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Zusammenhalt und Gründergeist

Ein Rückblick auf drei Jahrzehnte wechselvolle Institutsgeschichte

10.06.2016

Gute Stimmung in der Takustraße: Ein Blick in den Informatik-Hörsaal zur traditionellen Semesterabschlussfeier zeigt das kollegiale Miteinander von Studierenden und Wissenschaftlern.

Gute Stimmung in der Takustraße: Ein Blick in den Informatik-Hörsaal zur traditionellen Semesterabschlussfeier zeigt das kollegiale Miteinander von Studierenden und Wissenschaftlern.
Bildquelle: Christian Zick

Ob Suchmaschinen, Big Data oder Smartphone – der Siegeszug der Informationstechnik hat die Welt radikal verändert. 1943 hatte der damalige IBM-Chef Thomas Watson noch geschätzt, dass es "einen Weltmarkt für vielleicht fünf Computer" gäbe. Nur wenige Jahrzehnte später entwickelte sich die Informatik zu einem der innovationsstärksten Forschungszweige und ist heute aus der universitären Landschaft nicht mehr wegzudenken.

Dass der Weg dahin nicht immer leicht war, haben die Gründer des Instituts für Informatik an der Freien Universität selbst miterlebt. 1986 traten mit Klaus-Peter Löhr, Heinz Schweppe und Helmut Alt die ersten Professoren am damals neugegründeten Institut ihren Dienst an, in den darauf folgenden Jahren kamen EmoWelzl, Elfriede Fehr und Thomas Strothotte hinzu.

"Das war eine ganz besondere Zeit", erinnert sich Elfriede Fehr. Deutschlandweit habe ein großer Mangel an fachkundigem Personal geherrscht – so auch am neugegründeten Institut. "Ob man weiblich, männlich, blutjung war, spielte da keine Rolle. Nur kompetent musste man sein." So sei ihr Kollege Emo Welzl gerade 28 Jahre alt gewesen, als er den Ruf ans Institut erhielt – der jüngste Professor Deutschlands. "Dass die Entscheidung absolut richtig war, zeigt sich schon daran, dass Emo Welzl wenige Jahre später der Leibniz-Preis, also die höchste Auszeichnung für Mathematik und Informatik, verliehen wurde", sagt sie.

Bevor sich das sechsköpfige Professorenteam jedoch der Forschung widmen konnte, galt es, das Institut aufzubauen und Studiengänge zu konzipieren. Ein Knochenjob, wie sich Heinz Schweppe erinnert: "Andere Universitäten hatten bereits seit Jahren informatische Fachbereiche. Dadurch, dass die Freie Universität lange Zeit eine stark geisteswissenschaftlich geprägte Universität war, empfanden viele das Fach als verzichtbar." So habe es lange gedauert, bis überhaupt die Entscheidung fiel, Informatik als Studienfach auch an der Freien Universität anzubieten.

Und danach sei der organisatorische Aufwand immens gewesen, so der emeritierte Professor. "Anfangs hatten wir auch keine eigenen Räume, denn das Institutsgebäude musste erst noch errichtet werden." So mieteten sich die Informatiker erst einmal in der Nestorstraße in der Nähe des Kurfürstendamms ein. "Wir betrieben dort sozusagen praktische Informatik aus dem Hinterhof", sagt Elfriede Fehr und lacht. "Das war alles eher schlicht und sah gar nicht recht nach Institut aus. Die Kollegen in Dahlem beneideten uns aber um die Nähe zu der berühmten Einkaufsstraße, und wir haben uns dort sehr wohl gefühlt."

Gab es zunächst nur einen Nebenfachstudiengang Informatik für Mathematik und Lehramtsstudenten mit rund 80 Studierenden pro Jahrgang, konzipierte das Professorenteam schon nachwenigen Jahren einen Diplomstudiengang. Bald studierten mehr als 200 junge Menschen pro Jahr am Institut. "Bei der Einführung der Studiengänge haben uns damals viele Kollegen aus den naturwissenschaftlichen Studiengängen und der Mathematik stark unterstützt", sagt Elfriede Fehr. Hintergrund sei unter anderem die beachtliche inhaltliche Schnittmenge der Disziplinen gewesen. "Eine ganze Reihe mathematischer Problemstellungen sind zum Beispiel nur mit informatischen Methoden zu bewältigen."

Für Studienanfänger sei das Fach damals sehr attraktiv gewesen. "Das war die Zeit, in der die Digitalisierung begann. Überall in der Wirtschaft gierte man nach Informatikern. Es bestand ein derartiger Fachkräftemangel, dass die Absolventen uns regelrecht aus den Händen gerissen wurden. Wer Informatik studiert hatte, war in vielen Firmen eine gemachte Frau beziehungsweise ein gemachter Mann", sagt die emeritierte Professorin rückblickend.

1993, pünktlich zur Einführung des Diplomstudiengangs, wurde der Institutsneubau in der Takustraße in Berlin-Dahlem bezugsfertig und die Professoren verließen ihre Büros in der Nestorstraße, um sich endlich in der Nähe ihrer Kollegen aus den anderen Fachbereichen in Dahlem niederzulassen. Doch kaum hatten sich die Informatiker dort eingerichtet, kam mit dem Haushaltsstrukturgesetz 1996 die Forderung auf, das Institut zu schließen. "Berlin verfügte nach Öffnung der Mauer über drei Universitäten – die Technische Universität, die Humboldt-Universität und die Freie Universität. Und alle drei betrieben ein Institut für Informatik", sagt Heinz Schweppe. „Da stand die Überlegung im Raum, eines der Institute einzusparen.“

Ein Rückschlag, der die Professoren jahrelang beschäftigen sollte. Entschlossen kämpften sie für den Erhalt – mitunter auch mit ungewöhnlichen Methoden. "Zur Altweiberfastnacht 1996 gab es eine Sitzung des Akademischen Senates der Freien Universität, an der Politiker der Senatsverwaltung und der damalige Präsident Johann Wilhelm Gerlach teilnahmen. Da ging es auch um die Schließung des Instituts", sagt Elfriede Fehr. "Als Rheinländerin habe ich einen etwas anderen Bezug zum Karneval als der durchschnittliche Berliner. Nach der Sitzung hielt ich also eine Büttenrede zum Thema und schnitt dann mit einer Schere dem Präsidenten und den anderen anwesenden Herren die Krawatten ab."

Ob diese Aktion zum Weiterbestehen beigetragen hat? Fest steht: Mit tatkräftiger Unterstützung aus den naturwissenschaftlichen Fachbereichen der Freien Universität und der Mathematik gelang es schließlich, das Institut zu erhalten. Diese einigten sich darauf, über ihr Soll hinaus Ressourcen einzusparen und für die Informatik freizumachen.

Danach erlebte das Institut eine Blütezeit. "Die Studierendenzahlen stiegen stetig. Wir hatten uns immer gegen einen Numerus Clausus gewehrt, aber im Jahr 2000 mussten wir ihn einführen, weil unsere Kapazitäten mehr als erschöpft waren", sagt Elfriede Fehr. "Der Internetboom war in vollem Gange. Teilweise saßen die Studierenden auf den Gängen, weil sie keinen Platz mehr fanden", erinnert sich Helmut Alt.

In dieser Zeit fing der heutige geschäftsführende Direktor des Institutes, Juniorprofessor Wolfgang Mulzer, gerade mit dem Studium an. "Ich hatte schon als Schüler Vorlesungen von Klaus-Peter Löhr besucht, und die angenehme Atmosphäre hier hat mich überzeugt." Manches habe sich strukturell verändert, und auch die Studienpläne seien nicht mehr die gleichen, nach wie vor zeichne sich das Institut aber durch Kollegialität und ein gutes Klima zwischen Lehrenden und Studierenden aus.

Davon sind auch die Hochschullehrer der ersten Stunde überzeugt, die – obgleich mittlerweile im Ruhestand – noch immer gerne ans Institut zurückkehren. So sitzen Professoren und Professorinnen der älteren und jüngeren Generation einmal wöchentlich beim Mittagessen zusammen und besprechen aktuelle Projekte und Entwicklungen. "Wir haben damals hart für den Auf- und Ausbau des Instituts kämpfen müssen, aber eine andere Stelle kam für mich nie in Frage", resümiert Elfriede Fehr.

Dass sich diese Überzeugung bis in die nächste Generation gehalten hat, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass Wolfgang Mulzer nach mehreren Jahren Forschung in Princeton in den USA an seine Alma Mater zurückgekehrt ist. Er wurde auf Helmut Alts Professur berufen, der vor Kurzem in den Ruhestand gegangen ist. Damit beerben er und seine Kollegen eine Professorengeneration, die sich in ungewöhnlich großem Maße für ihr Fach und ihr Institut eingesetzt hat und stolz auf das Erreichte zurückblicken kann.