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Das kostet Geld

Von Dieter Lenzen

Kriegsfolgen-Verlängerung. Ein anderes Wort fällt mir für das Karlsruher Urteil nicht ein, das jetzt dazu führen wird, die Stadt innerhalb einer Handvoll Jahre in ein finanzpolitisches Chaos zu führen. Denn es gibt keine Alternative dazu, zumindest im Bildungs- und Hochschulwesen, weiter zu investieren. Die junge Generation, und nur sie, ist der Garant für die Zukunft des Landes und der Stadt. Jede Investition in ihre Ausbildung ist deshalb gerechtfertigt.


Dieter Lenzen; Foto: Uta Rademacher

Die Hochschulen sind nach etlichen Kürzungsrunden innerhalb von 25 Jahren auf weniger als die Hälfte ihres Umfangs um fast ein Drittel ihrer Budgets buchstäblich zusammengeschossen worden. Aber sie sind das Kleinod Berlins, die Schlagader, durch die das junge Leben der Stadt pulst, der Grund für die Intellektuellen der Welt, nach Berlin zu kommen, und die Basis für das Wort eines großen europäischen Politikers, der unlängst sagte, das intellektuelle Zentrum Europas sei Berlin. Löblich also die Absicht der verantwortlichen Politiker, hier keine weiteren Abstriche zu machen. Löblich auch, doppelt so viele Studienplätze bereitzuhalten, wie die Landeskinder benötigen. Es ist die Stadt, die die fremden Studierenden benötigt und es ist die junge Generation außerhalb Berlins, die in dieser Stadt gelebt haben muss, um zu erfahren, was Welt heißt. Das wird Geld kosten.

Berlin hat bei aller Jugendlichkeit einen hohen Alterskoeffizienten. Ihre Leistungsfähigkeit steht in direkt proportionalem Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die diese durch Weiterbildung und Personalentwicklung aufrechterhalten müssen. Das gilt auch für den öffentlichen Dienst. Das wird Geld kosten.

Die europäische Entwicklung im Schul- und Hochschulbereich geht auch an der Hauptstadt nicht vorbei: Bildungsstandards, die Einführung europäischer Hochschulabschlüsse, Maßnahmen zur Qualitätssicherung, der globale Wettbewerb – all das wird Geld kosten.

Es ist nicht das Versäumnis der Bürgerinnen und Bürger Berlins, dass an die so genannten Wende geglaubt oder auch nur suggeriert wurde, die Stadt würde sich binnen Kurzem in eine blühende (Industrie-)Landschaft verwandeln. Das liegt nicht an der „Subventionsmentalität“ der Einwohner, sondern daran, dass man offenbar vergessen hat, wofür diese Stadt subventioniert worden ist: um jene Freiheit durchzusetzen, an der das Land sich jetzt erfreut. Dafür haben Millionen Berliner Bürger gehungert, gelitten, Angst gehabt, verdrängt und in jenem Herbst 1989 tiefste Erleichterung empfunden. Gewinner, wie die zweite deutsche Hauptstadt, Bonn, wurden sie nicht. Aber sie werden die Ersten sein. Berlin ist die erste Stadt, und das gilt im besonderen Maße für die Wissenschaften, auch wenn die Resultate im Exzellenz-Wettbewerb dieses noch nicht nahelegen. Wo sonst als in Berlin soll die deutsche Wissenschaftshauptstadt, die europäische Wissenschaftshauptstadt sein? Ist dem Bund dieses wirklich gleichgültig? Kann das selbst den Bundesländern gleichgültig sein? Wollen ihre Kultus- und Wissenschaftsminister in Brüssel weiter in Kompaniestärke antreten und mit 17 Stimmen reden? Und wenn der Föderalismus als Kriegsfolge heute noch verschärft wird, braucht dann das Land umso mehr sein intellektuelles Zentrum? Noch ist es Zeit. Die Kultur- und Wissenschaftsinstitutionen der Stadt sind noch nicht demoralisiert, sie sind leistungsfähig, auf hohem Niveau und in kraftvoller Erwartung auf den Startschuss. Dazu könnte eine Bundesstiftung „Kultur- und Wissenschaftshauptstadt“ die Grundlage sein. Karlsruhe hat ja nicht verboten, sondern lediglich nicht erzwungen, dass der Bund Verantwortung zeigt.

Aber das kostet Geld!

Der Autor ist Präsident der Freien Universität Berlin.