Achtung, Risiko!
Neuroökonom Peter Mohr untersucht, was sich in unserem Gehirn abspielt, wenn wir ökonomische Entscheidungen treffen
17.04.2015
Peter Mohr widmet sein Leben dem Risiko. Der Juniorprofessor für Neuroökonomie am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität untersucht, wie Menschen riskante ökonomische Situationen erleben und verarbeiten, Risiken einschätzen und auf sie reagieren, wie die Aussicht auf Gewinne und Verluste ihr Handeln beeinflusst.
Mohr kam im vergangenen Sommer durch das sogenannte Karrierewege-Modell nach Dahlem. Das Programm ist Teil des Zukunftskonzeptes der Freien Universität innerhalb der Exzellenzinitiative und fördert besonders begabte Nachwuchswissenschaftler. So ist der Juniorprofessor auch Leiter der Nachwuchsgruppe Neuroökonomie der Freien Universität und des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB). Dabei blickt er immer wieder auch in die Gehirne seiner Probanden.
Wenn der Wissenschaftler in Versuchsreihen das Anlegeverhalten anhand einfacher ökonomischer Entscheidungen simuliert, liegen die Freiwilligen in einem Magnetresonanztomografen (MRT). Im MRT zeigt sich durch Reaktionen in bestimmten Hirnregionen, wie Risiken empfunden werden und wie die Probanden darauf reagieren. „Der Sauerstoffgehalt im Blut steigt in den Hirnregionen an, in denen gesteigerte Aktivität zu verzeichnen ist“, erklärt Mohr. Empfinde das Gehirn Risiken als groß, sei dies im MRT deutlich zu erkennen. Das Gehirn zeigt dabei Aktivität in einer Region, in der auch die Ekel-Reaktionen verankert sind. Verursacht Risikoverhalten also negative Gefühle, die es beim wirtschaftlichen Handeln zu minimieren gilt? Ganz so einfach sei es natürlich nicht, sagt Mohr: „Die Heterogenität des Entscheidungsverhaltens der Probanden in ein und derselben Situation ist bei unseren etwa einstündigen Experimenten überraschend groß.Wir alle verstehen unter Risiko etwas anderes und darunter, welches Risiko vermieden werden sollte.“ Was der Neuroökonom mit seiner Forschung erreichen möchte, ist ein grundsätzliches Verständnis ökonomischen Verhaltens. Dabei interessieren ihn auch Faktoren, die unser Entscheidungsverhalten beeinflussen können: das Alter etwa oder Emotionen.
Peter Mohr ist mit seinen 33 Jahren ein junger Wissenschaftler für eine junge Wissenschaft: Die Neuroökonomie hat sich als eigene Disziplin erst in den vergangenen Jahren entwickelt. Mit der kognitiven Neurowissenschaft als Grundlage, etablierte sie sich als Schnittmenge von Psychologie und Wirtschaftswissenschaft und könnte Laien als Bestätigung für die weit verbreitete These dienen, dass Ökonomie nichts weiter ist als die Psychologie der Zahlen.
Mohrs Weg zur Neuroökonomie erscheint auf den ersten Blick gewunden – und hätte doch kaum zielführender sein können. 1981 in Elmshorn bei Hamburg geboren, ist ihm nach dem Abitur klar, dass er nicht in seiner Heimatstadt studieren möchte. Er geht nach Münster und immatrikuliert sich für Betriebswirtschaftslehre. Mohr denkt strategisch: „Volkswirtschaftslehre erschien mir nicht die besteWahl, um hinterher einen guten Job zu finden. Ich wollte damals auf jeden Fall in die Wirtschaft gehen.“
2006 absolviert Mohr sein Diplom. Dass er bis dahin nur teilweise seinen Interessen gefolgt ist, hat er während des Studiums immer wieder gemerkt, etwa wenn „betriebliches Recht“ oder „Steuerlehre“ an der Reihewaren. „Mich interessierten immer die Gebiete, in denen der Mensch und sein Verhalten eine Rolle spielten“, sagt er. Peter Mohr setzt seinen akademischen Weg als Stipendiat am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin fort. Dort verwandelt er für sich die Wirtschaftswissenschaft in eine Humanwissenschaft. Er wird Mitglied der Doktorandenschule International Max Planck Research School LIFE und promoviert 2011 an der Freien Universität – im Fach Psychologie. Seitdem erforscht er das Anlage- und Risikoverhalten von Menschen – und kann irgendwann vielleicht musterhaft erklären, welches Verhalten zum Platzen einer Investitionsblase führt.
Hat Peter Mohr Sorge, dass seine Forschungsergebnisse durch Unternehmen der Finanzbranche instrumentalisiert werden könnten? Dass etwa neurowissenschaftlich getestet werden könnte, wie besonders risikoreiche Produkte Kunden schmackhaft gemacht werden können? „Das lässt sich schwer vorhersagen“, sagt er. „Wir betreiben hier Grundlagenforschung.“ Was später aus den Erkenntnissen seiner Forschung gemacht werde, sei schwer vorherzusagen. Wahrscheinlich sei es, dass die Neuroökonomie Menschen zu besseren Entscheidungen, etwa für ihre Altersvorsorge, bringen könne, ohne sie zu bevormunden.
Die Betrachtung des menschlichen Verhaltens lässt Mohr auch außerhalb der Universität nicht mehr los. Ideale Beobachtungsobjekte sind seine drei Kinder. „Es ist schon spannend zu sehen, welche Entscheidungen sie treffen“, sagt Mohr. „Und natürlich auch, wie unterschiedlich sie sich verhalten.“