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Juristische Überfliegerin

Jutta Limbach ist der Freien Universität Berlin seit Jahrzehnten verbunden

Von Carsten Wette

In einer Porträtserie berichten wir über prominente Alumni der Freien Universität Berlin. Heute: die Präsidentin des Goethe-Instituts, Prof. Dr. Jutta Limbach.

Als sich die 21-jährige Jutta Ryneck 1955 an der noch jungen Freien Universität Berlin einschrieb, hatte sie ein Ziel vor Augen: über ein Studium der Rechtswissenschaft den Horizont erweitern, um politische Redakteurin zu werden. Doch es kam anders. Statt einer journalistischen Karriere schlug Jutta Ryneck, die später den Namen ihres Ehemannes Limbach annahm, eine in der Bundesrepublik wohl beispiellose politische und juristische Laufbahn ein: Von 1989 bis 1994 war Jutta Limbach Berliner Justizsenatorin unter Regierenden Bürgermeistern mit verschiedenen Parteibüchern – Walter Momper und Eberhard Diepgen. Im März 1994 wurde sie Richterin am Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts, ein halbes Jahr später rückte mit ihr erstmals eine Frau an die Spitze des höchsten deutschen Gerichts. Sie wurde mit Auszeichnungen überhäuft – 1999 und 2004 war sie sogar für das Amt des Bundespräsidenten im Gespräch.

Dass Jutta Limbach statt Zeitungsgeschichten Rechtsgeschichte schrieb, ist ihren Erfahrungen als Studentin und Referendarin in Dahlem geschuldet: „Ich habe gesehen, dass ich auch als Juristin schreiben und publizieren kann – ob als Richterin oder Hochschullehrerin.“ Ihr habe das Fach einfach Freude gemacht, erläutert sie und fügt lachend hinzu: „Das kommt selbst bei der Jurisprudenz vor.“

Der Freien Universität blieb Jutta Limbach nach ihrem Zweiten Staatsexamen treu. „Das war Zufall“, sagt sie bescheiden. Wichtiger war wohl die juristische Brillanz, die ihrem Doktorvater Ernst Eduard Hirsch auffiel, dem früheren Rektor der Freien Universität. Denn neben Jutta Limbach gelang 1962 nur einer weiteren Assessor-Kandidatin die bei Juristen äußerst selten vergebene Note „gut“. 1966 promovierte sie über „Theorie und Wirklichkeit der GmbH“, 1971 habilitierte sie sich zum Thema „Das gesellschaftliche Handeln, Denken und Wissen im Richterspruch“. Ein Jahr später folgte sie dem Ruf auf eine Professur am Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität. Trockene Juristerei liegt ihr indes nicht. „Meine Lehrbefugnis umfasste auch das Fach Rechtssoziologie“, hebt sie hervor, „damit war verbürgt, dass ich nicht auf eine selbstgenügsame dogmatische Art Jurisprudenz betreibe.“ Die politische Dimension des Rechts und dessen Bedeutung für die Menschen habe sie als Hochschullehrerin nie aus den Augen verloren, sagt Jutta Limbach.

Das gilt auch für ihre Zeit im Berliner Rathaus und in Karlsruhe: Als Senatorin oblag ihr die Neuordnung der Justiz des wiedervereinigten Berlin, die juristische Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit und die heikle Überprüfung von Justizpersonal aus dem Osten der Stadt. In Jutta Limbachs Amtszeit in Karlsruhe fielen der „Rentenbeschluss“, in dessen Folge Erziehungsleistungen stärker in die Rentenberechnung einflossen, die Billigung des eingeschränkten Asylrechts und der Beschluss zur Erlaubnis des Schächtens von Tieren aus religiösen Gründen. Als Gerichtspräsidentin ließ sie eine Pressesprecherin mit dem Ziel einstellen, Entscheidungen in verständlicher Sprache zu formulieren.

Wie wenig selbstverständlich der in den 1950er Jahren eingeschlagene Weg für eine Frau war, sei ihr zu Beginn ihres Studiums kaum bewusst gewesen, sagt Jutta Limbach. Das überrascht nicht, denn Gleichberechtigung war in ihrer Familie seit Generationen selbstverständlich: Schon ihre Urgroßmutter engagierte sich politisch, und ihre Großmutter saß für die SPD in der Weimarer Nationalversammlung. „Meine Eltern waren sehr liberal und angetan von der Idee, dass ich Jura studieren wollte“, betont sie.

Erst die neue Frauenbewegung in den 1960er Jahren habe sie mobilisiert, erklärt die Juristin. Für diese engagiert sich die dreifache Mutter bis heute: Anfang der 1980er Jahre gehörte sie dem ersten Beirat der an der Freien Universität gegründeten „Zentraleinrichtung zur Förderung von Frauen- und Geschlechterforschung“ an. Zum 25-jährigen Jubiläum der Institution vor wenigen Wochen kehrte sie an die Freie Universität zurück und mahnte als Festrednerin, Frauen dürften sich in ihrem Engagement für Gleichberechtigung nicht auf ihren Erfolgen ausruhen. Auch in anderen Gremien der Freien Universität war Jutta Limbach aktiv, bis vor einem Jahr gehörte sie deren Kuratorium an.

Nach dem Ende ihrer Amtszeit als Verfassungsrichterin vor vier Jahren nahm Jutta Limbach eine neue Herausforderung als Präsidentin des Goethe-Instituts an. Ihre ersten Entscheidungen musste sie unter Spardruck fällen. Inzwischen hat sich das Blatt gewendet: Ihrer Beharrlichkeit und vor allem dem Engagement von Außenminister Frank-Walter Steinmeier ist es zu verdanken, dass wieder mehr Mittel für Kulturarbeit in den 142 Instituten in 81 Ländern zur Verfügung stehen.

Ehemalige Studierende aus ihrer Zeit als Professorin laufen der Juristin immer wieder über den Weg – ob in Berlin, in ihrem neuen Arbeitsort München oder anderswo. Einem Kommilitonen von der Freien Universität ist Jutta Limbach seit mehr als vier Jahrzehnten ganz besonders verbunden: Es ist ihr Ehemann.

 

ZUR PERSON

Im Dienst des Auswärtigen Amts

 

Jutta Limbach wurde am 27. März 1934 in Berlin geboren. Sie studierte Rechtswissenschaft an der Freien Universität Berlin, promovierte und habilitierte sich dort. Sie erhielt einen Ruf an die Freie Universität Berlin und lehrte dort Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht sowie Rechtssoziologie. 1989 wurde sie im rot-grünen Senat unter Walter Momper Justizsenatorin. Das Amt behielt sie unter Eberhard Diepgen nach den ersten gesamtberliner Wahlen. 1994 wurde sie zur Richterin am Bundesverfassungsgericht gewählt, kurz darauf wurde sie Gerichtspräsidentin. Seit 2002 ist sie Präsidentin des Goethe-Instituts, der wichtigsten Institution zur Vermittlung deutscher Sprache und Kultur im Ausland. cwe