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Warum gilt der Mai als Wonnemonat?

Leser fragen, Forscher antworten

Siegfried Lippmann aus Köpenick möchte wissen, warum die Wonne ausgerechnet für den Monat Mai namensgebend wurde. Der Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Bernd Balzer antwortet ihm.

Der Begriff erklärt sich – so scheint es – selbst: „Wonne“ ist Synonym, aber auch Steigerung zu „Freude“. Zu beidem bietet der Frühling allemal Anlass. Natürlich beginnt er im März; gleichwohl konzentrieren sich im allgemeinen Bewusstsein die positiven Elemente des Frühlings auf den Mai: Die Veilchen blühen, alles erneuert sich und auch die menschlichen Triebe erwachen. Zahlreiche Volksbräuche wie die Walpurgisnacht, der Maibaum, Maisingen, Mairitte feiern dieses Gefühl. Dabei ist das Tierreich schneller, denn die Jungtiere sind zumeist schon Ende April geboren, damit ihnen das reichliche Futterangebot im Mai zugute kommen kann. Und diesen Zusammenhang hat die Sprache mit dem Wort „Wonnemond“ durchaus aufbewahrt: Es geht zurück auf althochdeutsch (8. bis 11. Jh.): wunnimanod oder winnimanod, und winni bedeutete Weide. Der Mai war und ist Weidemonat. Noch in althochdeutscher Zeit gab es Umdeutungen des winni zu wunni = nhd. Wonne (der Legende nach sogar durch Karl den Großen höchstselbst) – und damit war man bei der Bedeutung Freudenmonat. Nebenher existiert aber auch im Neuhochdeutschen regional das Wort Weidemonat, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem alpinen Almauftrieb.

„Dichter, Sänger und Liedermacher besangen und besingen den Mai als ,Wonnemonat‘, in dem es endlich Frühling wird“, kann man zum Beispiel im Internetportal „Frankfurt interaktiv“ lesen, das auch eine Reihe von Frühlingsgedichten zitiert. Das Wort „Wonnemonat“ sucht man darin freilich vergebens, und es kommt in der Lyrik, nicht einmal der romantischen – aber auch im Volkslied – kaum vor: Vom „wunderschönen Monat Mai…“ schrieb Heine; den „Wonnemonat“ hat er verschmäht. „Winterstürme wichen dem Wonnemond“ dichtete dagegen Richard Wagner für seine „Walküre“ in falsch verstandenem Stabreim. Nicht nur der Germanenkult mag andere Autoren von solcher Wortwahl abgehalten haben: „Wonne“ hat häufig auch eine komische oder gar ironische Nebenbedeutung. Das erstere bezeugt der „Wonneproppen“, ironische Distanz registrieren die Wörterbücher mit dem Beispielsatz „Es war ihm eine wahre Wonne, andere zu schikanieren.“