Frisch gegründet ist halb gewonnen
Ein neues Konzept der Freien Universität Berlin hilft Studierenden und Absolventen, wissenschaftliche Erkenntnisse marktreif zu machen und ein eigenes Unternehmen zu gründen
Die zwei Tischböcke und die Glasplatte lehnen noch an der Wand: Sie dienten als provisorischer Schreibtisch, als Stefan Arndt und Thomas Straßburg Anfang Juni in das Gründerzentrum der Freien Universität in der Haderslebener Straße zogen. Inzwischen sind die Räume eingerichtet, und die beiden Diplomkaufleute können sich voll und ganz auf ihr Projekt konzentrieren: den Businessplan für ihre künftige Computerfirma Tomarni. Das Projekt wird im Rahmen von „Exist-Seed“ unterstützt, einem Förderprogramm des Bundes für technikorientierte Unternehmensgründungen aus Hochschulen (siehe Artikel unten rechts).
Hätten Stefan Arndt und Thomas Straßburg schon zu Studienzeiten ein eigenes Büro gehabt, wären sie vielleicht gar nicht auf ihre Geschäftsidee gekommen. In ihrer Studentenbude jedoch, mit Bett und Arbeitsplatz in einem Zimmer, störte sie das ständige Summen und Brummen des Computers. So kamen sie auf die Idee, ein komplett lautloses Computersystem zu entwickeln. „Was an einem Rechner Lärm macht, sind die Kühler am Prozessor und an der Grafikkarte, also dort, wo Hitze entsteht“, erläutert Thomas Straßburg. „Wir haben ein so genanntes passives Kühlungssystem entwickelt und durch Oberflächenvergrößerung die Lüfter überflüssig gemacht.“ Vereinfacht gesagt: Aluminium-Lamellen führen die Hitze vom Prozessor ab, während sich das komplette Computersystem durch die natürliche Luftströmung mit kühler Außenluft versorgt – ganz ohne Geräusch. Zudem sorgen die Isolierung und eine spezielle Installation der Festplatte dafür, dass auch hier kein Lärm entsteht. Als positiver Nebeneffekt dieser neuen Technik sinkt sogar der Stromverbrauch.
Dass Computergeräusche die Konzentration beeinträchtigen, ist keine fixe Idee von ehemaligen Studenten in bescheidenen Wohnverhältnissen. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz rechnet vor, dass bei einer Lärmreduzierung von sechs bis zehn Dezibel die Fehlerquote von Computernutzern um rund 50 Prozent sinke. Deshalb sind die Rechner der beiden Tüftler nicht nur für ihre Freunde und Bekannten attraktiv, die sich bereits mit der neuen Technik versorgt haben, sondern vor allem für Unternehmen, die ein Interesse an effizient arbeitenden Angestellten haben. Zwar hatten Stefan Arndt und Thomas Straßburg schon als Jungen – beide drückten seit der Einschulung die gleiche Schulbank – den Wunsch, eine eigene Firma zu gründen. Nach ihrem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Freien Universität wollten sie erst einmal Berufspraxis sammeln. Als sie jedoch von der Gründungsförderung an der Freien Universität erfuhren, entschlossen sich die beiden 29-Jährigen, ihre alten Pläne wieder aufzugreifen. Jetzt sind sie zwar zunächst wieder Angestellte, diesmal der Universität, doch mit dem klaren und zeitlich umrissenen Ziel der Existenzgründung: „Wir sind sehr froh, hier im Gründerzentrum zu sein“, sagt Stefan Arndt. „Unser Angestelltenstatus hält uns für ein Jahr den Rücken frei. Wir können uns voll und ganz auf unsere Geschäftsidee konzentrieren, statt womöglich vorschnell Umsatz machen zu müssen. Außerdem öffnet ein seriöser Partner wie die Freie Universität natürlich viele Türen.“
Neben dem Räumen in der Haderslebener Straße hat das Gründerzentrum der Freien Universität Berlin zwei weitere Standorte: in der Arnimallee beim Fachbereich für Physik und in einer Villa in der Altensteinstraße. Das Gründerzentrum ist Teil eines umfassenden Konzepts, das darauf zielt, wissenschaftliche Ergebnisse wirtschaftlich zu verwerten. Ein frisch aufgestelltes Team von 15 Mitarbeitern an der Freien Universität unterstützt Studierende und Absolventen dabei, ihre Geschäftsideen marktreif zu machen und das eigene Unternehmen an den Start zu bringen. „Ein Studium muss nicht in eine Tätigkeit als Angestellter münden, es gibt andere Möglichkeiten, eben zum Beispiel als eigener Chef“, sagt Patrik Varadinek, Leiter des Teams Wissens- und Technologietransfer an der Freien Universität. Dabei gehe es nicht allein darum, Forschungsergebnisse zu kommerzialisieren, etwa über Patente und Lizenzen oder Kooperationen mit der Industrie. „Die Region braucht mehr Arbeitsplätze, und die können über neu gegründete Unternehmen geschaffen werden“, so Varadinek. Deshalb fördern auch der Europäische Sozialfonds und das Land Berlin zwei Projekte der Freien Universität, die mehr Absolventen in die Lage versetzen sollen, ihre eigene Firma aufzubauen: ein Beratungs- und ein Qualifizierungsprojekt.
Beim Beratungsprojekt orten künftig so genannte Technologie-Scouts wissenschaftliche Ergebnisse an der Freien Universität, die auch wirtschaftlich vielversprechend sind. Zudem beraten die Technologie-Scouts, in welcher Form die Kenntnisse verwertet werden können: als Schutzrecht, als Industriekooperation oder als eigene Firmengründung. Ein Finanz-Scout entwickelt dazu die passenden Finanzierungskonzepte. Außerdem wird das Expertenwissen der Universität gebündelt und leichter zugänglich gemacht. So stehen Professoren als Ansprechpartner für ihre Fachgebiete bereit. Ehemalige der Freien Universität, die Praxis-Know-how einbringen oder selbst erfolgreiche Firmengründer sind, bieten Rat, und Mentoren begleiten den Schritt in die Selbstständigkeit. Außerdem wird künftigen Gründern die Phase bis zum Start erleichtert, indem sie, wie im Fall der künftigen Firma Tomarni, mietfrei Büros und Infrastruktur nutzen können.
Nach der Gründung kommen junge Unternehmer an der Universität leichter an Aufträge. Arndt und Straßburg von Tomarni schätzen das akademische Umfeld auch als Testmarkt – so präsentierten sie mit großem Erfolg ihre Geschäftsidee auf der Langen Nacht der Wissenschaften. Denn an der Universität sind es vor allem die Menschen, die zählen: das Netzwerk, auf das die angehenden Gründer zugehen können und in das sie sich einbringen. Auch Professor Thomas Schmülling, Ansprechpartner für Bio- und Gentechnologie im Expertenpool, ist überzeugt: „Das Wichtigste ist, die richtigen Leute miteinander bekannt zu machen und zueinander zu bringen.“ Daher gibt es einen monatlichen Gründerstammtisch, bei dem sich angehende Unternehmer und Studierende, die einfach nur „schnuppern“ wollen, zusammenfinden.
Ziel des Qualifizierungsprojekts der Freien Universität ist es, in Zeiten prekärer Beschäftigungsverhältnisse schon unter den Studierenden unternehmerisches Denken und Handeln herauszubilden. So stehen zum Wintersemester beim berufsqualifizierenden Angebot der Bachelor-Studiengänge erstmals Module auf dem Programm, die Unternehmergeist wecken sollen. Ein Beispiel ist der Businessplan-Wettbewerb Berlin-Brandenburg, dessen vielfältiges Angebot die Freie Universität für die Lehre nutzt. Studierende lernen, worauf es bei einem Geschäftskonzept ankommt. Dreh- und Angelpunkt ist die Geschäftsidee. Genauso wichtig ist es aber, den Markt richtig zu analysieren, die Verkaufspreise marktgerecht zu gestalten, Finanzen und Liquidität solide zu planen und Personal professionell einzusetzen. Die Studierenden haben die Gelegenheit, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen, Seminare zu besuchen und eine Geschäftsidee zu einem Businessplan auszuarbeiten.
Wenn sie ihr Studium beendet haben, kann dem einen oder anderen die Gründungsförderung den Schritt in die Selbstständigkeit erleichtern. Auch die künftigen Unternehmer von Tomarni schätzen die relative Sicherheit, die ihnen die Förderung gibt bei dem Wagnis, sich selbstständig zu machen. „Das unternehmerische Risiko ist für sich betrachtet das gleiche geblieben“, sagt Stefan Arndt. „Aber weil Arbeitsplätze von Angestellten heute viel unsicherer sind als vor 30 Jahren oder überhaupt nur noch befristet eingestellt wird, relativiert sich die Unsicherheit erheblich.“ Und Thomas Straßburg ergänzt: „Wir sind bei unserer Lebensplanung nicht von den Entscheidungen anderer abhängig – und es ist ja kein Geheimnis, dass es riesig motiviert, für den eigenen Erfolg zu arbeiten.“
Weitere Informationen im Internet: www.gruenden.fu-berlin.de
Von Kerrin Zielke