe ich dann eilig meine Siebensachen in ein Köfferchen geworfen und bin per S-Bahn nach West-Berlin gefahren.

Und es gab keine weiteren Konsequenzen?

Meine Vermieterin schrieb mir wenige Tage später, dass kurz nach meinem Auszug zwei Herren da gewesen seinen, die mich zu einem Spaziergang hätten abholen wollen. Beide schienen ein wenig verärgert, mich verpasst zu haben.

Welche Unterschiede ergaben sich in Ihrem Studienalltag aus dem Wechsel von Ost nach West?

Ein eindeutiger Vorteil war die Tatsache, dass ich nicht mehr an der Zwangsunterrichtung in Russisch und Dialektischem Materialismus teilnehmen musste. Der große Nachteil war allerdings, dass ich das Abitur „nachmachen“ musste. Es hieß also, noch mal Dinge zu lernen, die man schon längst vergessen hatte und die man auch gleich nach bestandener Prüfung wieder vergessen konnte. Wie Funkeninduktoren funktionieren und zu welcher botanischen Gattung eine Primelart namens Siebenstern gehört, ist für Romanisten nicht gerade von ausschlaggebender Bedeutung.

Aber insgesamt denken Sie mit positiven Gefühlen an Ihre Zeit an der Freien Universität Berlin zurück?

Ja, es war eine sehr glückliche Zeit. Für mich war schon und gerade als junger Mensch meine persönliche Freiheit das höchste Gut. Nach Jahren der Bevormundung und Drangsalierung durch den SED-Staat konnte man im wahrsten Sinne des Wortes frei durchatmen. Daher zucke ich auch heute noch zusammen, wenn der Vorsitzende der SED-Nachfolgepartei, ein gewisser Herr Bisky, zur Beerdigung von Markus Wolf eine Rede voller Anerkennung hält.

Gibt es denn Begebenheiten an der Freien Universität Berlin, an die Sie sich besonders gerne erinnern?

An der Freien Universität bekam ich schnell Kontakt zu der Theatergruppe „La Compagnie des Inconnus“. Ich spielte im Theatersaal der Universität, im französischen Theater „L’Aiglon“, die Hauptrolle in „Les Fourberies de Scapin“, ich spielte den „EingebildetenKranken“ und viele andere Rollen. Das war die Zeit, in der in mir der Wunsch reifte, aus dem Hobby einen Beruf zu machen. Leicht übertrieben kann man sagen: Ohne die Freie Universität würde ich heute vermutlich irgendwo als Romanistik- Dozent jungen Menschen erklären, dass sich das lateinische a in offener Silbe zu é wandelte.

Welche Person hat Sie während des Studiums denn besonders geprägt?

Ich hatte neben Romanistik noch Publizistik belegt. Am meisten beeindruckten mich die Vorlesungen von Professor Emil Dovifat, bei dem ich später dann eigentlich auch promovieren wollte.

Warum kam es nicht dazu?

Ich hatte bereits das politisch-satirische Kabarett „Die Wühlmäuse“ gegründet, als ich mit Zustimmung der Romanistik- Fraktion von Professor Dovifat das Thema für meine Doktorarbeit bekam: „Charles Maurras und die Action Française“. Charles Maurras hatte für die katholisch geprägte Zeitung Action Française zahlreiche Leitartikel und Kommentare verfasst. Unikate dieser Ausgaben waren nur in der Bibliothèque Nationale in Paris einzusehen. Vor die Wahl gestellt, meinen bereits eingeschlagenen Bühnenweg weiterzugehen oder mich erst mal mit einem Doktortitel zu schmücken, versuchte ich mein Publikum sozusagen unpromoviert zu erobern.

Bis Ende der 1960er-Jahre musste man noch für das Studium zahlen. Wie haben Sie sich in West-Berlin finanziert?

Neben einem Stipendium habe ich meinen Lebensstandard und meine geliebten und inzwischen nostalgisch verklärten Frankreichreisen mit verschiedenen Jobs finanziert: Ich war Bauhilfsarbeiter, Bierfahrer, Lottozettel-Auswerter und Gartengehilfe.

Und was halten Sie heute von der Wiedereinführung von Studiengebühren?

Auszubildende Bäckerlehrlinge, Maurer oder Elektriker zahlen nicht für Ihre Ausbildung, sondern erhalten eine Ausbildungsvergütung. Warum sollten also Studenten für ihre Ausbildung zahlen? Die Erhebung von Studiengebühren ist nur in drei Fällen vernunftmäßig nachzuvollziehen: bei betuchten Eltern, bei deutlicher Überschreitung der zum Abschluss notwendigen Semesteranzahl und zu Beginn eines Zweitstudiums.

Haben Sie denn schon einmal Studenten, etwa der Theaterwissenschaft, unterrichtet?

Nein, ein derartiges Angebot wurde mir bisher nicht unterbreitet. Und da ich sehr wohl meine Möglichkeiten einzuschätzen weiß, würde ich so eine Aufgabe auch tunlichst auf satirisches Kabarett begrenzen. Grundsätzlich finde ich es aber sehr wichtig, dass Schauspieler und Kabarettisten anständig ausgebildet werden. Dachdecker, Schornsteinfeger, aber auch Piloten oder Astronauten würden nie auf die Idee kommen, ihren Job ohne Ausbildung anzutreten. So etwas trauen sich nur Schauspieler – leider oft zu Unrecht. Und da das Fernsehen die Zuschauer zu immer seichterer Unterhaltungsform führt, ist auch genügend Platz für Eintagsfliegen und Schmalspurgaukler. Aber es bleibt ein Trost: Niemand ist verpflichtet, sich diesen Schwachsinn anzusehen!