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Totgesagte leben länger

Ein urzeitlicher Nadelbaum zieht im Botanischen Garten ein

Im Botanischen Garten der Freien Universität Berlin werden Pflanzen, die besonders sehenswert sind, sei es durch die Blüte oder einen außergewöhnlichen Fruchtstand, durch einen roten Punkt gekennzeichnet. In einer Serie stellen wir diese botanischen Schätze vor. Diesmal: die Wollemie.

Seit Anfang Mai ist der Botanische Garten der Freien Universität Berlin um eine Attraktion reicher. Im Australienhaus des Gartens erhielt das „lebende Fossil“ Wollemia nobilis ein schützendes Domizil. Der Nadelbaum zählt zu den seltensten und ältesten Pflanzen der Welt. Wollemia ist neben Araucaria und Agathis die dritte Gattung in der Familie der Araukariengewächse (Araucariaceae) und enthält eine einzige Art: Wollemia nobilis.

Als Parkranger David Noble in einem australischen Nationalpark die Wollemie vor zwölf Jahren zufällig entdeckte, war dies eine botanische Sensation – in etwa vergleichbar mit dem Auffinden eines noch lebenden Dinosauriers. Der urtümliche Nadelbaum galt als ausgestorben und war bis zu diesem Zeitpunkt nur aus Fossilfunden bekannt. Der älteste versteinerte Nachweis ist 90 Millionen Jahre alt. Vermutlich bedeckte Wollemia nobilis gemeinsam mit ihren Verwandten einst weite Areale des südlichen Urkontinents Gondwana, bis sie nach und nach durch die Eiszeiten verdrängt wurden. Wahrscheinlich lange, bevor der erste Mensch auf der Erde erschien, hatten sich die letzten Bestände von Wollemia nobilis in die heutigen Zufluchtsstätten in Australien zurückgezogen.

Heute sind die seltenen Nadelbäume nur noch im Wollemi Nationalpark zu finden, rund 200 Kilometer westlich der australischen Metropole Sydney. Ihr Standort wird streng geheim gehalten, denn es existieren inzwischen noch nicht einmal mehr 100 ausgewachsene Exemplare. Die Wollemien wachsen in schwer zugänglichen Schluchten und können bis zu 40 Meter hoch werden. Die Rinde älterer Bäume ist blasig und erinnert an blubbernde Schokolade. Ihre weichen Nadeln gleichen denen der Eibe. Jeder Baum trägt sowohl männliche als auch weibliche Zapfen. Sie sitzen am Ende von Seitenzweigen und werden bei der Samenreife gemeinsam mit dem Zweig abgeworfen.

Unter Federführung des Botanischen Gartens in Sydney bemüht sich Australien um die Rettung dieser „lebenden Fossilien“. Dank eines umfangreichen Forschungsprogramms werden Tausende Jungpflanzen herangezogen und weltweit verbreitet, um die Art vor dem Aussterben zu bewahren und sie gründlich zu erforschen. Neuere molekularbiologische Untersuchungen haben gezeigt, dass Wollemia nobilis – ähnlich wie die beiden anderen Gattungen der Araukarien-Familie – eine extrem geringe genetische Variation im Erbgut aufweist. Weshalb Wollemia nobilis trotz ihrer geringen genetischen Diversität Jahrtausende überlebte, ist noch nicht geklärt. Normalerweise erhöht die genetische Vielfalt von Pflanzen- und Tierarten ihre Chancen, sich veränderten Umweltbedingungen anzupassen und zu überleben.

Auch der Botanische Garten der Freien Universität Berlin pflegt nun eine nachgezogene Wollemie und trägt damit zum Schutz dieser wertvollen Art bei. Das Berliner Exemplar ist derzeit etwa zwei Meter hoch und drei bis vier Jahre alt. Allerdings ist es noch ungewiss, ob die weltweite Rettungsaktion zum Wohl der Wollemien gelingt: Denn wie Wollemia nobilis auf Krankheitserreger reagiert, mit denen sie aufgrund ihrer isolierten Lage bislang keinen Kontakt hatte, ist noch nicht bekannt.

Das Programm zur Rettung der Wollemie ist nicht auf Botanische Gärten oder Parks beschränkt. Pflanzenliebhaber können hierzulande eine geringe Anzahl der Bäume erwerben. Informationen dazu sind im Internet unter der Adresse www.wollemipine.com erhältlich. Die Lizenzerlöse dienen dem Schutz des natürlichen australischen Bestandes. Ein Teil der in Deutschland erzielten Einnahmen kommt dem hiesigen Natur- und Artenschutz zugute.

Der Garten und die Gewächshäuser sind täglich ab 9 Uhr geöffnet. Internet: www.botanischer-garten-berlin.de

Von Brigitte Zimmer, promovierte Biologin am Botanischen Garten der Freien Universität Berlin.